18. Türchen

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Am Wochenende erzählte ich meinem Bruder und meinen Eltern von meiner Trennung. Meine Mutter wollte mich darauf hin umsorgen und für mich einen Wellnesstag organisieren, doch ich lehnte ab, weil ich noch mit Niko in die Stadt wollte.

Mein Vater sagte nur, dass es ihm leid täte, aber dass ich ja auch noch jung wäre. Paul dagegen wurde richtig wütend.

"Was geht denn bei dem Typen falsch? Was ein Arschloch!", rief er aufgebracht.

"Paul", mahnte meine Mutter.

Paul starrte sie an. "Wie kannst du so ruhig sein? Das geht so was von überhaupt nicht in Ordnung!"

"Paul, ich weiß das ja zu schätzen, aber beruhig dich doch erstmal", versuchte ich ihn zur Ruhe zu bringen. "Außerdem kannst du dich Mia, Elsa und Niko anschließen. Die planen schon eine Rache-Aktion."

"Das mache ich", sagte Paul und zückte sogleich sein Handy. Er tippte darauf herum, als ihm auffiel, dass er die Nummern gar nicht hatte.

"Ähm, Hanna, magst du mir vielleicht die Nummer von Niko geben?", fragte Paul kleinlaut.

Ich schmunzelte und hielt ihm mein Handy hin, damit er die Nummer eintippen konnte. Danach rief er ihn an und machte sich auf den Weg die Treppen nach oben, damit niemand die geheime Besprechung mitbekam.

"Ich ziehe mich mal um", sagte ich und deutete auf meinen Schlafanzug. Ich hatte mich nämlich immer noch nicht umgezogen, obwohl es schon 12 Uhr war und Niko in einer halben Stunde kommen wollte.

In Rekordzeit duschte ich und zog mich an. Ich hatte Lust, mich etwas schicker anzuziehen, und wählte einen schwarzen Rock und einen hellgrünen Strickpullover.

Es klingelte und ich kämmte meine Haare ein letztes Mal durch. Dann sprintete ich die Treppen mit der Handtasche in der Hand hinunter.

"Hallo Niko", sagte ich und fiel meinem besten Freund um den Hals.

Wir hatten uns, seitdem er zu mir gekommen war, nachdem ich ihm von der Trennung geschrieben hatte, nicht mehr gesehen. Vermutlich dauerte die Umarmung deshalb etwas länger als gewöhnlich.

Wir machten uns auf den Weg und setzten uns in die Bahn.

"Was musst du denn in der Stadt erledigen?", fragte Niko.

"Ich muss etwas zurückgeben", sagte ich und zog Toms Geschenk hervor.

Niko verzog das Gesicht. "Kann ich verstehen." Dann wechselte er das Thema. "Hast du schon etwas an Silvester geplant?"

Ich schüttelte den Kopf. "Ich habe nichts geplant."

"Das ist gut, weil Janine und ich eine Party schmeißen wollen. Du bist herzlich eingeladen", sagte Niko.

"Dann komme ich gerne", sagte ich, weil ich Janine schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Wir hatten uns schon immer sehr gut verstanden, und ich war froh, dass sie nicht eifersüchtig war.

Wir verließen die Bahn und machten uns auf zu dem Geschäft, in dem ich das Geschenk für Tom gekauft hatte.

"Das ist mal ein cooler Laden", meinte Niko begeistert und stürzte auf die Regale zu.

Ich schmunzelte über meinen besten Freund und machte mich dann auf den Weg zur Kasse.

"Guten Tag. Ich würde das hier gerne zurückgeben", sagte ich und reichte der Kassiererin die Coldplay-CD.

Die Kassiererin nahm die CD und tippte auf der Kasse herum. "Das wäre auch eine Geschenkidee für meinen Bruder. Er liebt diese Band. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass seine Freundin Lilian ihm die schon schenkt."

Verdutzt sah ich sie an. Erstens, weil sie mir das einfach so erzählte und zweitens, weil es genau auf Tom zutraf.

"Heißt dein Bruder zufälligerweise Tom und arbeitet auf einem Weihnachtsmarkt?", fragte ich vorsichtig.

"Ja, wieso?" Misstrauisch sah sie mich an. Ich tippte darauf, dass sie seine jüngere Schwester und das hier ein Aushilfsjob war.

"Nur so. Ich kenne einen Tom, auf den das alles zutrifft", sagte ich.

"Dann bist du bestimmt Hanna! Tom hat mir schon von dir erzählt", sagte sie. "Ich bin übrigens Anna. Wir sind uns, glaube ich, noch nicht begegnet. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich so gut wie nie Zuhause bin."

Ich schüttelte ihre ausgestreckte Hand. "Ja, ich bin Hanna." Ich war überrascht, wie offen Anna war, doch wenn ich an Tom dachte, sollte es mich eigentlich nicht überraschen. Er war doch genauso.

"Vielleicht sehen wir uns ja, wenn du das nächste Mal vorbei kommst", sagte Anna. Ihre Augenfarbe war exakt dieselbe wie Toms und ich tat mich schwer, ihr in die Augen zu sehen.

"Bestimmt", antwortete ich, obwohl es kein nächstes Mal geben würde. Sie reichte mir mein Geld und ich nahm es entgegen.

"Die muss ich alle unbedingt haben", sagte Niko, der sich neben mich gestellt hatte. In seinen Händen trug er einen riesigen Stapel CDs und Schallplatten. Er legte alles ab und machte sich erneut auf den Weg zu den Regalen.

"Dein Freund?", fragte Anna neugierig, während sie die Artikel einscannte.

"Nein, er ist mein bester Freund", antwortete ich.

"Oh. Na ja, was nicht ist, kann ja noch werden", sagte sie.

Darauf antwortete ich nicht. Ich hatte nur freundschaftliche Gefühle für Niko. Und er und Janine waren einfach Zucker.

"Ich weiß von dir und Tom", sagte Anna plötzlich leise. Ich sah auf, doch sie sah mich nicht an, sondern konzentrierte sich auf die Kasse.

"Oh", sagte ich, da ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte.

"Er hat meiner Schwester Lisa von euch erzählt und ich habe gelauscht." Schuldbewusst sah Anna mich kurz an. Dann senkte sie ihren Blick wieder. "Er sagte, er wolle gar nicht mehr mit Lilian zusammen sein, sondern mit dir, Hanna."

Ich spürte einen Kloß im Hals, doch ich schaffte es nicht, ihn herunterzuschlucken.

"Weißt du, ich mochte Lilian noch nie so richtig. Aber du bist mir sofort sympathisch gewesen. Du passt viel besser zu ihm. Er liebt dich", sagte Anna und diesmal sah sie mich an. Ich sah ihr an, dass sie es ernst meinte.

Ich war froh, dass Niko in diesem Augenblick an die Kasse trat, um zu bezahlen, sonst hätte ich angefangen zu heulen. Anna wechselte wieder ins Geschäftliche und ich schwor mir, dass dieses Gespräch unter uns bleiben würde.

"Was ist denn los mit dir?", fragte Niko besorgt, als wir kurz darauf einen Kakao tranken. Ich war sehr abwesend und hörte ihm kaum zu.

"Ich fühle mich nicht so gut. Mir ist ein bisschen schwindelig", log ich.

Ich fühlte mich schuldig, Niko anzulügen, doch ich wollte irgendwie nicht, dass er von dem Gespräch wusste. Das war etwas, das ich für mich behalten wollte.

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