6: nach Hause

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,,So geht es mir manchmal auch", grinst Julia. In ihrem Büro schweigen wir uns eine Weile an. Schließlich notiert Julia sich einiges und kreuzt auf einem Zettel was an. ,,So, ich wäre jetzt soweit fertig. Du kannst deine Sachen vollends ...", meint sie. ,,Meine Sachen sind schon gepackt", unterbreche ich sie mitten im Satz. ,,Okay, dann warst du schneller, als ich dachte. Wollen wir vielleicht mal besprechen, wie es jetzt weitergehen soll?", fragt sie. ,,Können wir. Was hast du dir denn vorgestellt?", frage ich, gespannt auf ihre Antwort. Anscheinend habe ich sie damit komplett überrumpelt, da Julia zuerst keine Worte findet. Dann fängt sie sich jedoch wieder. ,,Dass du einfach mit uns redest. Und vorerst gehst du nicht zur Schule. Du könntest ein langes Praktikum bei uns auf der Wache und bei Cem machen und dann auf eine andere Schule gehen. Wie hört sich das an?", schlägt Julia vor. ,,Sehr gut. Ich bin dafür", sage ich begeistert und grinse sie breit an. ,,Super. Dann gehst du jetzt am besten in dein Zimmer und wartest auf Claudia. Sie müsste in ein paar Minuten hier sein", lacht sie und wendet sich ein paar Akten zu.

Ich verlasse ihr Büro und gehe wieder in mein Zimmer. Noch ist es mein Zimmer. In ein paar Minuten bin ich weg. Aber wenn ich ehrlich bin, ist es hier nicht so schlimm, wie ich eigentlich vorher angenommen habe. Als ich (noch) mein Zimmer betrete, sitzt Claudia zusammen mit Yule an dem kleinen Tisch und unterhält sich mit ihr. ,,Hey, da bist du ja", sagt Claudia, als sie mich sieht. Beide sind in Dienstkleidung und komplett ausgerüstet mit Handschellen, Waffen etc. da. ,,Bist du soweit?", fragt Yule grinsend. ,,Ja, ich bin soweit", murmele ich und schnappe mir meine Reisetasche.

Dann marschieren wir aus dem Gebäude und steigen in den Streifenwagen ein. ,,Und, war es so schlimm hier?", fragt Claudia. ,,Ne, eigentlich nicht", seufze ich. ,,Also hätten wir nicht dableiben müssen?", meint Yule grinsend. ,,Ne, ich glaube nicht", murmele ich und schaue abwesend aus dem Fenster. Wir brausen durch die überfüllten Straßen und halten gute 30 Minuten später vor der Wache. ,,Wir bringen dich später nach Hause", meint Claudia und ich nicke nur. Passt mir eh ganz gut, da ich mit Klaus, dem DGL (Dienstgruppenleiter) noch etwas zu besprechen habe und sonst extra nochmal kommen müsste. Ich folge den beiden in den Aufenthaltsraum und finde Stephan, Paul, Peggy und Lara vor. ,,Hallo Leute, wir sind wieder da. War irgendwas?", fragt Yule. ,,Ne, tote Hose. Hallo Lisa", sagt Paul. Lara springt auf und nimmt mich in den Arm. Ich kenne sie allerdings kaum. Egal, es ist trotzdem schön. ,,Setz dich zu uns", sagt Paul einladend und zieht einen Stuhl neben sich heraus. Ich lasse mich darauf fallen und warte, was sie als nächstes tun oder sagen. Da niemand etwas sagt, gehe ich mal auf Toilette.

