Harry bereute die Entscheidung nicht zum Grimmauldplace zurückgekehrt zu sein. Sein Kopf schlug an der Wand hinter ihm auf und er sackte noch ein Stück tiefer auf der Bank, auf der er saß.
„So! Das sind dann elf Argumente für Hogwarts und neun für die Auroren-Akademie", fasste Hermine die Arbeit der letzten Stunde zusammen.
„Und dabei hast du eins der wichtigsten Dinge vergessen Hermine!", fiel Ginny ein. Hermine beugte sich stirnrunzelnd über das Pergament.
„Uns!" Ginny lachte ihre Freundin laut aus und Harry fragte sich wirklich, wie die beiden Mädchen am frühen Morgen schon so energisch sein konnten. Harry, Ron, Hermine und Ginny saßen in der Küche des Fuchsbaus. Wobei die beiden Jungen eher in den Seilen hingen und den Mädchen kaum zuhörten. Die frühe Nachmittagssonne schien durch die Fenster und blendete Harrys müde Augen. In den Morgenstunden hatte Harry es sich in Rons Zimmer auf seinem altbekannten Feldbett gemütlich gemacht, um wie ein Stein zu schlafen. Zurück zum Grimmauldplace zu apparieren, hatte er sich nicht mehr zugetraut, auch wenn er sich jetzt wirklich wünschte, es getan zu haben. Kreacher hätte ihn in Ruhe ausschlafen lassen. Die Weasley-Frauen schienen dahingegen nichts von davon zu halten, lange zu schlafen. Um neun hatte Molly bereits alle aus den Betten geworfen um gemeinsam zu frühstücken und anschließend alle zu zwingen beim aufräumen zu helfen. Das Chaos war gewaltig gewesen und selbst mit Hilfe von Magie nur schwer zu bewältigen. Gegen Mittag waren sie schlussendlich fertig gewesen.
Harry gähnte herzhaft. Ron neben ihm, stützte den schwer gewordenen Kopf auf seinen Händen ab. Wie gerne hätte Harry sich jetzt in sein kühles, großes Himmelbett gelegt und sich von Kreacher einen Eistee bringen lassen. Stattdessen hatte Hermine sie alle zu einem ernsten Gespräch verdonnert und ließ sie über dieser Liste brüten.
Ginny wollte sich grade Hermines Feder schnappen und die beiden Mädchen als Punkte zwölf und dreizehn in die Spalte 'Hogwarts' eintragen, aber Hermine riss ihr blitzschnell das Pergament weg.
"Ginny! Ich möchte nicht dass ihre Entscheidung darauf beruht, dass wir in Hogwarts sind. Die Jungs müssen schlicht und einfach die vernünftigste und beste Entscheidung treffen. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit uns zu tun." Hermine räusperte sich kurz und Harry beobachtete träge, wie sich eine leichte Röte von ihrer Nasenspitze her ausbreitete. Er sah zu seinem Freund herüber, aber Ron war vollends weggedöst und bekam nichts mehr mit.
"Ich möchte nicht, dass Harry wegen Dir nach Hogwarts geht, Ginny!", fügte sie schnell hinzu. Sie nuschelte vor sich hin und blickte dann wieder auf die Liste. "Ich könnte wohl einen Punkt 'Familie und Freunde' hinzufügen, dann liegt Hogwarts noch weiter vorn." Hermine machte ein zufriedenes Gesicht. Dies gefror ihr allerdings schnell wieder, als Ron, noch halb schlafend, murmelte: "Du vergisst, dass 'Familie und Freunde' ein viel heftigeres Argument gegen die Rückkehr zu Schule ist." Ron rappelte sich ein wenig auf und strich sich über das verschlafene Gesicht. "Eigentlich sollte es der verdammt noch mal wichtigste Punkt auf der Liste sein, Hermine. Die Freunde die wir alle in diesem verfluchten Schloss haben sterben sehen! Mein Bruder!" Rons Stimme brach und Harry war sich nicht sicher, ob es noch die Müdigkeit war, die ihm die Stimme versagen ließ oder Trauer. "Ich kann mir kaum einen Grund vorstellen, weshalb ich zu diesem Ort zurückkehren sollte. Egal wie viele Listen du machst!" Hermine sah ihn mit geweiteten Augen an.
"Oh Ron, natürlich ist es schwer, es ist auch schwer für mich!" Sie schluckte und ignorierte seinen kalten Blick. "Aber ich dachte diese Liste hier, zeigt deutlich wie viel wichtiger es ist zur Schule zurückzukehren." Sie wedelte mit dem Pergament vor Rons langer Nase herum. Mit einem schnellen Griff hatte er zuerst Hermines Handgelenk und dann das Pergament gepackt. Seine müden Augen überflogen die Auflistung, wobei er Hermine allerdings weiterhin festhielt.
"Oh ja, genau!", spuckte Ron sarkastisch aus. "Ich gehe ganz sicher nach Hogwarts zurück, um weiterhin Zaubertrankunterricht zu bekommen! Wahrscheinlich auch noch beim alten Slughorn, der mich behandeln wird als wäre ich der Dreck unter Harrys Schuhen." Ron schnaubte verächtlich. „Hermine, du weißt schon, dass ich meinen Kessel schon längst an den Nagel gehängt hätte, wenn ich nicht einen UTZ in Zaubertränke bräuchte um Auror zu werden. Aber das hat sich ja, dank Kingsley, erledigt." Hermine protestierte lautstark.
"Du brauchst fundierte Kenntnisse in Zaubertränken und Verwandlungen und all den Fächern die du für ach so unnötig hältst, nicht nur um für die Aurorenausbildung angenommen zu werden, sondern vor allem wenn es darum geht sie zu überleben! Du brauchst all diese Dinge wenn du erst einmal Auror bist!"
„Genau! Wenn mich ein Todesser angreift, hol ich erst mal meinen Kessel raus und fange an ein Süppchen zu brauen. Oder ich verwandele seine Knöpfe in Käfer, vielleicht fällt ihm dann ja die Hose in die Kniekehlen! Dann hab ich zumindest was zu lachen während er mich verflucht." Ron schmetterte ihre Argumente einfach ab, wie immer wenn klar war, dass Hermine eigentlich Recht hatte. Hermines Blick zeigte ihren Unglauben.
"Und was soll dieser Punkt?", fuhr er einfach weiter fort. "Ich soll wieder Vertrauensschüler werden? Warum sollte ich das tun? Es hat schon beim ersten Mal keinen Spaß gemacht!"
"Gut! Dann lass es halt! Ich dachte dass es dir etwas bedeuten würde, dass McGonagall es uns beiden wieder angeboten hat. Wenn du es nicht machen willst, lehne ich vielleicht auch ab. Dann kann ich mich intensiver aufs lernen konzentrieren. Ich bin mir sicher, nach diesem einen Jahr Pause muss ich nochmal ganz von vorn anfangen mit meiner Wiederholung des Stoffs."
"Na siehst du! Wozu brauchst du mich dann in Hogwarts? Du wirst eh die ganze Zeit nur in der Bibliothek sitzen und lernen!" Ron ließ ihren Arm abrupt los und warf das Pergament auf den Tisch.
"Ich dachte nur...", Hermine wurde leiser, "Ich dachte wir könnten dann wieder so viel Zeit miteinander verbringen, bei den Rundgängen und so." Hermine blickte ein wenig peinlich berührt in die Stille die sich ausbreitete. Sie wich Rons fragendem Blick aus und versuchte ihre Fassung wieder zu erlangen. "Aber du hast vollkommen recht. Ich habe eh keine Zeit dafür, mich mit irgendwem, aus welchem Grund auch immer herumzutreiben. Ich denke nur, dass du deine Schulbildung nicht so leichtfertig vernachlässigen solltest."
Ron funkelte sie wütend an.
"Ich bin also nur irgendwer für dich?"
"Das habe ich nicht gesagt!"
„Doch das hast du!" Hermine schwieg und Ron redete weiter. "Hermine, ich habe es dir schon einmal gesagt und ich sage es wieder. Ich weiß dass es dir nicht gefällt und das es für dich nicht als Argument zählt, aber der einzige Grund weshalb ich nochmal einen Fuß in diese Schule setzen würde, wärst du!"
"Und ich habe dir gesagt, dass es wesentlich mehr und bessere Gründe dafür gibt. Grade du solltest doch deine Schulbildung nicht vernachlässigen!" Sie ließ die flache Hand auf das Pergament krachen und ihre Stimme überschlug sich vor Eifer. "Diese Liste beweist es doch! Alles andere ist doch nur Blödsinn. Ich kann nicht unterstützen, dass du so leichtfertig über deine Zukunft entscheidest!"
"Hör endlich auf mich zu behandeln wie einen dummen, kleinen Jungen!" Ron war aufgesprungen. Seine Fäuste stemmten sich gegen die Tischplatte und er blickte von oben auf Hermine herab. Wenn auch sein Verhalten es nicht immer unter Beweis stellte, seine Statur war deutlich nicht mehr die eines kleinen Jungen. Hermines Augen wanderten von Rons kantigen und ernsten Gesichtszügen, über sein stoppeliges Kinn zu seinem breiten Brustkorb.
"Ob ich nach Hogwarts gehe, oder nicht, ist allein deine Entscheidung, Hermine. Wenn ich mitgehe, dann nur weil ich dich liebe und mir dir zusammen sein will. Das musst du doch verstehen! Ich dachte du wärst so klug!", wetterte Ron durch die Küche.
„Wie kannst du nur so dumm sein und deine Zukunft so leichtfertig riskieren?", war Hermines einzige Reaktion.
„Du hältst mich für dumm? Denkst du wirklich es ist nur eine Dummheit was ich denke und fühle?"
„Ich denke, du versuchst dich rauszureden und den leichteren Weg zu wählen."
Ron warf die Hände hilfesuchend in die Luft. „Was ist denn leichter daran? Nach deiner eigenen Aussage ist es die ‚schwerste Ausbildung in der Zaubererwelt'!"
Hermine setzte schon zu einer wütenden Erwiderung an, aber Ginny legte ihr die Hand auf den Arm.
"Hast du überhaupt gehört, was er gesagt hat, Hermine?", fragte sie vorsichtig und sowohl Hermine, als auch ihr Bruder sahen sie verwirrt an.
"Oh", realisierte Ron plötzlich sein unbeabsichtigtes Geständnis. Sein Kopf nahm innerhalb von Sekundenbruchteilen die Farbe von überreifen Tomaten an. Hermine wirkte immer noch ratlos und sah fragend zu ihren Freunden. Mit einem Kopfschütteln verbat Ron Ginny sich einzumischen. Langsam drehte er sich vom Tisch weg. Er war sichtlich peinlich berührt.
"S' ist schon besser so. Lasst gut sein", murmelte er und verließ mit hängenden Schultern die Küche. Harry und Ginny sahen sich an. Dieses Gespräch war nicht nur rasend schnell eskaliert, es hatte auch eine unerwartete Wendung genommen.
Nun gut, Harry musste sich eingestehen, dass die Erkenntnis, dass Ron Hermine liebte, nicht neu und erst recht nicht unerwartet gewesen war. Aber das er es so vor allen ausgesprochen hatte war etwas anderes. Und Hermine hatte es nicht einmal mitbekommen!
"Ihr beide habt echt ein gutes Timing!", witzelte Ginny, aber ihre Freundin funkelte sie nur verwirrt und verärgert an. Hermine, die bis eben noch wütend am Tisch gestanden hatte, ließ sich wieder auf ihren Stuhl gleiten.
"Ich verstehe noch immer nicht, was hier grade passiert ist. Habe ich etwas nicht mitbekommen?", fragte sie frustriert. Ginny konnte sich das Lachen nicht verkneifen und auch Harry grinste verschmitzt. Endlich mal was, dass die schlauste Hexe ihres Alters nicht begriff.
"Na hör mal! Ron hat doch...", prustete Ginny hervor, doch Harry unterbrach sie. Er hörte wie Ron die Treppen zu seinem Zimmer hochstapfte und schließlich die Tür zuschlagen ließ.
"Lass das mal seine Sache sein! Sowas muss man erstmal richtig rüber bringen. Ich denke nicht, dass wir uns da einmischen sollten, Gin!"
Ginny lachte erneut und schloss dann symbolisch ihre Lippen ab. Frustriert sank Hermine in ihrem Stuhl herunter, während Ginny ihren Arm tätschelte.
"Ist diese ganze Liste zu überhaupt etwas gut?", fragte Hermine schließlich seufzend. So langsam schien sich die kurze Nacht auch bei ihr bemerkbar zu machen, denn sie gähnte herzhaft und ihre Aufmerksamkeit war eindeutig getrübt.
Harry streckte seine Arme in die Luft und begann ebenfalls zu gähnen. Eine gute Mütze Schlaf hätte ihnen allen eindeutig besser getan. Die Entscheidung ob er nach Hogwarts gehen sollte, war für ihn nicht wirklich einfacher geworden. Viele Punkte auf der Liste in Hermines Hand schienen ihm wirklich irrelevant. Wie Ron schon sagte, würde er zurückkehren, nur um sich weiter durch Zaubertränke zu quälen? Klar, Hogwarts war immer sein zu Hause gewesen, aber es wurde auch von bösen Erinnerungen bevölkert. Immer noch träumte er fast jede Nacht von den Toten und dem Grauen im verbotenen Wald. Wollte er tatsächlich an den Schauplatz seiner Albträume zurückkehren?
Er sah Ginny an. Wenn er die süße, rothaarige Hexe, die ihm gegenüber saß, in seine Überlegungen einschloss, schienen doch wieder beide Möglichkeiten interessant zu sein. Es hatte schon seinen Reiz sich vorzustellen, wie er ein letztes, ruhiges Jahr in dem Schloss verbringen würde, das so lange sein einziges Zuhause gewesen war. Zu gern würde er noch einmal mit Ginny über das Schloßgelände laufen und geheime Dates im Raum der Wünsche haben. Doch Harry war sich nicht sicher, ob diese, nicht wirklich unschuldigen Motive ausreichen sollten, um seine Entscheidung zu fällen.Sie saßen stumm da, alle in ihre eigenen Gedanken vertieft, als ein dunkler Schatten vor dem Fenster Harry aufschrecken ließ.
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ENTSCHULDIGT das es sooo verdammt lange gedauert hat. Ich krieche zu Kreuze. Mein neuer Job und alles, haben mich wesentlich mehr beansprucht als gedacht.Ich habe jetzt allerdings ein wenig vorgearbeitet, sodass ich mich freue euch im neuen Jahr auch zeitnah weitere Teile hochladen zu können.
bis ganz bald!
Eure Karin
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Harry Potter und die verlorene Zeit
FanfictionDer Krieg ist endlich vorbei, eine Zeit des Wiederaufbaus beginnt. Doch für Harry Potter, den Jungen der überlebte, starb und wieder lebt, wird es Zeit erwachsen zu werden. Und das ohne jemals eine richtige Kindheit oder Jugend gehabt zu haben. Die...