Der Fotograph

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Er schiebt den Schlüssel in das alte Schloss seiner Eingangstür und dreht ihn zweimal, mit einem Knacken springt die Tür auf.
Er betritt das alte  Bauernhaus, der Holzboden knarzt unter seinen Stiefeln.
Es ist ein altes Haus, das weiss er.
Die Luft hat ist schwanger von einem modrigen Geruch, einige Mäuse und andere pelzige Vertreter haben sich hier bereits eingenistet. Auch das weiss er, und es macht ihm nichts aus.
Es
Auch ist es nicht gerade nah an dem nächsten Ort gelegen, es dauert einige Stunden bis er einen Store oder ähnliches mit dem Auto erreicht hat.
Doch auch das macht ihm nicht, nein, es kommt ihm eher gelegen.
Denn er, Johannes, ist ein Künstler. Nicht viele Menschen verstehen Kunst, und die meisten verurteilen seine Arbeit, das weiss Johannes.
Doch er kann es ihnen nicht verübeln, immerhin weiss er auch, dass nicht jeder Mensch ein so geschultes Auge wie er besitzt und er selbst mit einer ganz besonderen Gabe geboren wurde.
Denn Johannes ist der Erschaffer echter Kunst. Kunst, welche die Menschen da draußen nicht gutheißen , da sie sie nicht begreifen können, sie haben ja keine Ahnung.
Aber das ist Johannes egal. Denn solange seine Kunst ihn mit Zufriedenheit erfüllt und er seine Werke betrachten kann, braucht er die fälschliche Anerkennung von all diesen möchtegern-Künstlern, wie Jogannes sie gerne nennt, dort draußen nicht.
Er legt seine Tasche ab und nimmt nur seine Kamera mit, als er die staubigen Stufen in den Keller hinabsteigt. Er muss zugeben, es ist nicht besonders sauber oder ordentlich, die meisten Umzugskisten hat der seit dem letzten Jahr noch nichteinmal ausgeräumt.
Doch dies stört Johannes nicht, er mag es lieber, wenn jedes Teil seinen Platz hat und er ganz genau weiß, wo es zu finden ist. Ein leicht modriger Geruch empfängt ihn, als er das Kellergewölbe betritt und die kleine Öllampe welche von der Decke in der mitte des Raumes hängt entzündet.
Ein schwaches Licht erleuchtet den Raum, aber es ist besser als nichts findet Johannes, denn ein wahrer Künstler, ein Erschaffer, wie er einer ist, braucht eine inspirierende Atmosphäre, denkt er sich.
Summend geht er zu seinem Werkzeugtisch, seine Hand schwebt wählerisch über die vielen Meißel, Zangen und Messer.
Johannes entscheidet sich für eine mittelgroße Feile und einen kleinen Meißel mit feiner Spitze.
Sein aktuelles Kunstwerk benötigt nurnoch ein paar Feinschliffe bis es perfekt ist; dann wird er es zu dem anderen in die Gallerie bringen, wo er bereits einen Platz ganz weit vorne ausgewählt hat, denn auf dieses ist er besonders stolz.
Zum einen, weil es verdammt lange gedauert hat, es einzufangen, zum anderen, da es ihm seine bleiche Fahrbe besonders gut gelungen war.
Die meisten von Johannes Kunstwerken waren leider nicht von anfang an bereit, sich für seine Kunst zur Verfügung zu stellen. Doch hatte Johannes sie einmal überzeugt, ließen sie ihn meistens Willig seine Arbeit tun und hielten ruhig. Johannes nutzte kein Tapeband oder ähnliches, um die Schreie seiner lebenden Leinwände zu verbergen. Er hatte gehört dass einige andere Künstler dies taten, doch dort wo er lebte, würde niemand seine Arbeit bemerken.
Er schritt auf den metallernen Ständer in der Ecke des Raumes zu, auf welchem sein neusestes Kunstwerk tronte, zog das weiße Leinentuch behutsam herab und begutachtete stolz sein Werk.
Der Torso eines Mädchens, vielleicht 8 oder 9, er wusste es nicht so genau, aber es war nicht so als ob es ihn interessiert hätte, war auf dem Metallstab gesteckt. Arm und Beinstümpfe waren sorgsam abgebunden und zugenäht, die mit Bleichmittel weiss gebleichte Haut war von roten Schnörkeln verziert, welche er behutsam mit einer gebogenen Klinge in das nun ledrige Fleisch geschnitten hatte. Die braunen Haare des Mädchens waren um sein Gesicht verteilt wie bei einer Schaufensterpuppe. Aus ihrem Arm hing ein Schlauch welcher sie mit Flüssigkeit versorgte. Sie atmete abgehackt aber regelmäßig. Er bevorzugte seine Spielfläche lebend, da sie so länger frisch und gut durchblutet blieb. Johannes war ein wahrer Künstler. Er schaffte etwas schönes aus dem, was ihm gegeben war.
Er rollte den Ständer und die Ampulle mit Flüssigkeit in die Mitte des Raumes unter die Lampe, sein Werk gab ein leises, schwaches Wimmern von sich.
Ohne zu zögern setzte er an der Stelle an, an welcher er gestern nicht weitergekommen war, Schlag für Schlag setzte es mehr Fleisch frei, formte Knochen zu abstrakten Gebilden und brannte Wunden aus, befreite den Torso von seinem widerlichen Fleisch. Johannes wusste, dass die wahre Schönheit unter einer Schicht der Abscheulichkeit verborgen lag, und er war ein guter Mensch, weil er Andere mit seiner Kunst davon befreite. Oftmals verglich er seine Arbeit mit der eines Bildhauers; mit jeder abgetragenen Schicht wurde sein Werk vollkommener.
Das steige Stöhnen begleitete ihn im Takt zu seiner Arbeit und als er fertig war stellte er sich einige Meter entfernt und bewunderte sein Werk.
Zufrieden zog er die alte Polaroid- Kamera hervor und fotografierte seine Arbeit aus jedem. Erdenklichen Winkel. Er sah seine Aufnahmen durch und war zufrieden. Als er fertig war, sah er sein Werk ein letztes mal an und verdeckte es dann wieder. Er zog den Torso mit einem schmatzenden Geräusch von dem Ständer und warf ihn achtlos in eine gigantische Tonne, zu all den anderen Resten seiner Kunst, weiße, blutdurchtränkte Leinen gewickelt. Jede in einem anderem Stadium der Verwesung.
Er ließ den Deckel der True angewiedert von dem beißenden Todesgeruch wieder zufallen und machte sich auf den Weg, seine neuesten Bilder zu seiner Gallerie hinzuzufügen.
Es waren tausende, Bilder aller seiner Kunstwerke an Meterweiten Leinen an den Wänden befestigt.
Seine neueste Errungenschaft hängte er nach ganz vorne, glückselig lächelnd. Zufriedenheit und Stolz erfüllten ihn.
Zu gern hätte er seine Kunstwerke nicht nur fotografiert, sondern alle zum anfassen nah bei sich gehabt.
Doch leider hielt organische Kunst nur für einige Wochen, bis sie sich zersetzte und die Mühe umsonst gewesen wäre. So verewigte Jogannes sie alle hier, auf seinen Bildern.
Er wusste, dass er seine Kunst mit niemandem teilen konnte, denn die Menschen hatten sie schon immer verurteilt.
Seit Johannes sein Fotogeschäft vor vielen, vielen Jahren gezwungenermaßen beenden musste, da die Menschen zunehmend begannen, die Verewigung ihrer Toten  auf Bildern als abstoßend anzusehen, musste er seine Berufung nun im Geheimen fortführen.
Er schloss seufzend die Tür, ein melancholisches Gefühl hatte ihn erneut ergriffen, müde von der Arbeit schritt er die Treppen nach oben in seine knarzende Unterkunft hinauf.
Seit all den Jahren, hatte sich so viel verändert.
Die Menschen waren verschlossener geworden.
Unkonfrontierbar mit dem Thema Tod.
Sie begruben, verbrannten und vergaßen ihre Angehörigen, ohne ihnen eine Letzte Ehre zu erweisen.

Post-Mortem Fotografie war schon seit Johannes denken konnte, nie wirklich von den Menschen als Kunst akzeptiert worden.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 23, 2018 ⏰

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