19.Kapitel

8 1 0
                                    

Ich schloss die Tür zu meiner Wohnung mit zitternden Händen auf, lehnte mich mit dem Rücken an diese und ließ meinen Tränen freien Lauf, die ich die ganze Zeit zurückgehalten habe. Ich hatte wahrscheinlich schon wieder übertrieben, nur weil Aiden an der Kasse mit ihr gesprochen hatte und sie ihm einen Zettel hingeschoben hat hieß es nicht gleich dass er etwas von ihr will, außerdem war es ja nicht so dass ich etwas mit ihm am Laufen hatte. Trotzdem traf mich diese Sache sehr und auf irgendeine mir unerklärliche Weise bin ich komplett ausgerastet. Er hatte nur mit mir essen wollen und ich habe ihn mit meinem Verhalten komplett vergrault. Ich sollte endlich einsehen, dass das Schicksal es nicht gut mit mir meint, doch warum? Womit hatte ich das verdient? Warum durfte ich nicht wie jeder andere Teenager in meinem Alter glücklich werden? Ich verstand die Welt mal wieder nicht und nahm ein Medikament, da ich merkte dass ich kurz vor einem Panikanfall war. Mir wurde schon wieder alles zu viel. Wenn das so weitergehen würde, wäre mein Leben schon sehr bald vorbei, das war der 5. Anfall allein in dieser Woche und ich fühlte wie meine Lebenskraft mit jedem Mal mehr und mehr verschwand. Ich nahm mein Tagebuch aus seinem Geheimversteck und setzte mich in die Küche. Nach einem tiefen Atemzug fing ich an zu schreiben.

Liebes Tagebuch,

Der heutige Tag war mal wieder komplett katastrophal. Aiden und ich sind essen gegangen und es war eigentlich total schön, bis ich total überreagiert habe weil so eine blöde aufgeblasene Kuh mit ihm geredet und ihm einen Zettel hingeschoben hat. Danach bin ich nach Hause gelaufen und habe mich nicht mal richtig von ihm verabschiedet. Ich weiß jetzt schon dass er mir wichtig geworden ist, aber ich weiß nicht auf was für eine Art. Mit dieser Aktion habe ich ihn aber wahrscheinlich komplett von mir weggestoßen. Er denkt jetzt wahrscheinlich ich wäre bekloppt, und selbst wenn nicht, denke ich es ist besser den Kontakt zu ihm abzubrechen, einfach um mich selbst zu schützen. Er ist ein Fuckboy und ich muss das irgendwann einsehen. Andererseits weiß ich nicht, ob ich das kann, da er wie gesagt jetzt schon einen Platz in meinem Herzen eingenommen hat. Kann er nicht einfach irgendwie verschwinden? Ach man, in letzter Zeit läuft einfach alles schief. Mein Leben ist einfach nur schlimm seitdem mir auch noch Mina genommen wurde. Ich vermisse Mama, Papa und sie so unglaublich sehr und ich sehne mich danach bei Ihnen zu sein. Jeder Tag verläuft gleich und genauso schmerzhaft wie alle Tage davor, es wird einfach nicht besser. Ich frage mich, ob es für mich überhaupt noch einen Grund gibt zu leben, ich habe weder Talent für irgendwas noch irgendwelche Freunde denen ich wichtig bin. Auch habe ich das Gefühl dass dieser unerträgliche Schmerz für immer bleiben wird, also wozu sollte ich weiterhin leiden wenn ich so einfach von diesem Planeten verschwinden kann? Ich weiß dass diese Gedanken nicht gerade gesund sind und ich habe versucht nicht mehr darüber nachzudenken, aber im Endeffekt... würde mich eh niemand vermissen. Also wozu der ganze Aufwand? Ich weiß wirklich nicht, wie lange ich das hier noch aushalten kann. Wartet man am anderen Ende vielleicht schon auf mich? Ist die Antwort auf all meine Fragen so offensichtlich und ich bekomme die ganze Zeit Zeichen, dass es keinen Sinn hat, weiterzuleben? Ach, ich weiß es nicht, ich weiß gar nichts mehr. Ich habe keine Kraft und... fühle mich einfach nur... taub.