Auf dem Rückweg treffe ich Klaus. ,,Hey, schön dich zu sehen", sagt er und lächelt mir freundlich zu. ,,Hallo, Klaus. Kann ich mich mal kurz mit dir unterhalten?", frage ich. ,,Klar, am besten gehen wir in mein Büro", meint er und hält mir eine Tür auf. Ich trete ein und setze mich. ,,Dann fang mal an", sagt Klaus und schaut mich erwartungsvoll an. ,,Ich würde gerne für mehrere Wochen ein Praktikum machen. Schule ist dieses Schuljahr eh nicht mehr drin und ich möchte mich irgendwie sinnvoll beschäftigen und nicht tatenlos herumsitzen", platzt es aus mir heraus. ,,Die Idee finde ich super und wir haben eh Unterbesetzung. Ich habe schon gehört, dass du Selbstverteidigung und Kampfsport drauf hast. Von meiner Seite aus kannst du sofort anfangen", stimmt er zu. Ich bin wahnsinnig erleichtert, dass er so freundlich ist und mir den Platz sofort anbietet. Also muss ich nur noch mit Paula und Julia abklären, wann ich anfangen darf. Ich bedanke mich bei Klaus und verlasse das Büro. Im Aufenthaltsraum sind nur noch Peggy, Lara, Claudia und Yule. Die anderen sind wohl ausgeflogen. „Wo warst du denn so lange?", fragt Claudia. „Ich habe Klaus im Flur getroffen und mich ein bisschen mit ihm unterhalten", antworte ich mit unschuldsmiene. „Aha", meint Lara und grinst. Ich hole mein Tagebuch aus der Handtasche, als allewege sind und schreibe hinein:

Liebes Tagebuch,
endlich bin ich draußen. Gestern hatte ich eine Menge Zeit zum Nachdenken: Was wäre denn, wenn ich mich umbringen würde?
Diesen Gedanken habe ich mir aber ganz schnell wieder aus dem Kopf geschlagen, denn sonst lande ich dort, wo ich gerade herkomme. Allerdings bin ich dann nicht nach 24 Stunden wieder draußen.
Und ich kann es Paula und Julia und allen anderen (besonders Cem) nicht antun.

Seit dieser grässlichen Entführung ist mein Leben im Eimer und ich muss mich zusammenreißen, dass es nicht zu sehr auffällt. Sollte ich vielleicht mal mit Julia reden?

Lisa

Ich klappe mein Tagebuch gerade zu, als Lara und Peggy hereinkommen. „Hast du Geheimnisse?", fragt Lara überrascht. „Vielleicht einen Freund?", hakt Peggy nach. „Und wenn schon. Einen Freund habe ich nicht", antworte ich. „Hättest du denn gerne einen?", fragt Lara. „Um ehrlich zu sein: nein. Mich nerven die Jungs in meinem Alter einfach mega", sage ich wahrheitsgemäß. Sie lachen. „Dachten wir in deinem Alter auch", prustet Peggy. Ich lache mit ihnen. „Was ist denn hier los?", fragen Paul und Stephan, als sie hereinkommen. „Wir haben und über nervige Männer unterhalten", informiert Lara ihre Kollegen. „Soso", meint Paul und setzt sich zu uns. „Gehören wir da auch dazu?", erkundigt er sich. „Eher nicht", sage ich. „Na Gott sei Dank", meint er und grinst. „Wann kann ich nach Hause?", frage ich. „Wenn wir mit dem Dienst ...", sagt Lara und schaut auf die Uhr. „Schichtende", sagt Peggy und springt auf. „Ich nehme dich mit", sagt Paul. Ich nehme meine Reisetasche und folge ihm nach draußen. Wir fahren zur WG und ich werde stürmisch begrüßt. „Freut mich auch, euch zu sehen", sage ich lachend und bringe meine Tasche in mein Zimmer. Es hat sich absolut nichts verändert. Als ich nach unten komme, ist das Essen fertig und wir essen gemeinsam. Cem strahlt die ganze Zeit, wobei ich nicht weiß, ob es am Fieber oder an mir liegt. ,,Geht es dir gut, Cem? Du ...", frage ich. ,,Mir geht es bestens. Ich habe dich so schrecklich vermisst", sagt er und umarmt mich. ,,Ich habe dich auch vermisst, aber ich ersticke gleich und dann hast du nichts mehr von mir", ächze ich und versuche, mich aus seinen Armen zu befreien. Augenblicklich lässt Cem mich los.

Died in your Arms 2 (Fortsetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt