PoV Clary
Ich ging zum Spiegel und sah mich an. Ich sah aus wie immer: lange braune Haare, schmaler athletischer Körper, schmales Gesicht, blaue Augen; alles ganz normal. Ich machte mich fertig für die Schule. Die Uniform bestand aus einem blauen Rock, einem weißen T-Shirt, einem blauen Jacket und Stiefeln.
Auf dem Weg zur Schule stieß ich mit jemandem zusammen. Ich prallte an seiner Brust ab und fiel hin. Mein Knie war aufgeschürft. Ich sah zu dem Jungen auf, der ungefähr in meinem Alter war. Er trug ein schwarzes Shirt und blaue Jeans. Er hatte einen muskulösen Körper und ein schmales Gesicht. Ich schluckte, als ich seine Fangzähne erblickte. Warte was, Fangzähne? »Wer bist du?«, fragte ich, ohne irgendeine emotionale Reaktion von mir zu geben. »Komm mit«, kam anstatt einer Antwort von ihm und ich wurde hochzogen. Er hielt meine Hand fest in seiner und rannte los.
Nach einer Weile blieb er in einem Wald stehen.
»Alles okay?« Ich zögerte mit der Antwort.
»Abgesehen davon, dass du mich gerade entführt hast..?«, erwiderte ich schließlich sarkastisch.
»Tut mir Leid«, meinte er. »Ich konnte dich so aber nicht gehen lassen. Du hast meine Fangzähne nämlich schon gesehen. Ich bin übrigens Miles.« Er legte eine kurze Pause ein.
»Und du wirst bald ein Werwolf.«
»Ich bin Cl... Moment, ich werde was?!« Er sah mich entschuldigend an.
»Es ist der Virus. Er wird durch Wunden übertragen.«
»Du bist also ein Werwolf?«, kombinierte ich langsam. Miles nickte.
»Ich hätte dich ja eher für einen Vampir gehalten«, murmelte ich.
Miles ignorierte den Kommentar und sagte: »Du musst mir jetzt vertrauen. Ich werde dir mein Rudel zeigen in das du aufgenommen werden wirst.« Ich war zwar erst etwas skeptisch, willigte dann aber ein.Miles führte mich zu einer Lichtung mit kleinen Blockhütten. Er deutete auf eine Hütte.
»Dort wirst du wohnen. Ich werde deinen Eltern eine Nachricht hinterlassen, was mit dir geschehen ist. Das Wichtigste ist, dass du ruhig bleibst. In drei Tagen bist du durch die Verwandlung. In der Hütte findest du Klamotten und ein paar andere Sachen. Wenn du mich suchst, ich bin dort zu finden.« Er deutete auf eine andere Hütte. »Tschau!« Ich sah ihm noch kurz nach, bevor ich in meine Hütte trat. Dort sah ich mich um, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde und ein Mädchen hinter mir stand. Ich drehte mich um.
»Bist du die Neue?« Sie war ziemlich hibbelig.
»Nein, mein Name ist Clary«, erwiderte ich. »Und wer bist du?«
»Ich bin Erina.« Sie zog mich zu der kleinen Küche, die eigentlich nur aus einem Kühlschrank, einer Spüle und einem Herd bestand, die an einer Wand standen. Gemeinsam kochten wir eine Art Gemüse-Suppen-Eintopf; man musste hier das nutzen, was es eben gab.
Als wir fertig waren, drückte ich Erina den ersten Teller in die Hand mit den Worten: »Iss schon, du siehst aus wie ausgehungert.«
»Danke!«, schmatzte sie mit vollem Mund. »Voll lecker!«Nachdem wir gegessen hatten, legte ich mich sofort schlafen. Erina konnte nachvollziehen, dass ich müde war und hatte mich direkt allein gelassen. Doch seltsamerweise dauerte es noch sehr lange, bis ich tatsächlich einschlief. Ich versuchte zwar, nicht über den heutigen Tag nachzudenken, was mir allerdings nicht sehr gut gelang. Vielleicht war es ja auch nur ein Traum, dachte ich. Vielleicht würde ich gleich aufwachen, Zuhause in meinem Bett liegen und dies wäre nur eine Erfindung meine Kopfes gewesen.
Schließlich schaffte ich es aber doch, einzuschlafen.Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich immer noch satt vom Abendessen. Also ging ich direkt nach draußen und spazierte durch das Camp-artige Hüttenwirrwarr. Ich fand einen Trainingsplatz, auf dem mehrere Trainingspuppen aus Holz standen. Ich schnappte mir Dolche, die an einem Gerüst befestigt waren. Ich warf einen auf jede Puppe; immer traf ich das Gesicht, auf dem Zielscheiben abgebildet waren.
»Gut gemacht!« Ich erschrak.
»Wer ist da?«, rief ich und drehte mich um. Dort stand ein etwas älterer Junge. Er musterte mich kurz, dann wandte er sich wieder ab und ging fort.
»Blödmann«, grummelte ich.
