8. Kapitel

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Eine sanfte Stimme, die ein Kinderlied sang, weckte Raik auf.

Einen Moment hielt er die Augen geschlossen und lauschte nur dieser Stimme. Es klang so lieblich und er wunderte sich, wer da sang. Dann fiel es ihm wieder ein.

Leya war hier! Und er schlief immer noch. Verflucht, warum passierte ihm das immer, wenn sie in seiner Nähe war? Sonst stand er immer vor den Kindern auf!

Schnell setzte er sich auf und wickelte sich das Fell um den Unterkörper.

Bei allen Göttern, hoffentlich hatte Leya nicht gesehen, dass er nackt schlief.

Verschlafen wischte er sich mit den Händen über das Gesicht.

Die Stoffbahnen um sein Lager waren geschlossen.

Verdammt!

Er hatte sie nicht geschlossen. Das wusste er genau, denn es war noch warm genug, um ohne aus zukommen.

Langsam stand er auf. Auf einem kleinen Tisch neben dem Lager stand eine Waschschüssel, Tücher und Seifenkraut.

Leise stand er auf und wusch sich. Dabei lauschte er Leyas Stimme.

Seltsamerweise hörte er nichts von seinen Kindern. Gut, Bjarne war immer ruhig, aber Merle war um die Zeit eigentlich schon am Brüllen.

Schnell zog er seine Lederhose an und warf sich Seine Tunika über, die auch schon bessere Tage gesehen hatte. Bei allen Göttern, er musste sich eine Neue nähen lassen, wenn er nicht zum Gespött des gesamten Gutes werden wollte.

Leise öffnete er die Bettvorhänge und erstarrte einen Moment.

Leya saß am Tisch und fütterte Merle mit einem Becher. Raik konnte sich noch daran erinnern, dass seine Tochter bei ihm immer geschrien und sich wie ein Aal gewandt hatte. Doch nun trank sie brav die Milch und schaute Leya mit großen Augen an. Bjarne saß zu ihren Füßen und spielte leise mit seinem Kreisel. Ab und zu schaute auch er zu Leya und lächelte.

Mittlerweile sang Leya nun die Lieder des Nordens und Bjarne summte mit, während er seinen Kreisel immer wieder anstieß.

So hätte es sein sollen, als Ingrud noch lebte. Doch seine verstorbene Frau hätte sich nie dazu hinreißen lassen, Bjarne etwas vor zu singen. Stattdessen hatte sie schon bei Sonnenaufgang mit der Arbeit begonnen und Bjarne immer bei sich getragen. Sie war Raik aus dem Weg gegangen. Doch Leya war mit den Kindern hier und es war so ein friedliches Bild.

Das Lied endete abrupt, als Bjarne Raik entdeckte.

„Da! Du bist endlich wach!"

Er stand auf und schlang seine Arme um Raiks Beine.

Leya nahm Merle den Becher weg und Raik sah, dass der Becher seltsam geformt war. Er sah aus wie ein kleiner Krug. So konnte Merle natürlich besser trinken.

„Ich hoffe, wir haben dich nicht geweckt?", fragte sie leise und drückte ihm dann Merle in die Arme.

Raik stand einen Moment verdutzt da und konnte ihr noch hinterher schauen, wie sie ein Essbrett holte und ihm das Frühmahl richtete.

„Ich kann das auch selbst machen!", beschwerte er sich.

Sie lächelte ihn schüchtern an, machte aber weiter.

„Merle ist noch nicht fertig mit dem Frühmahl. Du kannst es fortsetzen!"

Raik setzte sich an den Tisch und strich seinem Sohn über das Haar, bevor er die Tasse nahm und Merle an den Mund führte. Sie trank ohne Widerspruch.

„Seltsam."

Leya stellte ihm schon einen Krug mit Wasser hin und füllte sein Becher.

„Was ist seltsam?"

Raiks Offenbarung -Gunnarsson-Saga Teil 5-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt