12. Kapitel

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Der Sturm tobte den ganzen Tag lang. Leya war nur froh, dass sie schon mit dem Nähen begonnen hatte und sich auf die Arbeit konzentrieren konnte. Sie versuchte es wenigstens.

Auch Raik beschäftigte sich mit einer Harke, deren Zinken er ersetzen musste.

Sie wechselten sich ab, um mit den Kindern zu spielen, denn die mochten es gar nicht, so lange in der Hütte eingesperrt zu sein. Nur ab und zu scheuchten sie Köter heraus, der aber nicht sehr lange aushielt und schnell wieder winselnd angerannt kam.

Irgendwann war es für die beiden Zeit zu schlafen und wieder brachten sie gemeinsam die Kinder in ihre Betten.

Als sie wieder unten waren, lauschte Leya nach draußen, doch der Wind blies immer noch heftig gegen die Hütte.

„Es ist sehr ungewöhnlich. Man könnte fast meinen, die Götter zürnen uns.", bemerkte Raik, ohne von seiner Arbeit aufzublicken.

Leya nickte nur und setzte sich in die Nähe des Kamins, um genug Licht zum Nähen zu haben.

„Ich hoffe nur, dass niemand verletzt wurde.", murmelte sie.

Raik blies die Holzspäne vom Tisch.

„Der Sturm kam erst spät am Abend. Alle werden in ihren Hütten und Häusern sein. Mein Vater hat sie stabil gebaut. Nur um die Zäune der Koppel mache ich mir Sorgen. Und um die alte Hütte neben uns."

Leya nickte.

„Sie ist sehr alt, habe ich Recht?"

Raik nickte.

„Ja. Dort wohnte mein Vater mit seinen Brüdern, bevor Tilda kam. Sein Vater hatte sie schon gebaut. Niemand wohnt dort, doch wir lagern die Felle und die Ware, die wir verkaufen wollen. Wenn alles nass wird, können wir es verbrennen."

Leya sah ihn an.

„Es wird nicht passieren. Mach dir keine Sorgen. Du hast das Dach doch selbst kontrolliert."

Er lachte leise.

„Ich mache mir immer Sorgen. Ich werde meinen Vater beerben. Mir wurde schon früh beigebracht, auf solche Sachen zu achten."

Sie setzte einige Stiche, bevor sie antwortete.

„Das ehrt dich. Ich habe schon erlebt, dass sich Söhne arrogant geben und nichts tun, weil sie wissen, dass ihre Väter alles gut vorbereitet haben. Doch du verlässt dich nicht darauf, sondern arbeitest andauernd, dass alles erhalten bleibt."

Raik richtete sich auf einmal gerade auf. Er wirkte erschüttert.

„Was ist?", fragte sie vorsichtig.

Er sah sie ernst an.

„Du hast die Geschichte nicht gehört? Von meiner unrühmlichen Vergangenheit?"

Sie runzelte die Stirn.

„Welche Geschichte?"

Er seufzte leise.

„Du hast gestern zu mir gesagt, ich wäre ein guter Mann. Aber das stimmt nicht ganz."

Nun richtete sie sich auch auf und sah Raik ins Gesicht.

„Wie meinst du das?"

Wieder seufzte er.

„Du weißt, dass meine Frau mich nicht liebte. Doch jedem Gunnarsson wird die große Liebe versprochen. Ich denke, die Götter bestrafen mich, weil ich sie in der Vergangenheit enttäuscht habe."

Leya keuchte leise.

„Du hast sie enttäuscht? Das kann ich mir nicht vorstellen."

Er lachte spöttisch.

Raiks Offenbarung -Gunnarsson-Saga Teil 5-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt