Begegnung mit einem Bären

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Am nächsten Tag - es war mal wieder so ein regnerischer, nebelverhangener Tag,- genossen wir den Fisch, den uns der junge Mann beim Abschied überreichte. Über offenem Feuer gebruzzelt, schmeckte uns die Forelle vorzüglich. Da wir ja ständig Hunger hatten und der Nachschub an Kalorien stimmen musste, kam uns dieser große Fisch gerade recht. Wie immer, verbrannten wir die Überreste im Feuer und achteten auch sonst darauf, keine Lebensmittel offen herum liegen zu lassen.

Es wurde langsam dämmrig und Jürgen schnarchte schon in seinem Zelt. Ein Geräusch dahinten, irgendwo im Wald, ließ mich aufhorchen.

Durch das leise Tröpfeln des Regens, drang ein komisches Schnaufen herüber. Was war das? Mein Herz fing an zu pochen. Oft genug hatte ich solche Geräusche schon in Filmen gehört, wenn Tierfilmer Bären beobachteten. Mein lieber Schwan. Das wird doch nicht einer aus dieser Gattung sein? Ich horchte mit angehaltenem Atem und mein Adrenalin schoss plötzlich in die Höhe. War es der leichte Wind, der durch die Kronen der Bäume strich?

War es ein knarrender Ast?

Mir wurde etwas mulmig. Es wird doch nicht gerade jetzt ein Bär durch das Unterholz streifen? Eilig verstaute ich unsere Vorräte- die noch offen herumlagen,- in die Blechkiste und schlich zu Jürgens Zelt um ihn zu wecken. Der grunzte und öffnete verschlafen die Augen. Ich erklärte ihm die Situation und was ich vermutete. So schnell hatte ich meinen Freund noch nie aus dem Zelt kriechen sehen.

Wir standen da und starrten in die Richtung, aus der das grunzende Geräusch kam. Doch außer dem leisen Tröpfeln des Regens, war nichts mehr zu hören. Ich atmete auf. Langsam baute sich mein Adrenalin Spiegel wieder ab.

"War wohl doch kein Bär gewesen", murmelte ich. Trotzdem! So ganz traute ich der Sache denn doch nicht. Immer wieder schweifte mein Blick in die Runde und ich versuchte durch die einsetzende Dämmerung und den Nieselregen etwas zu erkennen. Am Feuer hockend, tastete ich nach meinem Bowiemesser. Mehr instinktiv, als das ich wirklich etwas damit anfangen könnte. Eine moralische Unterstützung sozusagen. Denn welcher Bär fürchtet sich schon vor so einer Klinge?

Dann plötzlich!

Wie ein dunkler, großer Schatten näherte sich etwas unserem Lager. Kein Schnaufen, kein Grunzen war zu hören. Der Schatten kam einfach lautlos zwischen den dichten Bäumen hervor. Ich stieß Jürgen an. Der drehte sich um und stand langsam auf. Ich spürte, wie mir eine Gänsehaut über den Rücken lief. Meine Härchen auf den Armen richteten sich auf. Dann erkannten wir den Schatten. Ein Grizzlie trottete langsam und irgendwie gelangweilt auf uns zu. Schnüffelte hier und da im Gras und tat so, als würde er uns nicht bemerken. Der kurze, stummelartige Schwanz und der muskulöse Buckel über den Schultern, ließen ihn als solchen erkennen. Etwas erleichtert stellten wir fest, dass es sich um einen Jungspund handelte. Wir schätzten sein Alter auf etwa drei Jahre. Das heißt, das er vor kurzem erst von seiner Mutter entwöhnt wurde und noch sehr unerfahren war.

Doch ein Kuschelbär war er beileibe nicht. Braunbären können bis zu 60km/h erreichen und wenn er wollte, würde er uns als Vorspeise auch nicht verachten. Obwohl Menschen nicht in ihr Beuteschema fallen. Doch dieser Meister Petz machte keinen bedrohlichen Eindruck. Trotzdem zogen wir es vor, langsam nach hinten auszuweichen. Wobei wir beruhigende Worte sprachen. Es war das erstemal, dass ich mit einem Bären quatschte. Genug Sicherungsabstand einhaltend, beobachteten wir das prächtige Tier. Es schnüffelte jetzt auf unserem Lagerplatz herum, in der Erwartung, etwas Fressbares zu finden. Doch wir hatten alles gut und fest in einer Alukiste untergebracht und alle Abfälle verbrannt. Neugierig untersuchte er dann unsere Zelte und kratzte mit der Tatze vorsichtig an einer Plane herum. Ich grinste Jürgen an. „Hoffentlich muss nicht einer von uns heute Nacht im Freien schlafen!"

„Dann trete ich den Kerl aber kräftig in den Arsch!" raunte Jürgen breit grinsend.

Und so standen wir eine ganze Weile etwa 30m von dem Schauspiel entfernt und beobachteten fasziniert , wie der junge Bär unser Lager durchsuchte. Innerlich verfluchte ich mich, weil ich meine Kamera im Zelt liegen hatte. Das hätte jetzt spektakuläre Aufnahmen geben können. Doch ich hätte mich gehütet, jetzt dorthin zu schleichen, um sie zu holen.

Langsam viel auch die anfängliche Anspannung und Furcht von uns ab. Wenn man sich einem Bären gegenüber richtig verhält und ihm Sicherheitsabstand gewährt, wird in der Regel nichts passieren. Und zudem schien er gut genährt und satt von der letzten Lachs Saison.

Jetzt suchte er nach Beeren, die hier überall reichlich vorkommen, ehe er sich in seinen Winterschlaf begibt. Nachdem er noch ein Loch in mein Zelt gerissen, die Proviant Kiste umgeworfen und mit einem Fetzen Plane gespielt hatte, trollte er sich langsam wieder in die Büsche. Noch eine Weile hörten wir das knacken von Ästen, dann war es still. Erleichternd lachend, hockten wir uns wieder an das Feuer. Komischerweise waren unsere Gespräche danach irgendwie lauter, als sonst üblich. Als die Dunkelheit vollends hereinbrach, legten wir einige dicke und noch einigermaßen trockene Äste auf das Feuer. Es sollte so lange wie möglich brennen. Man weiß ja nie!

Die Nacht schlief ich unruhig. Man könnte auch sagen, mit einem offenem Auge. Bei jedem Geräusch was die Natur hervorbrachte, wurden meine Ohren größer. Mir schossen die Bilder durch den Kopf, die ich in Filmen gesehen hatte. Camper, die von Bären attackiert wurden und einer, der aus seinem Zelt gezerrt und auf Nimmerwiedersehen verschwunden waren. Nur die Überreste eines Zeltes wurde später zerfetzt aufgefunden. Eine Gänsehaut überzog mich, bei diesen Bildern.

Müde und unausgeschlafen, kroch ich morgens aus dem Schlafsack. Jürgen war schon wieder damit beschäftigt, das Feuer zu entfachen und Kaffee zu kochen. Er grinste mich breit an und fragte scheinheilig, ob ich gut geschlafen hätte. Na, er sah auch nicht gerade aus, als hätte er wie ein Murmeltier gepennt. Was er mir auch bestätigte.

Solche und noch andere Erlebnisse und Abenteuer machten Kanada für mich zu einem Traumland.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 21, 2018 ⏰

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