Ich begab mich zurück zu meiner Hütte, da ich ansonsten nichts Interessantes gefunden hatte. Auf dem Tisch fand ich einen Zettel mit der Nachricht: Komm in mein Büro. Obwohl kein Absender draufstand, wusste ich, dass der Zettel von Miles stammte. Also machte ich mich auf den Weg zu besagter Hütte. Angekommen klopfte ich an die Holztür. Miles öffnete fast sofort. Er hatte ein Telefon in der Hand. »Störe ich?«, formte ich mit den Lippen. Er schüttelte den Kopf, sagte: »Okay danke, bis dann«, und legte dann auf. Er legte das Telefon auf seinen Schreibtisch und wandte sich dann an mich.
»Schon gut. Ich habe von Larson gehört, was du auf dem Trainingsplatz gemacht hast.« Schuldbewusst sah ich drein.
»Tut mir Leid, ich hätte fragen sollen«, sagte ich rasch. In Wirklichkeit tat es mir zwar nicht Leid, aber ich wollte mich nicht direkt unbeliebt machen. Aber Miles schüttelte nur lachend den Kopf.
»Nein, das mein ich nicht. Ich wollte dich eigentlich loben; das war Larson zufolge eine sehr gute Leistung, die du da gebracht hast.« Ich nahm das Lob mit einem Nicken entgegen.
»Das ist aber eigentlich gar nicht der Grund, warum ich dich hergebeten habe«, fuhr Miles auch schon fort.
»Ich wollte dir das hier geben.« Er holte etwas aus einem Schrank, der in seinem Büro stand; seine Hütte war um einiges größer als meine.
Als er sich mir wieder zuwandte, hielt er ein Schwert in der rechten Hand. Meine Augen fingen automatisch an zu leuchten. Miles lachte wieder.
»Du hast echt 'ne Menge Enthusiasmus«, meinte er. Verwirr mich nicht mit Fremdwörtern, sondern gib mir einfach dieses Schwert!, dachte ich ungeduldig. Doch anstatt mir das Schwert zu überlassen, hielt Miles in aller Ruhe erst eine gefühlt zweistündige Predigt über dieses.Am nächsten Morgen merkte ich, dass ich in der Nacht gewachsen war. Ich schlüpfte in meine Schuhe. Sie waren mir immer zu groß gewesen, doch jetzt passten sie mir. Es war für meine Verhältnisse ein ganz normaler Tag. Ab und zu machte ich mir Gedanken, warum Miles mir bereits so sehr vertraute und mir sogar dieses Schwert überlassen hatte. Wusste er etwa so viel über mich.
Der nächste Tag aber war seltsam. Miles zufolge müsste ich mich heute vollständig verwandeln, aber es war anders. Ich hatte einen weißen Schweif und weiße Ohren; als hätte ich sie von einem Wolf abgeschnitten, was ich natürlich nicht getan hatte. Aber das war nicht alles. Meine Haare und Augen waren ebenfalls schneeweiß. Überfordert rannte ich zu Miles' Büro.
»Miles, was ist mit mir los?«, fragte ich außer Atem.
»Das ist doch nicht normal!« Ich sah ihn verzweifelt an. Miles jedoch wirkte fasziniert.
»Du bist über Nacht gewachsen, stimmt's?« »Ja, aber das hier ist jetzt wichtiger!«, rief ich panisch und deutete auf mich.
»Bleib erstmal ganz ruhig«, meinte Miles. »Du scheinst besonders zu sein. Was es mit der Farbänderung auf sich hat weiß ich auch nicht, aber keine Sorge, wir werden das schon noch herausfinden.« Er verstummte kurz und musterte mich nochmal.
»Zeig mir mal deine linke Schulter«, sagte er dann. Ich tat wie geheißen, doch als Miles meine Schulter erblickte, schnappte er erschrocken nach Luft.
»Der Wolf fehlt!«
»Was soll das denn jetzt wieder heißen?«, fragte ich nervös. Miles Stimme war wieder ruhig, als er erklärte: »Jeder Werwolf hat auf der linken Schulter eine Art Wolf-Tattoo, doch bei dir fehlt es.« Er zeigte mir sein Wolf-Tattoo.
»Und das heißt was genau?« Musste man ihm denn alles aus der Nase ziehen?! Miles antwortete nicht und musterte mich stattdessen. Ich trug ein rückenfreies Top und Jeans. Plötzlich riss er die Augen auf. »Krempel mal deine Hose hoch und dreh dich um!«, wies er an. Verwirrt gehorchte ich. »Das ist... erstaunlich«, murmelte Miles. »Was ist denn?«, fragte ich genervt. Langsam ging mir Miles' Geheimnistuerei echt auf die Nerven.
»Du hast ein riesiges Wolf-Tattoo über deinen Rücken bis zum linken Fußgelenk«, erklärte er. Bevor ich ihn mit Fragen bombardieren konnte, fügte er schnell hinzu: »Frag gar nicht erst. Ich habe keine Ahnung, was es damit auf sich hat.«
Als würde ich es ihm glaube, schließlich wusste er eigentlich dafür, dass er 'keine Ahnung' hatte viel zu viel.
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Lost In Reality
FantastikClary. Eine etwas aufbrausende, aber doch durchschnittliche Schülerin aus Amerika. Jedenfalls bis zu einem Zwischenfall, der sie in eine Werwölfin verwandelt. Takuya. Ein ebenfalls durchschnittlicher, allerdings eher unauffälliger Schüler aus Jap...