Kapitel 30

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Lorelei

„Wir sollten zurück zum Lager gehen. Du hast noch ein leichtes Fieber und brauchst Ruhe", erklärte ich Dorean. Er nickte grübelnd und wir machten uns langsam auf den Rückweg.

„Warte", sagte er kurz bevor wir das Lager erreichten und hielt an, „wirst du's den anderen erzählen?"

„Um ehrlich zu sein, denke ich schon, dass sie es wissen sollten", antwortete ich besonnen und drehte mich zu ihm um, „und ich glaube, dass sie es auch verstehen würden."

Dorean zog wieder an seinen Haaren und sah auf den Boden. Ich verstand, dass das schwer für ihn war, aber wenn er bleiben wollte, musste er sich uns öffnen, wenn auch nur ein kleines Stück. Solche Geheimnisse konnten fatale Folgen haben. Ich habe es oft in Geschichtsbüchern gelesen, über eine Person mit einem schmutzigen Geheimnis, oder einer dunklen Vergangenheit. Wenn jenes Geheimnis nicht von der Person selbst preisgegeben wurde, endete es oft in Mord, meistens sogar durch die Hand eines Freundes, der sich betrogen fühlte. Ich wollte nicht, dass Dorean dorthin gelangt, besonders weil ich wusste, dass er ein guter Kerl war.

„Es ist nicht mein Recht dein Geheimnis preiszugeben, aber je schneller du es tust, umso besser. Und wenn du es tust, kannst du darauf zählen, dass ich voll und ganz hinter dir stehe." Ich beendete den Satz mit einem Stups auf seine Brust.

Seine Augen strahlten förmlich. „Danke... Prinzessin", sagte er lächelnd.

„Nenn mich einfach weiterhin bei meinem Namen", sagte ich kopfschüttelnd. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte sich das falsch angehört. Es war doch eigentlich normal, dass man mich mit meinem Titel ansprach.

Als wir ins Lager kamen, sahen wir, dass nun alle wach waren. „Wir sind zurück", grüßte ich und sofort drehten sie sich allesamt zu uns um.

„Sehr gut", sagte Tressa mit einem Lächeln, „wir waren ziemlich überrascht, als wir aufgewacht sind und ihr nicht da wart. Dorean, wie fühlst du dich?"

„Ganz okay, 'tschuldige, dass ich euch Probleme gemacht hab'."

Wir setzten uns zu den anderen ans Lagerfeuer.

„Was für Probleme denn?" sagte Lucas sofort.

„Das stimmt", meinte Tressa zu meiner Linken, „das Gegenteil ist der Fall. Du hast unsere Prinzessin gerettet. Wir sind dir äußerst dankbar." Sie senkte ihren Kopf, eine verbeugende Geste.

Dorean sah verlegen aus. Er schien nicht recht zu wissen, wie er darauf reagieren sollte. Lucas, der neben ihm saß, warf einen Arm über seine Schultern. „Aw, da kann wohl jemand nicht mit einem Kompliment umgehen", brabbelte er unüberlegt und bekam von Dorean einen Eisesblick zugeworfen. Mark zwickte seinen anderen Arm. „Au! Was denn?" schrie er auf, aber zog seinen Arm dennoch von Doreans Schultern.

„Prinzessin", begann Tressa, „vielleicht wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um diese Prophezeiung zu besprechen?"

„Eine Prophezeiung?" fragte Cait überrascht.

„Ja", antwortete ich mit einem Nicken, „Nura, die Nixe, hat mir eine alte Prophezeiung verraten, die sich wohl erfüllen soll. Anscheinend ist das Allgemeinwissen für magische Wesen", mein Blick huschte kurz zu Dorean, „aber uns wurde sie nie erzählt."

„Und was besagt sie?" fragte Lucas neugierig.

Ich stand auf und holte den Zettel, auf dem ich die Prophezeiung niedergeschrieben hatte. Als ich wieder an meinem Platz saß, fing ich an laut vorzulesen.

„Die Macht der Immerwährenden wird schwinden.

Chaos und Tod könnt ihr nicht mehr entrinnen."

Der Strom des Lebens I [Gespaltene Welten]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt