Secret Santa?

Er schaute sich um.
Das Gelächter seiner Mitschüler übertönte noch die feierlich Weihnachtsmusik, die in seiner Schule zu dem feierlichen Anlass gespielt wurde.
Still stützte er seinen Kopf auf seiner Hand ab und zeichnete Kreise mit seinem Finger auf den
Tisch.
Und dort saß er nun.
Alleine.
An Heiligabend.

Ein rascheln von Geschenkpapier holte ihn aus seinen Gedanken.
Direkt neben ihm öffnet ein Junge sein Present, welches ihm ein anderer geschenkt hatte.
Das ‚Secret Santa', oder die verdeutschte Version ‚Wichteln', war in dieser Klasse jedem bekannt, da jede an dieser Schule es jedes Jahr veranstaltete.
Denen den Secret Santa nicht bekannt ist, der muss nur wissen, dass jeder Schüler ein Los zieht, auf dem ein Name eines anderen steht, den er dann beschenken muss.
Das ist das ganze Prinzip.
Allerdings hatte man das Gefühl, dass keiner es richtig machte, denn fast jeder weiß wer wem etwas schenken musste.
Außerhalb von Secret Santa kriegten die Schüler aber auch noch Geschenke von ihren Freunden, das sind die, die sie gerade auspackten.

Es wurden die Tische zusammengeschoben, sodass bis zu sieben Leute in einer Gruppe sitzen konnten.
Der Tisch von Jungkook war überhäuft mit weißem Geschenkpapier und roten Schleifen, die alle seinen Mitschülern gehörten.
Der ganze Tisch war überhäuft, nur sein Platz war leer.

Er schämte sich nicht dafür keine Geschenke von Freunden bekommen zu haben, vielmehr hat er vor den mitleidigen Blicken der anderen Schüler Angst.
Diese Blicke bekam er jedes Jahr aufs neue.
Jedes Jahr an Weihnachten.
Diese Blicke waren der Grund warum er Weihnachten verabscheute.

Jungkook war ein stiller, sensibler Junge; beklagt sich nie, war immer dankbar, aber in dieser Zeit des Jahres war er wie ausgetauscht.
Er konnte es nicht leiden wenn Leute zu ihm hingingen und ihn fragten ob es ihm gut gehe.
Er brauchte keine Hilfe, kein Mitleid, keine Geschenke, sagte er sich immer.

Aber vielleicht braucht unser Jungkook nur ein wenig Liebe?

Er wusste nicht ob er dankbar oder sauer sein sollte, dass seine Schule beschlossen hat auch an Weihnachten Unterricht zu geben.
Einerseits musste er seine Familie nicht sehen, andererseits diese ganzen Leute hier.

„Willst du nicht mitfeiern? Du siehst so traurig aus."

Jungkook hörte so etwas andauernd von allen Seiten. Und wenn er nicht antwortete waren sie gleich beleidigt.

„Ist irgendwas?"

Jungkook wollte einfach nur schreien und sagen, dass es ihm gut geht und man aufhören solle ihn danach zu fragen.
Das einzige was er jetzt wollte war diesem Gebäude zu entfliehen und diesen Tag draußen zu verbringen.
Alleine.
So mochte er es am liebsten.
Niemand der ihn stört oder sich um ihn sorgt; er wollte sich einfach frei fühlen, gelöst von anderen.

Das knirschen von Geschenkpapier reisst Jungkook wieder aus seinen Gedanken.
„Danke", hörte er jemanden neben sich sagen.
Ein Junge hatte eine Kette von seinem Freund geschenkt bekommen, den er nun umarmte.
Zusammen entfernten sie sich von Jungkooks Tisch und ließen den Müll dort.
Müde seufzte Jungkook auf und wartete nur noch bis dieser Tag zu Ende gehen würde.
Er selbst hatte einem Jungen namens Jimin Ohrringe geschenkt, weil er ihn oft mit welchen gesehen hatte.
Bedankt hat sich Jimin nicht, aber Jungkook hat es nicht anders erwartet.
Wieso sollte sich jemand bei jemandem bedanken, der keine Wahl gehabt hat?

Nun saß unser Jungkook alleine da und fing an seine Umfeld auszublenden.
Das laute Geschrei hörte er nicht mehr und die Musik schon gar nicht.
Er hörte nur auf sein Herzschlag und sein gleichmäßiges Atmen, als er seinen Kopf auf die Tischplatte legte und seine Augen schloss.
Was sollte er schon groß machen?
Seinen Malblock hatte er nicht dabei von seinen Stiften ganz abgesehen.
Noch 50 Minuten.
Noch 50 Minuten musste er zwischen den lauten, schwitzigen Schülern sitzen und sich irgendwie beschäftigt halten.