Die Halle war groß.
Riesig.
Gigantisch.
Eine Einheit für sich.
Sebastian wusste gar nicht, in was für Dimensionen seine Mutter eigentlich arbeitete. Das wurde ihm kläglich bewusst, als Robin den grauen Opel Adam auf dem Parkplatz der halbwegs fertigen Ski-Halle parkte. Das Gebäude musste bestimmt mehrere hundert Meter lang und mindestens 70 Meter hoch sein.
"Komm, Sebby, Guiseppe wartet schon auf uns", lächelte Robin und nahm die Hand von ihrem Sohn. Sebastian ließ sich wortlos mit in den * hier bitte krasse Maßeinheit einfügen * Komplex ziehen. Der Eingangsbereich war beinahe vollkommen ausgestattet, der Tresen mit mehreren Kassen stand bereits, es standen Sofas, Sessel, Tische bereit und sogar einen Fahrstuhl konnte Sebastian ausmachen. "Gui wartet in der Schwimmhalle auf uns."
Wie jetzt? Ski-Resort und Schwimmhalle in einem? Was war das?
Bastis Verlangen, sofort zurück nach Pelican zu fahren und sich in Calums Arme zu werfen, wuchs von Minute zu Minute, die er und seine Mutter die langen Flure des Komplexes entlang liefen. Warum hatte Robin diesen Job eigentlich angenommen? Das war doch sonst nicht ihr Stil, in so großen Dimensionen zu bauen.
"Robin, Sebastian, da seid ihr ja endlich!" Eine Frau mit platinblonden Haaren kam auf Robin und ihren Sohn zu. In den Armen hielt sie drei Klemmbretter und eine braune Schachtel, auf der so etwas wie 'Pour mon chéri' stand. Keine Ahnung, was das heißen sollte, aber Sebastian gefiel der Satz irgendwie.
"Tut mir leid, der Verkehr hierher ist einfach grausam", prustete Robin völlig außer Atem und ließ sich von der Frau umarmen. Als die beiden sich wieder lösten, fiel der Blick der unbekannten auf Sebastian. Lächelnd hielt sie ihm ihre Hand hin.
"Es freut mich, dich endlich kennenlernen zu dürfen, Sebastian. Ich bin Patricia", lächelte sie. Basti erwiderte lediglich ein 'Freut mich auch', als er ihre Hand schließlich schüttelte. Kurz musterte er die Frau: sie war nicht viel älter als Sebastian, wenn es hochkam war sie erst 25. Ihr Lächeln war ehrlich und nicht so, wie das Lächeln von Abigail, Penny oder den Schwestern. Es war einfach und einfach ehrlich.
"Tricia, wo ist Guiseppe denn jetzt?", unterbrach Robin den Moment und sah ihre Kollegin fragend an.
"Der wollte gleich los zu den Saunen", antwortete diese und ließ Sebastians Hand los. "Na dann kommt mal mit." Patricia lief los, weiter den Gang entlang geradewegs auf einen weiteren Fahrstuhl zu. Sebastian und Robin folgten ihr schnellen Schrittes. Bastis Blick fiel immer wieder auf die Schachtel die die Frau in ihrem Arm hielt. 'Pour mon chéri'. Was das wohl hieß?
"Hat Jakob die Paletten bestellt?"
"Jap."
"Und Danbi die Pfähle und Zäune?"
"Natürlich hat sie das."
"Was ist mit Julien und den-"
"Ja, Julien hat die Regale bestellt. Mach dir keine Sorgen, Robby, es läuft alles nach Plan", lachte Patricia und reichte ihrer Kollegin ein Klemmbrett rüber. Die Liste ist so gut wie abgehakt, wir warten nur noch auf die Rampen, dann können wir den Schnee bestellen." Robin atmetete erleichtert aus und blätterte durch die Seiten des Klemmbretts. Schließlich nickte sie.
"Also gut, wir liegen in der Zeit", murmelte sie dann, während Patricia eine große Glastür aufstieß. Sebastian schlug sofort eine gewisse Wärme entgegen, die er aus dem Schwimmbad kannte. Der Unterschied war, dass in diesen vielen, großen Schwimmbecken noch kein Wasser war. "Wenn wir in den nächsten zwei Wochen-"
Ab diesem Punkt schaltete Sebastian einfach ab. Er wollte seiner Mutter und dieser Patricia nicht mehr hinterherlaufen. Stattdessen verlangsamte er sein Tempo und blieb schließlich stehen. Die beiden Frauen verschwanden durch eine Tür, über welcher ein Schild mit 'SAUNEN'-Schriftzug aufgehängt war. Seufzend setzte sich der dunkelhaarige an eines der großen Wasserbecken und ließ die Beine die knapp zwei Meter lange Wand herunterbaumeln. Das Surren der Heizung war laut genug, dass Basti es nicht verdrängen konnte. Egal, an welchen Song er dachte, ob 'Still got flair' von den Miscreants, 'Paper Airplanes' von Highway 89 oder 'Neverland' von Jakayla: das Surren konnte keiner übertönen.
"Um kurz vor acht hab ich nicht an dich gedacht, um kurz vor acht hab ich nicht an dich gedacht, gelegentlich, denk ich gar nicht mehr an dich, gelegentlicht, nicht."
Warum musste Sebastian jetzt daran denken?
"Du kannst gerne weitersingen."
Sebastian zuckte zusammen und drehte sich zur Mädchenstimme um. Hinter ihm stand ein Mädchen mit langen, kupferfarbenen Haaren in einem rosafarbenen Pulli. Lächelnd setzte sie sich neben Sebastian und faltete die Hände ineiander.
"Äh, ich kann den Text nicht weiter, sorry", murmelte Basti schließlich und wendete den Blick vom Mädchen ab.
"Schade, du kannst echt gut singen", antwortete sie leicht enttäuscht, zuckte mit den Schultern und ließ ihren Blick in Richtung Wasserrutsche gleiten. "Ich bin übrigens Sienna, du bist wohl Sebastian, stimmts?"
"Anscheinend weiß hier ja jeder, wer ich bin."
Sienna lachte herzahft. Ihre Lache hallte in der leeren Halle wieder und wieder.
"Naja, sowas spricht sich eben schnell herum, wenn der Sohn einer der leitenden Führungskräfte für dieses Bauprojekt mit dabei ist", zwinkerte sie. "Außerdem; Guiseppe ist mein Vater, ich war die erste, die das erfahren hat."
"Du? Guiseppes Tochter?", murmelte Sebastian überrascht, zog die Augenbrauen hoch und sah Sienna an. "Hätte ich jetzt nicht gedacht."
"Ja, ich weiß, wir sehen uns nicht gerade ähnlich", sagte sie und band ihre Haare zusammen. "Das höre ich oft."
"Naja, ich weiß ja nicht, wie Guiseppe aussieht", lachte Sebastian dann. "Hab mich von Mum und Patricia abgelöst, war mir zu langweilig." Auch Sienna musste nun wieder lachen.
"Gute Entscheidung", grinste sie und machte sich daran, die Leiter ins Becken hinab zu klettern. "Als ich das erste Mal dabei war, bin ich beinahe eingepennt! Miss Miller hat ununterbrochen geredet, meine Güte, so nett diese Patricia auch ist, das war zu viel!" Die beiden grinsten sich an, als Sienna schließlich auf dem Beckenboden ankam. Mit einer Handbewegung deutete sie Sebastian, ebenfalls hinunter zu kommen. Dieser tat genau das nach wenig Überlegung und ging mit Sienna dann in die Richtung, in welcher das Becken immer tiefer wurde.
"Übrigens, dein Pulli gefällt mir echt gut."
"Hä, wieso denn?"
"Weil das mit Harry Potter zutun hat."
Verwirrt sah Sebastian an sich hinunter und musterte den grauen pullover. Sie hatte recht, der Pulli war nicht nur grau mit einem roten Aufdruck, der rote Aufdruck waren zwei gekreuzte Besen mit einem 'Quidditch'-Schriftzug.
"Oh, äh, das ist nicht mein Pulli, ich bin nicht so der Harry Potter-Fan", erklärte Sebastian und ließ sich dann auf dem Boden nieder. "Das ist der Pulli von-"
Fuck, was sollte er denn jetzt antworten? Calum war nicht sein Freund, aber nicht nur ein Freund!
"Uh, hat da jemand einen Freeuund?", grinste Sienna schelmisch und setzte sich Sebastian gegenüber. Sebastian wich ihrem Blick aus. Was sollte er denn antworten? Er war sich nicht einmal sicher, ob Sienna das ernst meinte oder ihn nur aufziehen wollte. Und als Sebastian nicht antwortete, verschwand Siennas Grinsen aus ihrem Gesicht und beschämt rückte sie ein wenig zurück. "Tut mir Leid, Sebastian, ich wusste nicht, dass du-"
"Schwul bist?", schmunzelte Sebastian und hob langsam wieder den Blick. "Naja, ich weiß nicht, was das zwischen Calum und mir ist und ob es Liebe ist, also mach dir keine Sorgen, Sienna."
Er hatte keine Ahnung, warum er das sagte, aber genau dies überhaupt zutun, war unheimlich befreiend.
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Sebastian | SDV FF
Fanfiction"Und warum hast du mich jetzt geküsst?" Sebastian zog die Augenbrauen hoch und sah zu Calum. Dieser fuhr sich nervös lachend durch die Haare und sah auf den Fluss. "Ich habe die schlechte Angewohnheit, Leute zu küssen, wenn sie traurig sind." ...