Deine Kaya

Meine Tränen fingen schon wieder an zu kullern. Meine Fresse, ich war so schwach. Ich verstand einfach nicht wie mein Leben so scheisse sein konnte, verdammt. Vielleicht war es ja wirklich an der Zeit für mich zu gehen? Schätze ich würde allen einen Gefallen tun, vor allem mir. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich komplett allein und... in einer Art Teufelskreis gefangen war. Ich kam nie von meinem Selbsthass los, egal wie oft ich es versuchte. Ich schlug eine Seite in meinem Buch auf, auf der ich angefangen hatte, einen Songtext zu schreiben und schrieb den Refrain. Ich konnte nicht singen und mein Tagebuch war streng geheim, also machte es wenig Sinn, überhaupt Songtexte zu schreiben, aber irgendwie hatte ich Spaß daran.

Auf ein mal wurde meine Kreativität durch das Vibrieren meines Handys unterbrochen. Es war eine Nachricht von Snapchat, dass Aiden mich als Freund geaddet hatte. Meine Güte, er ließ echt nicht locker, wollte er denn wirklich so sehr Kontakt mit mir aufnehmen? Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln und ich fühlte mich direkt ein bisschen besser. Dieser Typ hatte echt einen merkwürdigen Einfluss auf mich. Ich entsperrte also meinen alten Kasten und öffnete die App. Ich wusste nicht mal, wieso ich es mir heruntergeladen hatte, da ich keine Freunde hatte denen ich snappen konnte. Schätze ich fand die Filter cool. Ich drückte auf annehmen und keine 2 Minuten später bekam ich einen Snap von ihm. Aus Langeweile und Neugier antwortete ich ihm und so schrieben wir den ganzen Abend. Er war echt total nett und sprach mich nicht auf den Vorfall vorhin an, was ich ehrlich gesagt nicht erwartet hätte. Warum war er immer noch nett zu mir? Ich verstand die Welt nicht mehr, hatte jedoch Schuldgefühle weswegen ich ihm anbot, mich zu revanchieren indem ich ihm was kochte. Keine Ahnung warum ich auf ein mal so sozial war, aber ich fand seine Präsenz heute ziemlich angenehm. Irgendwie hatte ich Angst dass er ablehnen würde, er willigte jedoch freudig ein und so hatte ich ihn schon am nächsten Tag zu mir nach Hause eingeladen. Klang ja schon fast wie ein Date... bei dem Gedanken bekam ich Schmetterlinge im Bauch. Halt, Stopp. Ich würde mich doch nicht in ihn verlieben... oder? Nein. Das durfte ich nicht zulassen. Er war kein netter, harmloser Junge, sondern genauso ein Arschloch wie sein Bruder. Man durfte dieser Art von Typen einfach nicht vertrauen, aber mein Herz schien diese Information anscheinend nicht wahrnehmen zu wollen, denn ich schrieb weiter mit ihm, auch wenn ich eigentlich zu meinem eigenen Schutz den Kontakt abbrechen sollte. Noch mehr Schmerz konnte ich jetzt echt nicht vertragen, aber ich hatte komischerweise das Gefühl dass ich ihm vertrauen konnte. Wieso war ich nur so ein komischer Mensch?

Als ich nach einer Weile mal auf die digitale Uhr meines Handys schaute, sah ich dass es schon ziemlich spät war und schrieb Aiden dass ich schlafen musste. Er antwortete mit einem süßen Bild von sich und schrieb „Gute Nacht :) und schlaf gut💞"darunter. Ich war vollkommen perplex und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also schrieb ich einfach gar nichts und stellte mein Handy zum Aufladen. Voller Glücksgefühle machte ich mich bettfertig und ging schlafen. Das erste Mal seit langem statt mit Tränen in den Augen, mit einem Lächeln auf den Lippen. Der morgige Tag würde gut werden, da war ich mir sicher.

Please (don't) Save me.Where stories live. Discover now