Der schrecklich gute Poetry Slam

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POV Lina

Mit nassen blonden Haaren kam ich aus der Dusche, ging gleich zu meinem Kleiderschrank und zog ein schwarzes Kleid mit weißem Kragen heraus, was mir bis zur Mitte der Oberschenkel ging. Schnell zog ich mir schwarze knielange Strümpfe an. Ich fasse es noch immer nicht, dass ich zu diesem Scheiß hingehen würde. Genervt zog ich meinen Ledermantel an und begab mich auf dem Weg zum Gemeinderaum unserer Stadt. Ich strich mir noch eine dunkelblonde Strähne hinter mein Ohr und öffnete langsam die Tür.

Sofort wurde ich von einer ekelhaften Wärme eingehüllt. Wie ich Menschen hasse! Und hier waren auch noch so unglaublich viele. Flach atmend drückte ich mich durch die Menge, während ich die ganze Zeit auf meinem Kaugummi herumkaute. Wieso war ich überhaupt her gekommen?

Mein Blick strich durch den Raum, um irgendeine interessante Person zu erhaschen, doch leider waren hier einfach zu viele lebende Körper. Also setzte ich mich auf einen Stuhl und betrachtete das Podium, auf dem gleich der Poetry Slam beginnen würde. Und das alles nur, weil meine Psychiaterin meinte, dass Umgang mit Menschen mir gut tun würde. Und plötzlich berührte etwas meinen Arm. Ich sah blitzschnell zur Seite, doch da war nichts. Mein rasendes Herz beruhigte sich wieder und ich ließ mich entspannt auf in den Stuhl fallen. Vielleicht war ich ein bisschen paranoid... aber auch nur ein bisschen.

Plötzlich erblickte ich etwas weiter hinten, einen ungefähr 1,75m großen Jungen. Er saß hinten auf dem Bühnenrand und wartete anscheinend, bis er dran war. Langsam ließ er seine Augen über die Menschenmenge gleiten. Es kommt mir so vor, als würde er jeden einzelnen Zuhörer genau mustern.

Und auf einmal sah er mir direkt in die Augen. Seine braunen Augen blickten direkt in meine. Ich kam mir beobachtet vor, was ich ja auch irgendwie war. Das Atmen fiel mir erheblich schwerer und ich fuhr mir durch die blonden Haare.

Er atmete einmal tief ein und aus und trat dann ans Mikrofon heran. Ich sah ihm an, dass er unruhig ist, doch dann schaute er auf die Seite.

"Ich stelle heute das Gedicht namens Zwielicht vor und ich hoffe, es bleibt euch ihm Ohr."

Er lächelte, woraufhin ich die Augen verdrehte. Wenn sich hier alle für so witzig halten, gehe ich sofort!, dachte ich und schlug das Bein über das andere und schaute gelangweilt. Dann hob der wieder seine Stimme:

"Nach einem langen Schultag wollt' ich geh'n,

doch blieb ich vor einer Gasse steh'n.

Eine einzige Laterne leuchtete schwach,

die Stimmung machte meinen Atem ganz flach.


Ein Mann, er lief tief gebeugt, wie ein Hund,

sein schwarzer Mantel flatterte um ihn herum.

Böse Worte legte der Mann in seinen Mund.

Ein mysteriöses Bild in der Dämmerung.


Vor Angst vor dem Mann erstarrte ich schnell,

denn sein plötzliches Lachen erschien mir grell.

Ich wagte einen Blick in die Gasse hinein,

und am Ende stand ein Mädchen, ganz klein.


Vor Angst kauerte das Kind an der Wand.

Die Flucht der LooserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt