- ARTIKEL DER WOCHE -
Edmontosaurus annectens (Verbundene Echse aus Edmonton)
1892 von Othniel C. Marsh
Familie: Hadrosauridae
Länge: ♂ bis zu 13,4m, ♀ bis 12,7m
Gewicht: ♂ bis über 4.000kg, ♀ bis 3.300kg
Zu den größten und erfolgreichsten Dinosauriern der späten Kreidezeit gehörten die Hadrosaurier, oft auch als Entenschnabeldinosaurier bezeichnet. Besonders auf der Nordhalbkugel liefen diese hochspezialisierten Pflanzenfresser den riesigen langhalsigen Sauropoden am Ende der Kreidezeit allmählich den Rang ab und waren zu den häufigsten Dinosauriern überhaupt geworden. Ihren Lebensraum teilten sie sich dort fast immer mit den hornbewehrten Ceratopsiern, die aber wohl in keinem Konkurrenzverhältnis zu ihnen standen.
Edmontosaurus ist eine der letzten und größten Arten der Hadrosaurier. Obwohl sie sich meist auf allen Vieren fortbewegen, können sie sich auch auf zwei Beine aufrichten und so Äste und Blätter von hohen Bäumen noch in über sechs Metern Höhe abweiden. In ihrem breiten, schnabelartigen Maul tragen sie eine Batterie aus mehr als 2.000 ständig nachwachsenden Zähnen, mit denen sie ihre Nahrung zerkauen können. Aufgerichtet überragen ausgewachsene Edmontosaurier sogar einen ausgewachsenen Tyrannosaurus, zu dessen Lieblingsbeute sie gehören.
Edmontosaurier sind intelligente, tagaktive und sehr soziale Herdentiere. Männchen sind bulliger gebaut, werden größer als die Weibchen und haben eine bunt gefärbte Schnauze, ansonsten ähneln sich die Tiere untereinander sehr. Sie haben eine hellbraune, beinahe schon gelbliche Haut, die am Bauchbereich immer heller wird. Ihr Schwanz ist darüber mit breiten, dunklen Streifen verziert, die eine gute Tarnung ermöglichen und Jäger verwirren, wenn die gesamte Herde sich zur Flucht in Bewegung setzt, ganz ähnlich wie die Streifen der heutigen Zebras.
Edmontosaurier sind fürsorgliche Eltern, die ihre Eier in großen Nistkolonien ablegen. Im Rhythmus von drei Jahren schließen sich mehrere Herden zu einem gemeinsamen großen Herdenverbund von oft mehr als zwei Dutzend Tieren zusammen, die gemeinsam ihre Eier ausbrüten und die Jungen in den ersten Wochen noch im Nest füttern. Die schiere Größe ihrer Zahl schreckt dabei die meisten Fressfeinde ab, sogar Tyrannosaurier machen in dieser Jahreszeit einen weiten Bogen um die Entenschnäbel. Sind die Jungen nach etwa sechs bis acht Wochen groß genug, das Nest zu verlassen, löst sich die Nistkolonie auf und die Tiere ziehen bis zur nächsten „Zusammenkunft" in kleineren Herden weiter, die ausschließlich aus eng miteinander verwandten Tieren bestehen.
Eine solche Edmontosaurus-Herde auszumachen ist nicht schwer. Bevor man sie zu Gesicht bekommt, kann man sie bereits hören: Zur Kommunikation in der Herde geben Edmontosaurier laute, basstrompetenartige Töne von sich. Jedes Tier hat dabei eine individuelle Stimme, die seine Artgenossen über weite Strecken erkennen können. Interessant ist, dass trotz des Größenunterschieds die Herden meist von den Weibchen geführt werden. Von Männchen geführte Herden kommen zwar vor, sind allerdings selten. Die Männchen leben oft auch ganz ohne soziale Bande als Einzelgänger, vor allem die großen, über fünfzehn Jahre alten Tiere, die aufgrund ihrer Körpergröße nicht auf den Schutz einer Herde angewiesen sind. Sie gesellen sich nur zur Paarungszeit wieder unter ihre Artgenossen und verlassen sie danach gleich wieder. Hin und wieder werden sie auch von ein bis zwei jüngeren Männchen begleitet.
Wenn der Rest der Herde mit Fressen beschäftigt ist, hält immer ein Tier als Wachposten nach Feinden Ausschau. Bei Gefahr stößt es einen lauten, trompetenartigen Alarmruf aus, den es mithilfe eines aufblasbaren Hautsacks über ihren Nasenlöchern erzeugt. Bei der Flucht laufen sie auf zwei Beinen und können so Geschwindigkeiten von über 50km/h erreichen. Edmontosaurier sind zwar ausgesprochene Fluchttiere und eigentlich nicht aggressiv, gegen kleinere Angreifer können sie aber ihr tonnenschweres Gewicht einsetzen und mit ihren hufartigen Vorderbeinen gefährliche Tritte austeilen. Besonders in der Brunftzeit, aber vor allem wenn sie ein Gelege bewachen, kommt man ihnen deshalb besser nicht zu nahe.
Trivia:
Die Hadrosaurier aus der Hell Creek Formation wurden in der Vergangenheit unter vielen verschiedenen Gattungs- und Artnamen geführt. Alternativ zu Edmontosaurus annectens waren auch die Synonyme „Claosaurus annectens" (verwendet von Marsh in seiner Erstbeschreibung), „Anatosaurus annectens", „Thespesius saskatchewanenesis" und „Anatotitan copei" geläufig. Noch heute herrscht unter Paläontologen eine gewisse Unstimmigkeit bei der genauen Klassifizierung. In „Die weißen Steine" wird der Mehrheitsmeinung gefolgt und die Klassifizierung „Edmontosaurus annectens" verwendet.
Nichtsdestotrotz ist Edmontosaurus eine der am besten erforschten Dinosauriergattungen der Welt. Die Gattung kam im gesamten Westen des Nordamerikanischen Kontinents vor. Besonders spektakuläre Funde stammen aus der Hell Creek Formation, wo 1999 ein 11m langes und sehr gut erhaltenes Fossil entdeckt wurde. Bei diesem Exemplar, getauft auf den Spitznamen „Dakota", konnten die Wissenschaftler nicht nur den Körperbau exakt rekonstruieren und z.B. herausfinden, wie schnall das Tier ungefähr laufen konnte, sondern es blieben sogar fossilierte Haut und Gewebestrukturen erhalten. So konnten sogar auf die Färbung des Tieres Rückschlüsse gezogen werden, indem man die in der Haut erhalten gebliebenen Pigmentzellen untersuche. Die oben erwähnte Farbgebung orientiert sich an diesen Forschungsergebnissen, und damit ist Edmontosaurus der einzige in „Die weißen Steine" auftretende Dinosaurier, von dem wir ungefähr wissen, wie er tatsächlich gefärbt war.
Edmontosaurus wurde nachweislich von Tyrannosaurus gejagt. Bei einem anderen Exemplar aus Hell Creek wurde eine schwere Bissverletzung an den Schwanzwirbeln festgestellt, die Abdrücke passen genau zu den Zähnen eines Tyrannosaurus. Der Knochen war allerdings bereits verheilt, als das Tier letzten Endes starb, also muss es zu seinen Lebzeiten einen Tyrannosaurus-Angriff überstanden haben und seinem Feind entkommen sein. Dieser Fund untermauert die These, dass Tyrannosaurus nicht nur von Aas lebte, sondern auch lebender Beute nachstellte und dass Edmontosaurus zu seinen präferierten Beutezielen gehörte.
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Neue Alte Welt - Die Weißen Steine, Band I
AventuraIn Panik flieht Moritz durch den Wald. Er wird gejagt, spürt bereits den heißen Atem des Todes in seinem Nacken. Ein Ungeheuer aus längst vergangenen Zeiten ist ihm auf den Fersen, ihm und seiner ganzen Klasse, mit denen er sich eigentlich auf eine...