11. Türchen

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Als wir von der Toilette zurückkamen, warteten auf uns schon Kakao und Waffeln. Tom hatte mir eine mit Sahne bestellt. Zum Glück keine Kirschen.

"Danke", sagte ich und lächelte ihn an, als ich neben ihm Platz nahm.

"Kein Problem", antwortete Tom.

Eine Weile herrschte eine gefräßige Stille, in der jeder die unglaublich guten Waffeln genoss. Jan und Elsa turtelten, was das Zeug hielt, während Mia und Luca peinlich berührt versuchten, sich nicht gegenseitig zu berühren. Ich wusste nicht, wie Tom und ich aussahen, aber ich hoffte, dass wir nicht so unbeholfen wirkten.

"Also, wie lange seid ihr zwei schon zusammen?", fragte Luca schließlich und sah Tom und mich an.

"Wir", begann ich, doch meine Stimme war viel zu hoch, weshalb ich mich räuspern musste.

"Wir sind noch nicht zusammen", antwortete Tom für mich und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Er hatte "Noch nicht" gesagt. Er hatte "Noch nicht" gesagt. Ich wurde rot und nahm einen Schluck Kakao, um meine Nerven zu beruhigen.

"Oh, sorry, ich wollte nicht-" stotterte Luca, doch Mia half ihm aus der Patsche.

"Ist nicht so schlimm. Aber Jan und Elsa sind schon was länger zusammen", sagte sie und zum Ende hin wurde ihre Stimme immer lauter, denn die beiden schienen ihr nicht wirklich zuzuhören.

Elsa sah erschrocken auf. "Was?"

Alle fingen an zu lachen, während Jan und Elsa uns nur irritiert ansahen. Es dauerte eine Weile, bis wir uns beruhigt hatten. Ich war unglaublich erleichtert, dass wir uns alle so gut verstanden und Toms Eifersucht und Feindseligkeit nicht mehr zum Vorschein kam. Er schien sich sogar sehr gut mit Luca zu verstehen.

Auf dem Rückweg fuhren Mia und Luca wieder bei Tom und mir mit, da Luca und Tom in eine Diskussion über die Bundesliga vertieft waren. Deswegen überließ ich Luca nur allzu gerne den Beifahrersitz und setzte mich zu Mia auf die Rückbank. Wir unterhielten uns nicht viel, da wir beide müde waren. Tom setzte Luca und Mia zusammen bei Mia ab, weil er noch sein Fahrrad bei ihr stehen hatte.

"Wir sehen uns", verabschiedete Luca sich von Tom, nachdem sie Handynummern ausgetauscht hatten. Die Tür ging zu, dann fuhren wir weiter.

"Eigentlich ist er ja doch ganz okay", meinte Tom.

"Freut mich, dass ihr euch so versteht", murmelte ich mit geschlossenen Augen. Ich könnte jetzt einfach einschlafen. Das sanfte Schaukeln machte mich schläfrig.

Als ich meine Augen öffnete, sah ich gerade noch, wie Tom mich durch den Rückspiegel ansah, bevor er ertappt den Blick abwandte und leicht errötete. Ich schmunzelte und schloss meine Augen.

Ich musste weg gedämmert sein, denn als mich Tom weckte, stand das Auto. Nach einem Blick nach draußen erkannte ich das Haus von Toms Eltern.

"Keine Sorge, sie sind im Urlaub", sagte Tom leise, der neben mir die Tür öffnete.

"Warum hast du mich nicht nach Hause gebracht?", fragte ich. Es irritierte mich zwar, aber ich hatte nichts dagegen. Ganz im Gegenteil.

"Ich wollte nicht", antwortete er schlicht. "Außerdem waren wir bei dir Zuhause, aber du hast geschlafen."

Ich lächelte ihn dankend an, als ich verstand, dass er für mich meine Sachen geholt hatte. Es wunderte mich zwar ein bisschen, dass meine Eltern das erlaubten, aber sie waren wahrscheinlich einfach froh, dass ich an einem Typen Interesse zeigte.

"Du weißt aber schon, dass morgen Donnerstag ist und ich Schule habe?", fragte ich nach, als er die Tür aufschloss und mich eintreten ließ.

"Jep, weiß ich. Glaub mir, ich gehe auch zur Schule", sagte er schmunzelnd.

"Vergiss meine Frage einfach. Das liegt nur daran, dass ich so müde bin", sagte ich. Tom grinste und nahm mir meine Sachen ab.

"Ich bringe die schnell hoch. Irgendwelche Essenswünsche?", sagte er, während er schon die Treppen hoch lief.

"Nudeln vielleicht?", schlug ich vor. Nach einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass wir erst sieben Uhr hatten. Ich fühlte mich als hätten wir zehn Uhr. Mindestens.

"Geht klar", sagte Tom, der die Treppen wieder herunterkam. Ich folgte ihm in die Küche. Es überraschte mich nicht, dass er kochen konnte. Bereits nach zwanzig Minuten war das Essen fertig und ich deckte den Tisch, während Tom unsere Teller befüllte. Ich entdeckte noch zwei Lichterketten, die ich anschaltete.

"Et voila."  Tom stellte mir einen vollen Teller Spaghetti mit Tomaten-Sahne-Sauce vor die Nase. "Zum Nachtisch gibt's Vanillekipferl." Er setzte sich mir gegenüber und wir fingen an zu essen.

Wir hatten zwar erst vor etwas mehr als einer Stunde Waffeln gegessen, aber ich hatte so einen Hunger, dass ich den Teller leer aß. Zusammen waren auch schnell alle Vanillekipferl aufgegessen.

"Tja, dann müssen wir demnächst nochmal welche backen. Nur diesmal ohne eine Schlacht", meinte ich schmunzelnd.

Tom beugte sich etwas über den Tisch. "Warte, du hast da was." Er streckte seine Hand aus und wischte über meinen Mundwinkel. Er hielt kurz inne und sah mir direkt in die Augen. Seine Hand ruhte an meiner Wange.

Mein Puls schnellte in die Höhe und ich wartete gespannt darauf, was er tun würde. Wenn er mich küssen würde, würde ich mich nicht wehren. Stattdessen blinzelte Tom mehrmals und setzte sich wieder richtig hin.

"Du kannst in meinem Bett schlafen, dann schlafe ich auf meinem Sofa", sagte Tom und stapelte unsere Teller.

"Nein, ich schmeiße dich nicht aus deinem Bett", widersprach ich sofort. Seltsamerweise klang meine Stimme ganz normal. "Ich schlafe auf dem Sofa."

"Nein, du schläfst nicht auf dem Sofa", erwiderte er und räumte die Teller und das Besteck in die Spülmaschine ein.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Oh nein, so läuft das nicht. Das ist dein Bett. Ich schlafe auf dem Sofa. Ende der Diskussion."

Plötzlich drehte Tom sich zu mir herum und trat ganz nahe an mich heran. Ich schluckte schwer. "Ist das so?", hauchte er. "Du wirst in meinem Bett schlafen."

Unfähig etwas zu erwidern, da in meinem Bauch die Schmetterlinge Purzelbäume schlugen, starrte ich ihn nur an. Wie hypnotisiert beobachtete ich, wie sich seine Hand hob und wie vorhin an meine Wange legte.

"Bist du damit einverstanden?", fragte Tom leise. Seine Stimme klang sehr viel tiefer und rauer als sonst. Ich nickte, ohne darüber nachzudenken.

Er grinste und löste sich von mir. "Gewonnen."

"Was?" Ich riss mich durch ein Kopfschütteln aus meiner Starre. "Das ist unfair!" Ich konnte mich gerade so davon abhalten, mit dem Fuß aufzustampfen.

"Du bist wirklich süß, wenn du sauer bist", erwiderte Tom ungerührt.

Schnaubend wandte ich mich ab und lief die Treppen hoch. Ich hatte einen neuen Plan, doch Tom hatte mich schon durchschaut.

"Oh nein, Hanna, ganz sicher nicht", sagte er und hielt mich an der Taille fest, bevor ich mich auf sein Sofa schmeißen und es für mich beanspruchen konnte. "Akzeptiere es einfach."

"Na gut", sagte ich. Dann sollte er eben auf dem unbequemen Sofa schlafen. Ich fand sein Bett, jetzt nachdem ich es gesehen hatte, sehr viel besser. Es war ein riesiges und bequem aussehendes Bett.

Nachdem Tom eine halbe Stunde später das Licht ausschaltete, redeten wir noch eine Weile, bis ich mit dem Geruch nach Orange, nach ihm, eingeschlafen war.

Winter Wonderland (Adventskalender)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt