Auf dem Wachposten von Jegor Tarkov war es klein, doch gemütlich warm, da ein Feuer brannte. Ich konnte sehen, dass er seine Stechkin, an die er sich festklammerte, seit Jahren nicht gereinigt hatte. Boris und Dimitris Blicken nach zu urteilen sahen sie es auch. Kaum hatten wir uns vorgestellt, schenkte uns Jegor Pilztee ein und begann zu erzählen. Er berichtete, dass 450 sich schon weit außerhalb des Zentrums befand.
„Die Draisine fährt nur bis zu 500 Meter raus, Marineinfanteristen gehen bis zum Meter 680. Kein Wunder, dass hier kaum jemand vorbeikommt. Kennt ihr eigentlich die Geschichte von Poleschajewskaja?"
Er erzählte diese Geschichte über eine Station des anderen Schachts, bei der die Menschen, die dorthin geschickt wurden, nie wieder gesichtet wurden. Es wurde nur Blut hinterlassen. Jegor konnte die Geschichte sehr spannend gestalten, wir alle waren gefesselt. Während Anastasia ganz schockiert wirkte und unsicher Fragen stellte, die von ihrer Unschuld zeugten, schweifte ich mit meinen Gedanken in die Finsternis der Gänge und den dort lauernden Gefahren ab. Leider waren es keine Märchen, die Jegor erzählte, sondern wirkliche Probleme. Ist man hier unten nicht vorsichtig genug hat das Leben eine kurze Dauer.
Mitten in seinen Erzählungen brach Jegor ab, was uns aufhorchen ließ.
„Hört ihr das auch?", fragte Wladimir flüsternd.
Als wir anderen genau hinhörten, vernahmen wir eindeutige Tatzengeräusche. In der Dunkelheit war auf jeden Fall etwas.
„Ihr müsst nachschauen, was das ist!", meinte Jegor leicht hysterisch zu Dimitri, Boris und mir.
Ich sprang sofort auf, ebenso wie Boris.
„Seid ihr euch wirklich sicher, dass ihr gehen wollt?", fragte er. Man hörte seine Angst und seinen Respekt den Tapferen gegenüber. Doch war es unsere Pflicht, nachzuschauen, was in der Metro vor sich ging, es stand außer Frage, nicht zu erforschen, was diese Geräusche verursachte. Boris und ich liefen nach vorne in die Dunkelheit, ohne irgendetwas sehen zu können. Dimitri, der sich besser als Fernkämpfer eignete, stand hinter mir. Wir hatten alle unsere Waffen gezückt. Ich war bereit, meine Axt einzusetzen, doch sah ich nichts. Hinter uns entzündete sich ein Licht. Anastasia hatte ihre Gaslampe angemacht, doch brachte mir diese nichts, da mein massiger Körper einen Schatten vor mich warf. Wie ich sah, hatte Boris die gleichen Probleme.
Ich hörte Anastasia hinter mir ängstlich aufkeuchen, das Licht flackerte. Vor uns, weit vom Lichtpegel entfernt, hörte ich ein Winseln. Plötzlich drängte sich Wladimir zwischen uns hindurch und lief zielstrebig in die Dunkelheit. Verwirrt hielten wir inne. Ich wusste nicht, welche Dummheit es aufbringen musste, so leichtsinnig und ohne wirklichen Schutz einem unbekannten Geräusch in der Finsternis zuzulaufen. Wladimirs Aktion machte mich nervös, doch war ich auf alles gefasst, beispielsweise auf einen schmerzhaften Schrei des Schönlings oder ein Reißen und Brechen.
Nur auf da, was dann kam, hätte ich nicht vorbereitet sein können.
Wladimirs Schritte näherten sich uns wieder. In seinen Händen hielt er – einen Welpen.
Spürbar fiel die Spannung von uns ab. Anastasia schien ganz begeistert.
„Wie süß, ein Welpe!", rief sie freudig. Ihre rufe hallten an den Wänden der Metro wieder.
„Gut, endlich essen!", meinte Boris mit seiner durchdringenden, tiefen Stimme und hielt seine Axt bereit.
Dem stimmte ich zu und lachte.
„Ich halte, du schlägst."
Ich packte den Hund und hielt ihn fest. Boris wollte gerade zuschlagen, als sich Anastasia dazwischenwarf.
„Nein!", schrie sie ganz aufgebracht. Boris und ich wollten ihrer Bitte eigentlich nicht nachgehen. Wladimir versuchte, ein gutes Wort für Anastasia einzulegen.
„An dem Hund ist doch sowieso nicht viel dran", bemühte er sich, vernünftig zu argumentieren. Letzten Endes blickte uns Anastasia so unschuldig mit ihren großen Augen an, dass wir nachgaben.
Etwas beleidigt drückte ich ihr den Welpen in die Arme, sodass sie ein paar Schritte zurückgehen musste, um diese Wucht abzufangen. Dann also kein Essen. Mein Magen verzog sich etwas widerwillig.
Genau in dem Moment, als wir unsere Kampfhaltung aufgaben, hörten wir erneut ein Geräusch. Wieder Tatzen. Doch diesmal waren sie viel, viel größer.
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Hart aber Ungerecht
Ciencia FicciónErfolgreich ist es mir gelungen, bei der Rettung der Metro mitzuwirken. Diese Erfahrung werde ich nun zu Papier bringen. Um die Erlebnisse besser veranschaulichen zu können, berichte ich aus Olga Woslofs Sicht, auch bekannt als Olga die Große. Diese...