Der Western Interior Seaway

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- ARTIKEL DER WOCHE –

Der Western Interior Seaway

Während der mittleren und späten Kreidezeit lag bedingt durch den hohen Meeresspiegel ein großer Teil des nordamerikanischen Kontinents unter Wasser. Ein Binnenmeer, der sogenannte Western Interior Seaway, teilte Nordamerika in eine Ost- und eine Westhälfte. Den Ostteil nennen Fachleute Appalachia, der Westteil, auf dem unsere Geschichte spielt, wird Laramidia genannt.

Der Western Interior Seaway (WIS) entstand, als zwei Kontinentalplatten miteinander zusammenstießen: die prähistorische Farallon-Platte (die heute mit der Pazifischen Platte verschmolzen ist) schob sich dabei unter die nordamerikanische Platte. Hierdurch bildete sich die Laramidische Gebirgskette (heutige Rocky Mountains), während sich weiter östlich davon eine weite Tiefebene öffnete. Diese wurde durch Meerwasser geflutet, das vom Arktischen Ozean im Norden und vom Tethysmeer im Süden einströmte, sodass dort ein großes Flachmeer entstand und Laramidia von Appalachia teilte.

Während der gesamten Kreidezeit schwankte der Meeresspiegel mitunter stark, sodass sich dieses Meer mehrfach ausbreitete und wieder zurückzog. Vor etwa 100.000.000 Jahren erreichte der WIS seine größte Ausdehnung. Damals war er an der breitesten Stelle mehr als 1000km breit bis zu 900m tief – was im Vergleich zu anderen Meeren damals gering war.

Der WIS ist wahrscheinlich einer der Hauptfaktoren für die Entwicklung der Nordamerikanischen Dinosaurierfauna in der späten Kreidezeit

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Der WIS ist wahrscheinlich einer der Hauptfaktoren für die Entwicklung der Nordamerikanischen Dinosaurierfauna in der späten Kreidezeit. Durch den schwankenden Meeresspiegel wurden immer wieder einzelne Gegenden des Kontinentes vom Rest der Welt isoliert, sodass sich die dortigen Tiere anpassten und eine hohe Artenvielfalt entwickelten, besonders in Laramidia. Dort waren es vor allem die hornbewehrten Ceratopsier und die Hadrosaurier mit ihrem Entenschnabel, die dutzende verschiedene Formen hervorbrachten.

Doch auch der WIS selbst war Lebensraum unzähliger verschiedener Tierarten. Das lichtdurchflutete Meer war Heimat zahlreicher Fischarten, die von Seevögeln und Meeresreptilien gejagt wurden. Große Plesiosaurier und Mosasaurier durchstreiften auch noch bis zum Ende der Kreidezeit die Binnenmeere Nordamerikas, Ammoniten schwebten schwerelos im Wasser und fingen mit ihren Tentakeln kleinere Fische, gewaltige Meeresschildkröten wanderten majestätisch durch die Fluten, während riesige Pterosaurier (Flugsaurier) den Himmel darüber beherrschten.

Während des Maastrichtiums hatte sich der WIS jedoch stark zurückgezogen und war durch feinkörnige Sandstein- und Schiefer-Sedimente, die besonders aus den großen Flüssen Laramidias eingeschwemmt wurden, in seiner Mitte bereits verlandet

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Während des Maastrichtiums hatte sich der WIS jedoch stark zurückgezogen und war durch feinkörnige Sandstein- und Schiefer-Sedimente, die besonders aus den großen Flüssen Laramidias eingeschwemmt wurden, in seiner Mitte bereits verlandet. Lediglich drei einzelne Arme des WIS waren noch vorhanden: Der Pierre-Seeweg streckte sich vom Thetysmeer als längster Meerarm weit ins Landesinnere, während der Hudson-Seeweg in den Nordosten strömte und der Bearpaw-Seeweg den Nordwesten maritim prägte. Laramidia und Appalachia waren nun also wieder miteinander verbunden, und auch die isolierten Lebensräume waren wieder für alle Dinosaurier zugänglich.

Durch die fehlende geographische Isolation war die Artenvielfalt der Ceratopsier und Hadrosaurier in den letzten fünf Millionen Jahren schon stark zurückgegangen. Da die Arten nun in direkter Konkurrenz mit ihren Verwandten standen, verdrängten sie sich gegenseitig, vielleicht kam es auch zu Hybridisierungen (Mischlingsformen) einzelner Arten. In der Hell Creek Formation sind aus der Zeit vor 66.000.000 Jahren nur noch jeweils eine Horn- und eine Entenschnabeldinosaurierart nachgewiesen: Edmontosaurus und Triceratops.

Dieser Rückgang der Artenvielfalt wird von manchen Wissenschaftlern noch heute als Zeichen für den bevorstehenden Untergang der Dinosaurier gedeutet – da die verbliebenen Arten jedoch zu jeder Zeit ausgesprochen gut gediehen und sie sowohl die größten, häufigsten als auch spezialisiertesten Vertreter ihrer Familien darstellten, darf dies bezweifelt werden: Den Dinosauriern ging es bis zu ihrem plötzlichen Aussterben am Ende der Kreidezeit noch fantastisch, sie waren bloß durch ökologische Prozesse zu einer geringeren Artenvielfalt zusammengeschmolzen.

Nach wie vor waren die Meeresarme aber immer noch der für das Klima entscheidende Faktor. Im Pierre-Seeweg, der zentral durch die Hell Creek Formation verlief, strömte das Wasser von Nord nach Süd, sodass entlang der Küste Laramidias ein subtropisches bis tropisches Klima mit häufigen Niederschlägen vorherrschte (wir berichteten). Während der jahreszeitlichen Wechsel kam es dort häufig auch zu schweren Tropenstürmen, die ihre Energie wie ein Hurrikan aus dem Meer zogen.

Der WIS verschwand kurz nach dem Aussterben der Dinosaurier während des frühen Paläozäns, als er vollständig von Sedimenten aufgefüllt wurde.

Trivia:

Die Küste des Pierre-Seaways ist ein wichtiger Handlungsort im zweiten Band von „Die weißen Steine", der im kommenden Jahr erscheint. Auch die Tiere, die den Figuren dort über den Weg laufen bzw. schwimmen werden, werdet ihr demnächst im „Artikel der Woche" kennenlernen.

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Neue Alte Welt - Die Weißen Steine, Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt