Unser Training wird heute wohl ausfallen Jiran. Du kannst dir denken, warum?"
Maryn wies mit seinen Augen zu den beiden Grünen. Der mit dem Zopf begann nun zu sprechen.
„Wir sind aus der Spezialeinheit des Senats und auf Befehl des Senators von Tartin müssen wir dich mit nach Lithorin nehmen. Am besten brechen wir gleich auf. Wir werden dich nach Hause begleiten, damit du deine Sachen packen kannst und dann gehen wir los. Es ist schließlich ein langer Weg nach Lithorin."
Die beiden Grünen schickten sich bereits an, zu gehen, aber Jiran blieb verwirrt stehen. Er hatte es noch nicht ganz begriffen. Maryn dagegen schon, aber das lag wohl daran, dass man es ihm zuvor schon erklärt hatte. Er sah Jiran nur mit einem schwer zu deutenden Blick an, er wusste auch nicht so recht, ob es gut oder schlecht war, dass die Grünen hier aufgetaucht waren.
Jiran war sich aber noch nicht über die Situation klar. Da kamen so schnell zwei Typen aus der Spezialeinheit des Senats, innerhalb von drei Tagen hatten sie Jiran in Ryonin gefunden und nun wollten sie ihn mit nach Lithorin nehmen? Wie konnten sie nur so schnell nach Ryonin reisen? Es dauerte doch, bis Informationen über ihn nach Lithorin kamen und dann auch noch, bis die Gesandten in Ryonin ankamen. Eine Fünftagereise war es normalerweise zwischen Ryonin und Lithorin, wenn man schnell war. Und warum sollte er jetzt nach Lithorin kommen? Was wollte der Senat noch von ihm? Er hatte doch alles ausgeplaudert, was er erlebt hatte. Und drittens, warum hatte der Senator aus Tartin die beiden Grünen beauftragt und nicht der Senator aus Ryonin?
Trotzdem blieb ihm nichts anderes übrig, als den Grünen Folge zu leisten. Auch Maryn sah ihn streng an, als Jiran immer noch zögerte. Schließlich fasste er neuen Mut und führte die beiden aus der Spezialeinheit zu sich nach Hause.
Beim Packen überlegte er, ob es nicht vielleicht sogar gut war, wenn er nach Lithorin kam, vielleicht war er dann rechtzeitig da, um seinen Bruder zu sehen, wie er vom Turnier zurück kam. Wenn die Grünen sich ins Zeug legten, dann waren sie in fünf Tagen spätestens da und das war genau der Tag, an dem Goan zurückkehren würde. Und was konnte ihm in Lithorin schon passieren? Die wollten ihn vermutlich auch nur wegen seinem Abenteuer befragen. Nur befürchtete Jiran, dass er da nichts Besonderes mehr erzählen konnte. Das wichtigste hatte ja schon der Fürst erfahren und viel mehr konnte Jiran nicht erzählen. Er konnte höchstens noch einige Vermutungen anstellen, die dem Senat aber auch nicht viel mehr nützen würden. Hoffentlich fanden sie dann bald heraus, dass er für sie von keinem großen Nutzen war und dann konnte Jiran zusammen mit seinem Bruder nach Hause zurückkehren.
Viel zum Packen hatte er nicht, denn er wusste ja, dass er bald wieder zurückkommen würde. Er nahm Kleidung mit und seinen Bogen - eigentlich Goans Bogen - aber auch einen Dolch, wenn er einmal in den Nahkampf musste, aber insgesamt hoffte er sowieso, dass es zu keinen Zwischenfällen auf dem Weg nach Lithorin kam. Außerdem natürlich Proviant für fünf Tage und das letzte bisschen Geld steckte er auch noch ein.
Die Grünen konnten es nicht erwarten, bis er fertig war. Sie holten derweil schon ihre Sachen aus den Kasernen und versprachen, dass für Jiran in ihrem Zelt auch noch genug Platz sei.
Als sie dann endlich aufbrachen, war es schon Mittag. Maryn ließ sich nicht mehr blicken und so verließ Jiran Ryonin, ohne dass ihn jemand verabschiedete. Beim letzten Mal war es genauso gewesen, aber das hier war wohl nicht so schlimm, wie die erste Tour außerhalb von Ryonin.
Die Grünen legten zwar einen ganz schönen Schritt hin, aber das war nichts gegen das Tempo der Nachtelfen, das Jiran hatte durchhalten müssen. Dafür hatte er nun Gepäck dabei, das er auch noch schleppen musste. Gesprächig waren die Grünen auch nicht und so war es eine stumme Truppe, die über den breiten Weg nach Lithorin trabte.
Noch immer beschäftigte Jiran die Frage, wie die beiden Grünen nur so schnell hier hergelangt wa-ren. Sie waren nicht besonders schnell und selbst wenn sie es wären? Eine Fünftagereise in weniger als zwei Tagen hinzulegen, das wäre wirklich beachtenswert, aber unlogisch. Wie sollten sie aber sonst so schnell hier her gekommen sein? Und wie immer, wenn etwas seltsam war, dann dachte Jiran an Magie, was wohl daran lag, das er so fasziniert von dem war, was laut manchen Leuten gar nicht existierte. Waren dann alle in der Spez, der Spezialeinheit des Senats, Magier? Aber warum wusste dann niemand davon? Konnte man das wirklich so geheim halten?
Es tat Jiran gut, sich wieder zu bewegen. Die körperliche Anstrengung hatte ihm an den Tagen in Ryonin gefehlt und er war mittlerweile schon gut ausdauernd. Vielleicht sollte er es manchen, die dringend einmal abnehmen wollten, wie zum Beispiel den Senatoren, empfehlen, sich auch einmal von Nachtelfen gefangen nehmen zu lassen? Die ganze Angst, die Sorgen und die körperliche Anstrengungen taten der Fitness gut. Aber man musste es natürlich auch lebend bestehen und dazu brauchte man das bisschen Glück, das Jiran immer wieder gehabt hatte. Ohne die zufällige Begegnung mit Crobby würde er noch immer beim Schmied arbeiten oder wäre die Katze beim Hochklettern nicht ausgerutscht, dann wäre er wohl als Mittagessen geendet.
Er genoss es, durch die Natur zu laufen und die Tiere zu beobachten, die sich in den Städten meist nicht herumtrieben. Auch Vögel trauten sich nur selten in die großen Städte und nur die ganz zutraulichen waren zu finden. Er versuchte auch, den Grünen am Gesicht abzulesen, woran sie dachten. Erfolgreich war er damit aber nicht, denn wenn sie dann bemerkten, wie er sie betrachtete, sahen sie ihn stets grimmig an. Sie hatten also echt keine Lust darauf, sich zu unterhalten. Wenn alle aus Lithorin so waren, freute sich Jiran nicht wirklich darauf, die Stadt zu besuchen.
Unternehmungslust machte sich trotzdem in ihm breit und er fing an, den Trip zu genießen.
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Der Blutschrein [2] - Lithorin
FantasyDer Elfenjunge Jiran ist seinen Verfolgern, den Nachtelfen, mit viel Glück und der Hilfe eines Katzenjägers, der Jiran nicht nur einmal sein Leben gerettet hat, entronnen. Nun kehrt er also zurück in den Alltag, in seine geliebte Elfenstadt Ryonin...