15. Kapitel

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Die meisten Männer saßen schon auf ihren Pferden und verabschiedeten sich von ihren Frauen. Auch Raik war schon aufgesessen. Bjarne saß auf ihm vor dem Pferd. Wie jedes Mal sah er seinen Vater traurig an.

„Warum musst du gehen, Da? Kann ich nicht mit?"

Raik schüttelte den Kopf.

„Du kannst nicht mit, Sohn. Du hast dem Jarl noch nicht deinen Treueschwur geleistet und deswegen brauchst du ihn auch noch nicht erneuern."

Bjarne verzog sein Gesicht, doch Raik hob einen Finger.

„Nein, Bjarne. Auch Lönne geht nicht mit. Du musst noch älter werden, um dem Jarl Treue zu schwören." Er beugte sich nahe an Bjarnes Ohr. „Außerdem musst du auf unsere Frauen aufpassen."

Bjarne sah ihn mit großen Augen an.

„Welche Frauen?"

Raik lachte laut auf.

„Auf deine Schwester und deine..."

Bjarne nickte heftig.

„Ja, auf Merle und auf Mama!" Er senkte leicht den Kopf. „Meinst du, ich darf Leya auch Mama nennen?"

Raik runzelte die Stirn.

„Frag sie doch?"

Bjarne senkte den Kopf.

„Und wenn sie nein sagt?"

Raik sah zu Leya, die sie beide anlächelte. Sie trug Merle in den Armen, die herumzappelte, weil sie unbedingt zu den Pferden wollte. Doch Leya hielt sie fest und sprach leise auf sie ein.

Raik unterdrückte ein Seufzen. Es war schon fünf Tage her, seit er sie im Heu genommen hatte. Seitdem hatte er sich zurückgehalten. Er wusste, dass er ihr Zeit lassen musste.

Aber ihre Annahme, dass es nur Verlangen von seiner Seite war, tat er als völlig lächerlich ab. Oh nein! Er hatte schon geahnt, dass er mehr wollte. Nicht von einer anderen Frau. Ihm war das passiert, was er nicht für möglich gehalten hätte.

Er wollte nur eine Frau.

Leya!

Dass er ihr Zeit ließ, hieß aber nicht, dass er sie oft berührte. Natürlich nicht auf die anzügliche Art. Er berührte wie zufällig ihre Hand. Oder umfasste ihre Hüfte, um sie zur Seite zu schieben. Dass dabei seine Hände etwas länger auf der Hüfte blieben, war ihm durchaus bewusst. Dabei beobachtete er sie. Und was er sah, gefiel ihm. Es war ihr nämlich keineswegs unangenehm. Ganz im Gegenteil. Sie errötete und lächelte ihn dann an. 

Bjarne tippte ihn leicht an.

„Da? Warum antwortest du mir nicht?"

Raik lachte leise.

„Ach, Sohn. Das verstehst du auch erst, wenn du älter bist."

Er hatte tatsächlich die ganze Zeit Leya angestarrt. Wie ein liebeskranker Bursche fühlte er sich.

Er lächelte leicht.

Es fühlte sich gut an.

Wieder beugte er sich zu Bjarne.

„Ich denke, Leya wird sich freuen, wenn du sie Mama nennst."

Bjarne sah ihn ernst an.

„Aber was sagst du dann?"

Raik verstand nicht ganz.

„Ich?"

„Ja. Wirst du nicht wütend? Wegen Mutter!"

Raiks Offenbarung -Gunnarsson-Saga Teil 5-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt