Kapitel 13

23 5 2
                                    

Lorelei

"Hallo, entschuldigt, dass ich euch unterbreche", begrüßte ich die Arbeiter.

„Oh, hallo Prinzessin", sprach einer der Männer überrascht, „seid Ihr zusammen mit den Helfern aus dem Schloss zurückgekommen?" Ich nickte ihm zu und sah den Fremden an.

„Können wir uns kurz unterhalten?"

Er schien überrascht zu sein, dass ich ihn ansprach, aber er nickte und kam auf mich zugelaufen. Wir gingen zu einem ruhigeren Teil des Stadtplatzes und setzten uns auf eine freie Bank. Lucas und Mark hielten sich auf Abstand, aber ich wusste, dass sie genau aufpassten.

Ich sah zu dem Mann neben mir. „Wir hatten letztens keine Gelegenheit uns einander vorzustellen. Mein Name ist Lorelei van Maera, Prinzessin dieses Königreiches." Ich gab ihm ein höfliches Lächeln, welches er leider nicht erwiderte. „Was ist dein Name?"

Mit leicht gekrümmten Schultern saß er auf der Bank, sein Körper von oben bis unten angespannt. Sein Blick fuhr wild in der Gegend herum, als würde er permanent nach Gefahr Ausschau halten. Irgendwann landete sein Blick endlich auf mir. Ich gab mein Bestes, um weiterhin zu lächeln aber ich befürchtete, dass ich bald einen Krampf bekommen würde. Wahrscheinlich machte ich schon ein komisches Gesicht.

Er hob eine Augenbraue. „Du musst dich nich' zwingen zu lächeln."

Lustigerweise wurde mein Lächeln nach seinem Kommentar wieder echt und ich lachte kurz auf. „Ah, ja. Ich habe zu sehr versucht höflich zu sein. Doch es ist nett das zu hören. Danke."

„Dank mir nich'. Dein Lächeln war grauenvoll", antwortete er lässig. Er sprach eigenartig, irgendwie undeutlich. Ich hatte noch nie jemanden so sprechen gehört. Vielleicht kam er aus einem der südlichen Königreiche? Er sah aber nicht so aus. Andererseits habe ich auch nicht besonders viele Südländer getroffen, also musste das nichts heißen.

„Dorean Vale", sagte er. Ich war so in meine Gedanken vertieft gewesen, dass mich seine Worte überraschten. Ich sah ihn an und bekam nur ein „Hä?" heraus. Schon wieder? Ernsthaft?

„Dorean Vale. Mein Name, du wolltest ihn wissen."

„Ja, natürlich. Dorean Vale." Ich testete seinen Namen auf meiner Zunge. Er gefiel mir. „Vale, wie der Wald?" Ich konnte mich nicht davon abbringen zu fragen.

„Ja", sagte er zögernd und sah wieder von mir weg. „... wie der Wald."

In Ordnung. Das war eigenartig, oder? Vielleicht sollte ich das Thema wechseln. Ich hatte schließlich einen Grund hier zu sein.

„Dorean, es gibt etwas, das ich dich fragen möchte. Es geht um das, was vorgestern passiert ist."

Er sah nicht besonders überrascht aus, also sprach ich weiter.

„Ich habe mit dem König gesprochen und ihm erzählt was passiert ist, aber er, oder besser gesagt alle haben Schwierigkeiten das zu glauben. Jedenfalls dachte ich, da du die Situation gerettet hast, könntest du vielleicht etwas wissen, das uns weiterhilft. Wir wissen nämlich rein gar nichts über diese Kreaturen oder was passiert ist oder wie und warum..."

„Und ich soll dir sagen was ich weiß?" beendete er.

„Nicht ganz. Siehst du, der König würde gerne persönlich mit dir sprechen." Ich vermutete, dass ich soeben etwas Falsches gesagt hatte, denn jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht und er sah mich schockiert an. „Es ist nichts Schlimmes, wirklich nicht", versuchte ich ihn schnell zu beruhigen, „er bevorzugt es direkt mit seinen Informanten zu sprechen. Außerdem glaube ich, dass er sich gerne bei dir bedanken würde. Schließlich hast du das Leben seiner Tochter gerettet." Dorean schien sich wieder etwas zu entspannen. „Also, was sagst du? Wirst du mich zu Schloss begleiten?"

Nachdem er kurz überlegt hatte, willigte Dorean ein. Aber wenn ich so darüber nachdachte, konnte jemand wirklich eine Aufforderung vom König verweigern? Wie dem auch sei, ich grinste ihn fröhlich an und er lächelte steif zurück.

„Toll!" rief ich etwas zu laut und stand ruckartig auf. Anscheinend hatte ich Lucas und Mark erschreckt, denn die kamen regelrecht an meine Seite gesprungen. Dorean war ebenfalls aufgesprungen und stand den beiden defensiv gegenüber.

„Alles in Ordnung. Das sind Lucas und Mark, meine Eskorte", ich zeigte auf sie während ich sprach, „sie werden uns auf dem Weg zum Schloss begleiten. Lucas, Mark, das ist Dorean."

Lucas nahm einen Schritt auf Dorean zu und schüttelte energisch seine Hand. „Schön dich kennen zu lernen, Dorean." Dorean sah misstrauisch aus, aber ließ es über sich ergehen. Mark nickte ihm einfach zu und Dorean tat dasselbe. Die zwei sollten gut miteinander auskommen.

„Prinzessin, sollen wir uns nun auf den Weg zum Schloss begeben, oder die Nacht hier verbringen?" fragte Mark.

„Mal sehen", Ich sah fragend zu Dorean, aber der zuckte nur mit den Schultern. Dann sah ich zum Himmel hoch, um nachzuschauen wie lange wir noch Sonnenlicht haben würden. „Wenn wir uns bald auf den Weg machen, kämen wir gegen Sonnenuntergang an. Das wäre optimal. Allerdings gibt es etwas, das ich tun muss, bevor wir Aphillia verlassen."

„Warum muss ich alles allein tragen?" jammerte Lucas vor sich hin. Er trug die restlichen Sachen, die ich bei Madeleine gelassen hatte. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit bekommen hatte mich von ihr zu verabschieden. Die Gute hatte uns sogar Verpflegung für die Reise mitgegeben.

„Weil du die Wette verloren hast", informierte ihn Mark erneut.

„Himmel, ich schwöre, das passiert mir jedes Mal. Nie wieder werde ich mit dir eine Wette eingehen!" jammerte Lucas weiter.

„Das sagst du jetzt schon zum dritten Mal", konterte Mark.

Plötzlich nahm Dorean dem Plappermaul eine der Taschen ab und lief ohne ein Wort voraus.

„Danke Dorean! Hast du das gesehen?" jubelte Lucas und drehte sich zu Mark um, „Dorean greift mir unter die Arme. So ein hilfsbereiter Kerl."

„Ne, ich will nur, dass du endlich die Klappe hältst."

Ich bekam einen Lachanfall. Irgendwie waren ihre Zankereien noch unterhaltsamer, jetzt wo Dorean dabei war. Ich wusste nicht einmal wieso ich es so lustig fand. Als ich mich wieder gefangen hatte, fiel mir auf, dass wir alle aufgehört hatten zu gehen und uns nun alle gegenseitig angrinsten.

Wie geplant kamen wir bei Sonnenuntergang im Schloss an. Die Tore öffneten sich und wir gingen gemütlich weiter. Dorean zögerte etwas vor den Toren, aber folgte uns anschließend hinein. Tressa kam und begrüßte uns mit einer Verbeugung. „Prinzessin, willkommen zurück. Gehe ich recht in der Annahme, dass Eure Suche erfolgreich war?"

„Ja, Tressa, das ist Dorean Vale. Dorean, das ist Tressa Enseilles, Kommandeur der Königsgarde und strategische Beraterin des Königs." Dorean neigte seinen Kopf.

„Freut mich Ihre Bekanntschaft zu machen", sagte Tressa und sah wieder zu mir, „da es schon relativ spät ist, werden wir die Versammlung morgen früh halten." Sie rief ein Zimmermädchen herbei. „Begleite unseren Gast bitte zu seinem Zimmer." Das Zimmermädchen verbeugte sich und bat Dorean ihr zu folgen. Er sah unsicher zu mir herüber und ich nickte in ihre Richtung, um ihm zu zeigen, dass er ihr folgen sollte.

Nachdem er gegangen war, wünschte ich Lucas, Mark und Tressa eine gute Nacht und machte mich ebenfalls auf den Weg in meine Gemächer. Morgen würde ein wahrlich interessanter Tag werden.

Der Strom des Lebens I [Gespaltene Welten]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt