Schwarz und Weiß
„Woran denkst du?“
Die Frage schien von so weit weg zu kommen. Als ob mein Geist aus meinem Kopf heraus gesprungen und zu den Sternen gewandert wäre. Vielleicht hätte ich mich auf den Mond gesetzt, oder wäre zwischen den funkelnden Lichtern herumgewandert. Aber seine Stimme schien mich zurück auf den Boden zu ziehen, weg von den Sternen durch die kalte Nachtluft. Erst dann bemerkte ich dass er seine Arme um mich geschlungen und seinen Kopf auf meine Schulter gelegt hatte. Sein warmer Atem strich über meine Wange, als ich verträumt lächelte.
Wie diese Gefühle doch gleichzeitig so unterschiedlich und gleich sein konnten. .
Für einen Moment war ich noch frei wie ein Vogel zu den Sternen geflogen und hatten den Luftzug auf meiner Haut gespürt. Und jetzt stand ich wieder fest am Boden, aber seinen Körper zu spüren ließ mein Herz mindestens bis zu den Sternen fliegen.
Sanft legte ich meine Hände auf seine und schob meine Finger zwischen seine.
„Hmm? Worüber denkst du nach?“ Er pustete auffordernd eine Haarsträhne in mein Gesicht, worauf mein Lächeln sich vertiefte.
Bevor ich ihm antwortete drehte ich den Kopf um ihn anzusehen.
„Schwarz und weiß.“
Er sah verständlicherweise ein wenig verwirrt aus, aber ich lächelte nur geheimnisvoll, ließ seine Hände los und drehte mich erst ganz zu ihm um, bevor ich weiter sprach.
„Ich habe nur an früher gedacht, als alles noch so anders war.“
Mit den Finger spielte ich an den Knöpfen seines Hemds herum.
„Als alle entweder Freund oder Feind waren, es gab nur Mag ich und Mag ich nicht und entweder jemand war immer gut oder vollkommen böse.“
Er seufzte, als hätte er eine Ahnung, was ich wirklich ansprechen wollte. Langsam nahm er meine Hände von seinem Hemd und hielt sie fest. Aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen sondern trat einen Schritt zurück und sah ihm in die Augen. Seine Ahnung war falsch.
„Verstehst du? Alle sind so kompliziert geworden. Plötzlich haben sie irgendwelche geheimen Ziele oder Träume auf die sie hinarbeiten, meine Freunde scheinen an meinem Verstand zu zweifeln und ich kann mich nicht mal mehr auf meine Feinde verlassen, weil sie irgendwie ein Herz bekommen haben.“
Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass einer von ihnen gerade meine Hand hielt.
„Welche Feinde denn?“
Er sah ein bisschen amüsiert aus und wollte wieder einen Schritt auf mich zukommen, aber ich löste meine Hände von seinen und ging ein paar Schritte auf die Seite. Die Verträumtheit war verflogen und mit einen mal war ich furchtbar wütend.
„Ich muss mich bei allem was man zu mir sagt, fragen ob derjenige es wirklich so meint oder ob er mich manipulieren will. Und auf keine meiner Fragen bekomme ich eine Antwort. Nein, stattdessen tun lieber alle so als hätte ich gar nichts gesagt und reden von irgendwas anderem.“
Mit den Händen fuhr ich mir durch die Haare, denn umso mehr ich redete umso mehr sprudelten die Worte aus mir heraus. Bloß half das auch nicht das Chaos in meinem Kopf zu ordnen.
„Hey, ganz ruhig. Du bist ja total durcheinander.“
Seine Stimme war so sanft, als er auf mich zukam, die Arme nach mir ausgestreckt. Ich könnte mich einfach hineinfallen lassen, aber das Gefühl der Freiheit, das ich gerade noch gespürt hatte, wollte sich einfach nicht mehr einstellen.
„Siehst du, genau das meine ich. Anstatt mir zu helfen das zu verstehen, versuchst du die ganze Zeit immer nur mich zu beruhigen.“
Meine Stimme war lauter geworden und auch er schien verstanden zu haben dass ich es dieses Mal erst meinte. Er ließ die Arme sinken, blieb stehen und ich konnte in seinem Gesicht sehen wie hin und her gerissen er war. Trotzdem blieb seine Stimme ruhig und er sah mich fest an.
„Es ist doch ganz normal dass du nervös bist, schließlich sind es ja nur noch ein paar Tage.“
Am liebsten hätte ich ihm eine runter gehauen so wütend machte es mich, was er da sagte. Als ob ich nicht gerade eben gesagt hätte dass er aufhören sollte, zu versuchen mich zu beruhigen.
Mit zitternden Händen schaffte ich es einen einigermaßen ruhigen Ton in meine Stimme zu bringen.
„Ich frage mich bloß wie ich dir jemals vertrauen soll, wenn du mir nicht sagst was du denkst. Und solltest nicht du derjenige sein auf den ich mich immer verlassen kann? Aber stattdessen muss ich Tag und Nacht Angst haben, dass dir klar wird, dass deine ‚Gefühle’ vielleicht doch nicht reichen um eine Beziehung mit mir zu führen.“
Jetzt war es an ihm, sich aufgewühlt durch die Haare zu fahren. Zudem fing er auch noch an die Dachterrasse auf und ab zu tigern, so dass ich mir schon Hoffnung machte, dass er jetzt endlich das sagen würde, was er wirklich dachte. Leider wurde ich erneut enttäuscht.
„Nichts von dem was ich dir sagen könnte hat irgendeine Auswirkung auf meine Gefühle, außerdem gibt es nichts was du noch wissen müsstest. Alles was wichtig ist, weist du schon.“
Er war bei einem kleinen Tischchen stehen geblieben, auf dem eine Vase und Teegeschirr stand, und umklammerte es jetzt mit beiden Händen so fest, dass seine Hände ganz weiß wurden. Bei dem was er sagte wurde ich ganz blass vor Wut.
„Weist du eigentlich wie viel für mich da auf dem Spiel steht!? Ich könnte Alles verlieren! Meine Familie, mein zuhause, du könntest mein ganzes Leben zerstören, wenn du wolltest. Du verstehst also dass ich lieber so viel wie möglich darüber wissen will, was hier gerade passiert!!“
Die letzen paar Wörter schrie ich so laut, dass ich mir sicher war das man sie meilenweit hörte. Aber in dem Moment, in dem ich sein Gesicht sah, wusste ich dass ich zu weit gegangen war. Ich hatte seine Meinung hören wollen, aber nicht auf diese Art.
„Sei STILL!“
Mit einem wütendem Schrei riss er den Teetisch zu Boden und kam auf mich zu, während ich stolpernd zur Wand zurückwich.
„UND WEIST DU WAS FÜR MICH AUF DEM SPIEL STEHT? DU SCHEINST JA KEINERLEI GEDANKEN DARAN ZU VERSCHWENDEN DAS DU NICHT DIE EINZIGE BIST DIE HIER ETWAS ZU VERLIEREN HAT. UND ICH HABE KEINE LUST MEIN RESTLICHES LEBEN MIT JEMANDEM ZU VERBRINGEN DER WAHRSCHEINLICH NIE ETWAS FÜR MICH EMPFINDEN WIRD!!“
Ich stand mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt und holte zitternd Atem. Keine zehn Zentimeter vor mir stand er mit gehobenen Händen und atmete viel zu schnell. Als ich vorsichtig die Augen wieder öffnete, die ich vor Angst fest zugedrückt hatte, fühlte ich erst den brennenden Schmerz auf meiner Wange, letztendlich hatte nicht ich ihn geschlagen sondern er mich. Mein Blick war nach oben gerichtet, wo immer noch die Sterne funkelten, wie schweigende Wächter, aber ihr Licht kam mir nicht länger verlockend vor, sondern kalt und grell, als wollte jeder von ihnen dieses Augenblick festhalten.
Es überraschte mich das meine Stimme immer noch so fest war.
„Tut mir Leid.“
Noch nie war ich so schnell gerannt, wie ich jetzt von ihm weglief.
Nur eine kleine Szene ohne zusammenhang,
also was haltet ihr davon?