Kapitel 2️⃣0️⃣

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PoV Takuya

Ich ließ Lou und Draco in Ruhe reden; ich hatte nämlich nicht das Gefühl, dass die beiden mich gerade bei sich habe wollten. Deswegen hatte ich mich mit der Ausrede, Laub sammeln zu gehen, entfernt. Sehr dämlich, wenn ich genauer darüber nachdachte, aber das tat ich ja nicht.
Ich sah mich nach Nuno und Clary um, konnte aber keinen von ihnen entdecken. »Clary! Nuno!«, rief ich, in der Hoffnung, dass ich sie einfach fand und nicht schon wieder jemand verschwunden war. Da hörte ich ein leises Fauchen. Erleichtert blickte ich nach unten und sah Nuno, die mit ausgefahrenen Krallen und wild knurrend gegen ein Blatt kämpfte. Als es komplett zerfetzt auf dem Boden lag, legte Nuno sich triumphierend auf die Überreste. »Hör besser damit auf, du wirst ja schon so wie Clary«, meinte ich lachend und hockte mich neben die kleine Katze. Ich streichelte ihr über den Kopf und fragte: »Hast du Clary gesehen?« Zu meinem Erstaunen sprang Nuno wirklich auf und lief ein Stück in den Wald. Ich folgte ihr und erblickte kurze Zeit später einen roten Haarschopf. Ich näherte mich neugierig der Person, der die Haare gehörten. Sie drehte ihren Kopf in meine Richtung und ich schnappte erschrocken nach Luft, als ich ihr Gesicht sah; sie erinnerte mich gruselig genau an Clary. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie -abgesehen von der Haarfarbe- ansonsten ebenfalls genau wie Clary aussah. Sie besaß ebenfalls Ohren und einen Wolfschwanz, was bei Menschen ja nicht allzu häufig vorkam. »Clary?«, fragte ich deshalb zögernd. »W-wer ist Clary?«, gab sie stotternd zurück. Das kann nicht Clary sein, dachte ich. Clary hätte mir inzwischen schon längst eine gescheuert; einen Grund dafür fand sie immer.
»Ist das deine Katze?«, fragte das Mädchen plötzlich. Sie deutete dabei auf Nuno. »Sozusagen. Ich habe Nuno im Wald gefunden und konnte sie dort nicht einfach zurücklassen.« »Naw«, machte die Rothaarige grinsend. »Und wo wohnst du?« Ich stockte. Was sollte ich jetzt antworten? Ich konnte ihr ja schlecht sagen, dass ich mit einem Jungen, einer Katze und zwei Mädchen, von denen eins so aussah wie sie, irgendwo im Wald lebte.
»Schon okay«, sagte sie da schnell. »No offense, aber du siehst nicht so aus, als würdest ganz normal in der Stadt oder so wohnen. Deswegen habe ich auch eigentlich gefragt. Weil ich dachte, es gibt vielleicht noch mehr Menschen, die wie wir sind, also so anders, und-« Sie verstummte. »Tut mir Leid, ich wollte nicht...« »Alles gut«, meinte ich freundlich. »Ich verstehe, was du meinst. Es gibt da wirklich noch jemanden, beziehungsweise sogar zwei. Lou und... Clary.« Sie sah mich verwirrt an. »So hast du mich doch vorhin genannt.« »Ja. Clary sieht nämlich genauso aus wie du, nur dass sie weiße Haare hat.« »Ich kenne aber keine Clary«, sagte das Mädchen leicht schuldbewusst. »Ist nicht schlimm«, meinte ich schnell. »Ich kann dich erstmal Lou und Draco vorstellen und vielleicht finden wir Clary auch wieder.« Obwohl ich sie nicht gerade vermissen würde, fügte ich in Gedanken hinzu.

Mit Nuno auf dem Arm, die sich geweigert hatte, den ganzen Weg selber zurückzulaufen, und dem rothaarigen Mädchen an meiner Seite, machte ich mich auf den Weg zurück zu unserem Lager. Wir kamen sogar relativ schnell dort an; ich wurde immer besser darin, zurück zum Lager zu finden. Als erstes erblickte ich Lou, die mit Pfeilen auf eine an einem Baum aufgemalte Zielscheibe schoss. Als wir auftauchten, zischte sofort ein Pfeil knapp an meinem Ohr vorbei. »Bist du verrückt?!«, rief ich empört. »War ein Reflex, sorry«, erwiderte Lou schulterzuckend. »Aber wen hast du da mitgebracht? Moment, ist das...?« »Hab' ich mich auch schon gefragt«, antwortete ich. »Aber sie, nun ja, verhält sich nicht wirklich so wie Clary.« Lou machte den Mund auf, um etwas zu sagen, wurde aber von Draco unterbrochen, welcher plötzlich hinter einem Baum hervorkam. »Wer bist du?«, fragte er und funkelte die Rothaarige misstrauisch an. »Sei mal nicht immer so unfreundlich!« nahm ich sie in Schutz. »Und außerdem ist sie... Aki.« Die Rothaarige sah mich verwirrt an. »Aki?« »Ja, Aki bedeutet Herbst und deine roten Haare und Augen erinnern mich an den Herbst«, erklärte ich lächelnd. »Oh Gott, ich kotz' gleich Regenbogen«, grummelte Draco und wollte sich wieder von uns abwenden. Lou hielt ihn aber auf, indem sie sagte: »Bleib doch hier, Draco. Wie sind ein Team und sollten uns auch so verhalten. Wie brauchen wirklich keine Eif- schlechte Laune hier.« Sie warf Draco, der sich tatsächlich dazu entschied, bei uns zu bleiben, einen vielsagenden Blick zu. »Na gut«, meinte er nach kurzem Zögern. »Aber wo ist Clary? Und kann diese Aki« er spuckte ihren Namen verächtlich aus »überhaupt kämpfen?« »Du kannst es ja herausfinden«, erwiderte Aki und zückte ihr Schwert. Draco's Miene hellte sich auf. »Mit Vergnügen.« Er kam zu mir und schnappte sich mit einer geschickten Bewegung meine beiden Dolche. »Ich denke, du hast nichts dagegen, wenn ich mir die mal kurz ausleihe«, sagte er frech. Ich sagte nichts dazu. Wäre sowieso nur verschwendete Energie gewesen.
Als Aki und Draco sich kampfbereit gegenüberstanden, stellte Lou sich schnell zwischen die beiden. »Müsst ihr wegen jedem Scheiß immer gleich anfangen, euch de Köpfe einzuschlagen? Klärt das doch mal friedlich. Ihr seid so kindisch.« »Wie sollen wir denn ohne zu kämpfen herausfinden, ob Aki kämpfen kann?«, entgegnete Draco. »Es war ja auch nur ein Vorschlag«, seufzte Lou und machte Platz.
Draco kniff die Augen zusammen und umkreiste Aki. »Willst du mich umkreisen, bis mir schwindelig wird oder was?«, spottete sie. »Wenn's funktioniert«, erwiderte Draco und schnellte plötzlich vor. Er hielt einen der Dolche nach vorne gestreckt und zielte damit auf Aki's Kopf. Als diese ihn den Dolch mit ihrem Schwert aus der Hand schlug, brachte Draco seinen zweiten Dolch zum Einsatz, indem er Aki diesen zwischen die Rippen rammte. »Draco!«, riefen Lou und ich geschockt. »Süß«, meinte Aki kur kalt. Sie zog sich mit einem emotionslosen Gesichtsausdruck den Dolch aus ihrem Körper und warf ihn auf Draco, welcher knapp auswich. Draco sah für einen kurzen Moment aus dem Konzept gebracht aus, fasste sich aber sofort wieder. »Du schaffst es also nur in einem unausgeglichenen Kampf? Na bitte, wenn du unbedingt so kämpfen willst«, knurrte Draco und startete wieder einen -aber diesmal unüberlegten- Angriff. Er stürmte auf Aki zu und wollte sie mit den Fäusten angreifen. Aki parierte allerdings wieder mit ihrem Schwert. Im nächsten Moment schallte ein lauter Aufschrei über die Lichtung und Draco brach zusammen. Blut lief sein Gesicht hinunter. Lou und ich liefen sofort zu Draco und hockten uns neben ihn. Ich half ihm vorsichtig, sich auf den Rücken zu legen. Dann sah ich zu Aki und fuhr sie wütend an: »Was hast du dir dabei gedacht?!« »Er hat angefangen«, sagte Aki schnell; sie wirkte leicht überfordert. Ich schnaubte verächtlich und und wollte aufspringen, wurde aber von Lou zurückgehalten. »Provozier lieber nicht noch eine Verletzung«, warnte sie. Widerwillig hörte ich auf sie und wandte mich wieder dem verletzten Draco zu. Er drückte eine Hand auf sein rechtes Auge und atmete unruhig. Ich nahm sanft seine Hand von seinem Auge. Neben seinem blutüberlaufenem Gesicht enthüllt sich ein Schnitt über seinem Auge, der bis zu seinem Aue verlief. »Fuck«, murmelte ich und starrte wie gelähmt Draco's zerstörtes Gesicht an. Da wurde ich auf einmal von Aki zur Seite gestoßen. Ich wollte mich schon beschweren, aber als ich sah, wie sie sich an meine Stelle hockte und begann, Draco's Verletzung zu untersuchen, schloss ich meinen Mund wieder.

Lost In RealityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt