10. Türchen

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"Lasst uns zusammen Schlitten fahren gehen", sagte Elsa aus heiterem Himmel.

Mia, Elsa und ich lagen entspannt bei Elsa auf dem Sofa und aßen Kekse. Eigentlich wollten wir lernen, doch das war irgendwie zur Nebensache geworden. Und das, obwohl wir am Montag in unseren Leistungskursen Klausuren schrieben.

"Jetzt?", fragte Mia. Sie hatte ihre Beine über meine gelegt und sah nicht so aus, als würde sie in nächster Zeit aufstehen wollen.

"Wieso nicht?", erwiderte Elsa, entknotete ihre Beine und schlug das Englischbuch zu. Sie rutschte an den Rand ihres Sessels und strahlte uns an.

"Es ist doch gerade so bequem. Außerdem haben wir mitten in der Woche", maulte Mia und biss demonstrativ in einen Keks.

Elsa verdrehte die Augen. "Okay, ich mach's euch attraktiver. Jeder von uns nimmt einen Typen mit."

"Ich hab keinen", erwiderte Mia bloß desinteressiert. Sie betrachtete die Kekse, die noch auf dem Teller auf dem Tisch lagen, dann nahm sie sich mit einem Schulterzucken einen mit Schokoladenglasur.

"Oh doch", sagte Elsa grinsend.

"Oh nein, vergiss es!", protestierte Mia sofort und hob abwehrend ihre Hände.

Ich verstand gar nichts mehr. Was hatte ich jetzt schon wieder verpasst? "Über was reden wir?", fragte ich und trank einen Schluck meiner heißen Schokolade.

"Nicht über was, sondern über wen", korrigierte Elsa immer noch grinsend. "Mia hat da so jemanden kennengelernt. Soll ich Hanna von ihm erzählen oder willst du das tun?"

Mia schüttelte den Kopf und vergrub ihn in ihren Händen. Wenn ich mich nicht täuschte, lief sie sogar rot an. Das war wirklich ungewöhnlich für Mia.

"Sie hat mir vor ein paar Tagen von Luca erzählt", fing Elsa an. "Er ist in der Stufe über uns und er kann ja so toll Cello spielen."

"Elsa, du bist eine tote Frau", murmelte Mia, die nach wie vor den Kopf in ihren Händen versteckte.

"Jedenfalls fand sie ihn schon immer toll, doch seitdem sie im Orchester ist, hat es so richtig angefangen", erzählte Elsa.

"Moment", unterbrach ich sie. "Wieso hattest du dann ein Date mit Blondie?"

"Ich dachte, dass ich dann nicht ständig an Luca denken würde", nuschelte Mia. Mittlerweile waren sogar schon ihre Ohren rot angelaufen.

"Wie gesagt, eigentlich stand sie schon immer auf ihn", fuhr Elsa fort. "Und bei der letzten Probe haben sie sich sogar unterhalten und er hat Mia seine Nummer gegeben. So sprachlos habe ich sie noch nie gesehen."

Ich grinste und pikste Mia in die Seite. "Hast du ihm geschrieben?"

Mia hob den Kopf. Ihre Gesichtsfarbe hätte mit einer Tomate konkurrieren können und hätte wahrscheinlich sogar gewonnen. "Natürlich."

"Dann los. Lad ihn ein", drängte ich.

"Nur, wenn du Tom einlädst", erwiderte Mia grinsend.

"Klar", antwortete ich schulterzuckend, weil ich wusste, dass es Mia überraschen würde.

"Oh", murmelte sie und tippte auf ihrem Handy herum.

Etwas mehr als eine Stunde später standen wir mit drei Schlitten auf einem großen Hügel irgendwo in der Pampa. Tom sah in seiner Skihose und seiner Winterjacke unglaublich gut aus.

Ich kam mir daneben wie Gollum vor. Noch schlimmer wurde es, als ich Elsa sah. Ich seufzte. Tom sah mich von der Seite fragend an, doch ich winkte nur ab.

"Wer als Erstes unten ist!", rief Mia.

Wir verteilten uns auf die drei Schlitten. Ich saß vorne und hinter mir saß Tom.

"Ich muss dich festhalten", flüsterte er in mein Ohr. Ich nickte leicht, und er schlang seine Arme um meine Taille.

"Auf drei", sagte Mia. Sie saß vor Luca und war wieder knallrot. "Eins, zwei, drei!"

Tom stieß uns ab und wir sausten den Hügel hinunter. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und ich fing an zu lachen. Luca und Mia lagen in Führung, doch Tom lenkte uns zielsicher zwischen den einzelnen Bäumen hindurch. Jan und Elsa waren weit hinter uns geblieben.

"Uns kriegt ihr nie!", rief Mia uns ausgelassen zu. Luca lächelte sie an, und ich musste zugeben, dass Mia sich einen ziemlich attraktiven Typen geangelt hatte. Er hatte braune Haare und schöne, blaue Augen. Sein Kinn war markant und seine Lippen voll.

Tom machte ein Manöver und riss damit meinen Blick von Luca ab. "Da war ein Hügel", erklärte Tom, als ich ihn kurz ansah.

Wir schafften es nicht mehr, Mia und Luca einzuholen, aber immerhin waren wir nicht so langsam wie Elsa und Jan gewesen.

"Was haltet ihr von einer Revanche?", fragte Tom.

"Viel. Auch mit anderen Teams?", fragte Luca und grinste in die Runde.

Auf einmal schlang Tom seine Arme um mich. "Nein, mit denselben", sagte er. Seine Stimme klang sehr ernst.  Irritiert sah ich zu ihm hoch, doch er erwiderte meinen Blick nicht.

"Dann auf geht's!", sagte Elsa und lenkte damit geschickt von Tom ab. Dieser ergriff mit einer Hand meine Hand und mit der anderen den Schlitten. Mia zeigte mir hinter Toms und Lucas Rücken zwei Daumen. Ich lächelte sie an.

Die zweite Runde gewannen Tom und ich. Nachdem wir anschließend noch einen Schneemannbauwettbewerb gemacht hatten, waren wir alle so durchgefroren, dass wir beschlossen, noch einen Kakao trinken zu gehen.

Tom hatte Luca, Mia und mich auf dem Hinweg mitgenommen, doch diesmal fuhren sie bei Elsa und Jan mit. Mir war das ganz recht, denn ich wollte noch mit Tom reden. Er startete den Motor und rollte vom Parkplatz. Ich wartete noch ab, bis wir auf einer geraden Straße fuhren, bevor ich das Gespräch anfing.

Doch ich hatte gerade erst meinen Mund geöffnet, als Tom mir zuvorkam. "Du möchtest wissen, warum ich die Teams nicht tauschen wollte, oder?"

Sein Blick war auf die Straße gerichtet und er sah nicht zu mir herüber. Seine Stirn war gerunzelt und seine Augenbrauen zusammengezogen. "Ja", sagte ich.

"Ich wollte nicht, dass...Ach verdammt!", fluchte Tom und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, sodass diese nach kurzer Zeit in alle Richtungen abstanden. Ich wartete einfach ab und betrachtete die vorbeiziehende Landschaft.

"Ich wollte nur nicht, dass dieser Luca oder Jan mit dir fahren", erklärte er leise.

"Und wieso?", fragte ich und sah ihn an.

Er schüttelte den Kopf. "Das kann ich nicht erklären."

Den Rest der Fahrt schwiegen wir, und erst als wir an einem Cafe ankamen, benahmen wir uns wieder normal. Was war mit Tom los? War er etwa eifersüchtig? Dabei bestand doch dazu überhaupt kein Grund.

Wir Mädchen gingen auf die Toilette, um uns frisch zu machen, während die Jungs schon Platz nahmen.

"Tom ist ziemlich eifersüchtig und besitzergeifend, was?", meinte Elsa grinsend, als wir unsere Haare richteten. Die Skihosen hatten wir bereits im Auto ausgezogen. Ebenso wie die Skijacken.

"Wie kommst du darauf?", fragte ich und tat so, als wüsste ich nicht, wovon sie redete.

Sie verdrehte die Augen. "Das weißt du ganz genau."

Ich seufzte und betrachtete mich im Spiegel. Ich trug eine schwarze Leggings und einen grauen Pulli. Ich verstand nicht, was Tom an mir fand.

"Du siehst toll aus", meinte Mia und lächelte mich an. "Und jetzt komm, ich habe Hunger auf eine Waffel."

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