Kapitel XXV - Dasuna

41 6 0
                                    

Die Nacht war hart und unangenehm gewesen und ein klein wenig geregnet hatte es auch. Sie hatten bereits alles abgebaut, während Dasuna noch ihren Rücken gestreckt und versucht hatte, ihre verspannten Muskeln zu lockern. Ohne Erfolg oder zumindest war der Erfolg so gering, dass er es nicht wert war, erwähnt zu werden. Schließlich half auch kein Jammern, denn sie zogen weiter.

Dasuna hatte sich mit einem schüchternen Blick bei der Wache der letzten Nacht bedankt. Er hatte ebenfalls kaum merklich mit dem Kopf genickt. Dasunas Stolz und ihre Sturheit war gewichen, über die Nacht verflogen. Sie hatte immer noch ihr Ziel vor Augen, noch immer hielt sie von den meisten Elfen der Truppe nichts und merkte sie sich für ihre Rache. Nun aber konnte sie den jungen Elfen ausklammern. Sie würde ihm danken, wenn sie sich wieder einmal trafen. Die Decke war hilfreich gewesen, sie wusste, dass sie ohne Feuer ziemlich gefroren hätte. Dann wäre sie vielleicht schlechter drauf, als sie es jetzt war. Sie hatte sich wieder ein wenig für die Welt geöffnet. Sie hatte erkannt, dass sie nicht genügend Kraft hatte, um ihren Stolz und diese Sturheit jeden Tag durchzuziehen.

Sie hatte jetzt das Gefühl, jemanden in ihrer Nähe zu haben, der ein wenig Mitleid zeigte und das auch nicht übertrieben, sondern ganz normal. Der Soldat hatte es sogar geschafft, sich durchzusetzen und nun lief er hinter Dasuna und nicht die unmögliche Elfe. Die schloss sich der Vorhut an und stichelte nicht nur Dasuna, wie Dasuna bemerkte. Sie war wohl in der ganzen Gruppe nicht beliebt, weil sie fast jeden niedermachte. Nur den Anführer ließ sie mit ihren Gemeinheiten in Ruhe. Es war eine streitsüchtige Gruppe, die Dasuna da erwischt hatte, hatte sie den Eindruck. Teamgeist war hier wohl den meisten ein Fremdwort. Sie war froh, wenn sie Lithorin erreicht hatten.

Der Tag war kühl und Wolken beherrschten den Himmel. Die Sonne spitzelte nur gelegentlich hervor, wie wenn sie sich nicht so recht trauen würde. Gestern war es schwierig gewesen, alleine schon den Weg vor den eigenen Füßen zu erkennen, wegen der Dunkelheit. Heute war das schon besser, sie musste sich nicht so sehr auf den Weg konzentrieren und betrachtete den Wald. Das wohl langweiligste am heiligen Wald, war dass er ständig nur gleich aussah. Er hatte grüne Seiten, er hatte grüne Seiten und noch einmal grüne Seiten. Vielleicht schlängelte sich einer der vielen blauen Flüsse durch die Bäume, aber das war auch schon alles. Vielmehr war der heilige Wald nicht. Blieb man außerdem im Osten, bewegte man sich außerdem noch immer auf derselben Höhen. Im Westen dagegen waren wenigstens die Ausläufer des Fremdgebirges zu finden.

Die Elfen waren ein altes Volk und sie lebten immer gleich. Es veränderte sich nur wenig im heiligen Wald und wenn, dann benötigte sie lange Zeit, die Veränderung. Wahrscheinlich waren die Elfen das wohl langweiligste Volk in ganz Elyrea. Andererseits waren sie das älteste und stärkste noch dazu. Das wollte schon etwas heißen und das stach die ewige gleiche Lebensweise aus. Dasuna aber war fest entschlossen, einer der wenigen zu sein, die etwas veränderten. Uns das wollte sie als Nachtelfe tun. Sie würde alles versuchen, den Blutschrein zu erobern. Sie würde noch lange leben, wenn sie vorher nicht schon unter die Räder kam, und sie würde dem Senat auch dementsprechend große Schwierigkeiten bereiten.

Am zweiten Tag ihrer Reise kamen sie weit, aber nicht so weit, dass Lithorin schon greifbar gewesen wäre. Der Weg führte überwiegend am Lauf der Secunda entlang, weil diese fast so gerade wie eine Schnur von Süden herauf nach Tartin floss. Trotzdem war sie nicht immer im Blickfeld. Mal konnte Dasuna sie durch den sonst dichten Wald sehen und manchmal hörte und sah man stundenlang nichts von ihr. Wenn sie an Flecken kamen, wo man guten Blick auf den großen Fluss hatte, konnte sie am anderen Ufer schemenhaft immer wieder Rehe, oder vielleicht waren es auch Uora, ausmachen. Auch sah sie einmal eine stolze Wildkatze, die am Ufer entlang stolzierte und Dasuna, so schien es, misstrauisch beobachtete. Dann aber ließ sie sich doch dazu hinab und trank schlabbernd aus dem Fluss. Das waren aber nur die Stellen, an denen die Secunda eng wurde. An manchen anderen Stellen konnte Dasuna das andere Ufer nur noch erahnen.

Der Blutschrein [2] - LithorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt