Kapitel 1️⃣6️⃣

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PoV Lou

Nach dem Essen hatte ich Nuno gepackt und war weggelaufen. Wieso mussten sich nur immer alle streiten?
Jetzt saß ich an einen Baum gelehnt mit Nuno auf dem Schoß und dachte über den heutigen Tag nach. Ich konnte immer noch nicht verstehen, wer dieser Draco war und warum sich alle seitdem er hier war, so feindselig gegenüber den anderen verhielten. »Was ist hier nur los?«, fragte ich Nuno, doch sie warf mir nur einen verständnislosen Blick zu. »Miu?«, machte sie anschließend »Uns werden sie sowieso nicht vermissen«, seufzte ich. »Wir werden ja eh nicht bemerkt.« Tröstend schmiegte Nuno sich an meine Brust und schnurrte laut.

Meine Augen schlossen sich dabei irgendwann von alleine. Ich hatte mir lange nicht mehr die Zeit genommen, alles zu überdenken, oder überhaupt etwas zu überdenken. Mir fiel auf, wie wenig ich den anderen eigentlich über mich erzählt hatte.
Nyra... Ich wusste nicht, warum mir meine Mutter gerade jetzt in den Sinn kam. Ich hatte keinen Gedanken mehr an sie verschwendet, seitdem sie sich mir gezeigt hatte, wofür ich mich schon ein wenig schuldig fühlte. Mich überkam plötzlich diese Entschlossenheit, tätig zu werden. Ich wollte mehr über meine Vergangenheit, die Ursache meines Zustandes herausfinden. Nur wie?
Ich erhob mich und ein protestierendes Maunzen ertönte; ich hatte Nuno ganz vergessen, die auf meinem Schoß gesessen hatte und nun runtergefallen war. »Tut mir Leid«, murmelte ich. Nuno schien mir aber nicht lange böse sein zu können, denn sie kletterte den Baum, an dem ich gelehnt hatte, ein Stück hinauf und ließ sich dann auf meiner linken Schulter nieder. Ich lächelte und streichelte ihr kurz über den Kopf. Dann machte ich mich auf den Weg; allerdings nicht zurück zum Lager. Ich lief noch weiter in den Wald hinein. Darüber, dass ich möglicherweise den Rückweg nicht finden könnte, machte ich mir keine Gedanken.

»Lou.« Ich blieb stehen. »Wer ist da?«, fragte ich und hoffte, dass das leichte Zittern in meiner Stimme, nicht zu hören war. Ich sah mich um, konnte aber niemanden entdecken. Dass die Person meinen Namen kannte, erstaunte mich mittlerweile nicht mehr. Ich hoffte insgeheim, dass die Stimme Nyra gehört, obwohl dies eigentlich ausgeschlossen war; die Stimme war viel zu tief.
Ich erhielt keine Antwort, aber dafür spürte ich einen kalten Luftzug, der mich umhüllte. Nuno war vor Schreck von meiner Schulter gesprungen und weggelaufen; ich konnte mich allerdings nicht bewegen. Was passiert hier? Ich schloss meine Augen. Ich wusste selber nicht warum, es war ein Instinkt. Innerlich hoffte ich, dass dies ein Traum oder so war und ich gleich verschwitzt in meinem Schlafplatz im Lager aufwachen würde.

»Mjau!« Ein Luftzug kitzelte mein Ohr. Dann spürte ich, wie mein Ohr von etwas rauem und feuchten abgeschleckt wurde. »Lass das, Nuno!« Ich setzte mich kichernd auf und öffnete meine Augen. Die kleine Katze sprang aufgeregt um mich herum. Ich war immer noch dort, wo ich von dieser Stimme angesprochen worden war. Ich rieb mir die Augen. »Was ist passiert?« Das Letzte, an das ich mich erinnern konnte, war Kälte, die mich umgeben hatte. Doch jetzt war mir wohlig warm. »Wie lange ich wohl ohnmächtig war?« Ich hoffte, nicht allzu lange; ich wollte nicht, dass die anderen sich Sorgen machten. »Lass uns lieber schnell zurückkehren«, sagte ich an Nuno gewandt. Sie reagierte sofort, indem sie losrannte. Ich folgte ihr problemlos durch das Gestrüpp.

Lost In RealityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt