Ciel
Das alles fühlte sich so unwirklich an, als würde ich in einem Albtraum festsitzen. Ich hatte nicht einmal darüber nachgedacht, im Fenster nach meinem Spiegelbild zu sehen, es war einfach passiert. Ich wusste zwar bereits, dass meine Augen nicht mehr dieselben waren, aber sie wirklich zu sehen erschütterte mich bis ins Mark. Der Moment, in dem ich sie erblickte, fühlte sich unendlich lang an. Alles andere, was ich davor gedacht, oder gefühlt hatte, war mit einem Mal aus meinem Gedächtnis gelöscht. Ich war leer. Es existierte nichts mehr, bis auf die Augen, die mich anstarrten und in die ich zurückstarrte.
Verschwunden, waren meine himmelblauen Augen und stattdessen besaß ich diese. Meine Pupillen und Iriden waren nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Beide besaßen die gleiche, dunkelrote Farbe. Aber das ist nicht der wirklich verstörende Teil. Nein, denn es war etwas anderes, dass mir regelrecht einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Es bewegte sich. Ein Wirbeln, wie ein wilder Strudel aus Blut.
Irgendwann hatte ich Vivis Stimme gehört, aber war nicht in der Lage gewesen mich darauf zu konzentrieren. Es war mir alles zu viel gewesen. Mein Kopf hatte komplett ausgesetzt. Als sie mir dann gesagt hatte, ich solle laufen, tat ich das, ohne nachzudenken. Ich lief und lief, ohne zu wissen wohin, oder wie lange. Vivi, dieses gutherzige Mädchen, war mir natürlich den ganzen Weg gefolgt.
Und so waren wir in dieses Schlamassel geraten.
„Ach, das ist sinnlos. Egal wie lange wir auch laufen, wir werden niemals irgendwo ankommen", nörgelte Vivi und setzte sich gegen einen Baum. Ich sah zu ihr herunter und seufzte niedergeschlagen.
„Ja, sieht ganz so aus." Ich setzte mich an den Baum neben ihrem. Wir waren eine ganze Weile gelaufen, aber unsere Umgebung schien sich nie wirklich zu verändern. Das war tatsächlich eine Art magisches Labyrinth. „Tut mir leid, dass ich dich hier mit hereingezogen habe, Vivi."
„Schon gut. Ich wusste, auf was ich mich einließ, als ich den Wald betreten habe."
Die ganze Zeit, war sie viel zu nett zu mir gewesen. Warum störte sie das alles kein Stück? Ihr Zuhause so zu verlassen und mir zu helfen, besonders das Ich mit diesen blutigen, angsteinflößenden, dämonischen Augen.
„Ciel?"
„Ja?"
„Du hast gerade laut gedacht."
Wirklich? Oh Himmel, war das peinlich. Ich fühlte, wie sich mein Gesicht erhitzte und drehte meinen Kopf schnell von ihr weg. Sie lachte amüsiert auf. Jetzt war es schon das zweite Mal, dass sie mich auslachte.
„Hör auf zu kichern", bat ich sie verlegen.
„Tut mir leid, aber das war echt goldig."
„Ich bin ein erwachsener Mann. Ich bin alles andere, als goldig."
Das brachte sie nur noch mehr zum Lachen. „Nein, nicht in meinen Augen."
Ich seufzte. Eigentlich störte es mich ja nicht besonders. Ich mochte es Leute zum Lachen zu bringen. Normalerweise tat ich das allerdings mit Absicht.
„Na gut, zu deinen Gedanken", fing sie an, „ich bin nett zu dir, weil ich dich mag. Und ich habe dir ja schon erzählt, dass unser Zusammentreffen das Aufregendste ist, das mir seit langem passiert ist, oder? Das alles hier stört mich also nicht besonders, weil ich dieses Gefühl noch nicht verlieren möchte."
Ich sah sie verblüfft an. Wie konnte sie das alles so freiheraus sagen? Und warum sah sie mich jetzt so erwartungsvoll an?
„Gut", entschied ich, „jetzt bin ich wohl an der Reihe. Ich kann vielleicht nicht ganz nachvollziehen, warum du bei mir bleibst, aber ich bin wirklich froh darüber. Ich glaube nicht, dass ich das alles allein überstehen könnte. Also, falls wir hier irgendwann herauskommen... Dann schulde ich dir etwas."
DU LIEST GERADE
Der Strom des Lebens I [Gespaltene Welten]
Fantasía"Wie aus dem Nichts, erschien die Magie in unserer Welt. Und mit ihr... kamen SIE." Lorelei ist die stolze Prinzessin des Königreichs Maera, welches gefüllt ist mit traumhaft schönen Landschaften und warmherzigen, liebenden Menschen. Doch der herrs...