Jess glaubte, vor Vorfreude zu explodieren, genau hier, auf der Rückbank des Geländewagens. In den Händen hielt sie einen schweren Bogen aus glänzendem, dunklem Holz.
"Nur, damit das klar ist", Rat lehnte sich zu ihr herüber, "Du bist nur da, um uns heute die Waffen hinterher zutragen. Das da ist meiner."
"Ja ja, natürlich!"
Jess nickte, konnte aber ihr Strahlen nicht verbergen.
Es war doch vollkommen egal, was sie tat. Hauptsachen, sie war dabei!
Die spannenderen Aufgaben würden schon noch kommen, mit der Zeit - sie musste sich nur gut anstellen, heute.
Su saß still neben ihr und blickte aus dem Fenster.
Es war nie leicht, Emotionen von ihrem Gesicht abzulesen, aber Jess war sich beinahe sicher, dass sie angespannt dreinblickte.
War sie etwa nervös? Das kannte sie von Su gar nicht!
Aufmunternd stieß sie sie an und blinzelte ihr verschwörerisch zu. Su verdrehte die Augen. Und schüttelte den Kopf.
Dann eben nicht.
Duke drehte am Lautstärkeregler des Autoradios herum.
"Versuchst du einen Sender reinzukriegen?", skeptisch legte Jess den Kopf schief.
"Das ist der Laustärkeregler", Kate, die auf dem Beifahrersitz saß, warf ihr über den Rückspiegel einen belustigten Blick zu, "und außerdem kein Radio."
Jess stutzte: "Was dann?"
Kate wandte sich tadelnd and Duke: "Du hast ihnen nichts davon erzählt?"
"Sollte ich?"
Kate seufzte und schüttelte ihren Kopf.
"Du bist ein echter Kindskopf, weißt du das?", seuftzte sie.
"Was ist denn?", schaltete Su sich misstrauisch ein.
"Nichts", Kate drehte sich zu den beiden um, "Unser Radio ist kein Radio, sondern ein Ortungsgerät für gewisse Schallfrequenzen. Aber das hat dieses Genie euch verschwiegen."
"Orten wir die Schallfrequenzen, auf denen Fledermäuse arbeiten?", fragte Su.
"Genau!", Kates Blick hellte sich auf, "wir fangen ihre Frequenzen auf. Natürlich fliegen hier bei Nacht überall lauter absolut harmlose Exemplare herum, aber größere Ansammlungen sind schon verdächtig. So wie..."
Das Radio stieß mit einem Mal ein hohes Fiepen aus.
"So wie das", Kate drehte sich zurück nach vorne, "festhalten Mädchen, jetzt gehts los."
Duke zog neben Jess etwas aus seiner Tasche, dass wie ein verstaubtes Navi aussah, dass in Panzertape eingewickelt worden war.
"Blossom's park", sagte er nur, nach dem er ein wenig auf dem Bildschirm herumgewischt hatte.
"Vertanden", Duke riss das Lenkrad herum und bog scharf in eine engere Seitenstraße ein.
Der Motor heulte auf, als er sogar noch mehr Gas gab als zuvor.
"Du grinst als wärst du irre", merkte Rat mit einem Blick auf Jess an.
"Was? Blödsinn", Jess bemühte sich, das breite Strahlen, dass sich in ihren Gesichtsmuskeln einbetoniert hatte, aus ihren Zügen zu verdrängen.
Du bist Jäger, Mädchen! Verhalt dich so!
Angestrengt kniff Jess ihre Augen zusammen, um ein ernsteres Aussehen zu generieren. Das war ihre Nacht heute. Ihr Augenblick heute würde sie...
Su hatte ihren Gesichtsausdruck in der Fensterscheibe des Autos entdeckt und brach in ein leises, prustendes Lachen aus.
Jess reckte sich weiter in die Höhe.
Heute Nach war ihre Zeit gekommen!"Pssht!", zischte Duke über seine Schulter zurück.
"Ich bin doch lei..."
"Pssht!!"
Stumm verdrehte Jess die Augen und schlich weiter hinter den anderen her.
Sie passte doch auf!
Dass sie hier eine große Sammlung an Fledermäusen geortet hatten bedeutete gar nichts, wie Kate erklärt hatte.
Es war gut möglich, dass es sich um einen wilden Schwarm handelte, der nicht im Dienst eines Vampires stand.
Und selbst wenn sie es taten: wohlmöglich kreisten sie einfach nur in der Umgebung ihres Herrn umher und er selbst war ein paar Straßenzüge entfernt.
"Es ist kein besonders großer Schwarm", hatte Rat zu Kates Erklärung hinzugefügt, "Es ist wohl kein hochrangiger Blutsauger. Das sollte zu schaffen sein."
"Mach es dir nicht zu einfach", hatte die mit hochgezogenen Augenbrauen geantwortet, "Du weißt, wie gerissen sie sind."
Im Dunkeln versteckt, rief Jess sich in Erinnerung, was Duke ihnen über die Organisation der Vampire erzählt hatte: Ursprünglich hatten sie sich hirachisch unter dem "Grafen", dem Anführer der Vampire angeordnet, aber seit dessen Herrschaft zerschlagen war, hatte diese Gesellschaft sich zerfasert, obwohl einige Exemplare immer noch daran und an ihrem alten Rang festhielten.
Ob das auch für diesen hier galt? Sie würden es herausfinden.
Sie hätte gerne in einen Spiegeln geblickt, um zu überprüfen, ob in ihren Augen auch das Jagdfieber blitzte.
Duke wandte sich zum Rest der Gruppe um und machte eine kreisende Bewegung mit dem Finger.
Rat zog Jess an der Schulter bei Seite: "wir teilen uns auf", erklärte leise er, "du kommst mit mir."
"Ok, und was...?"
"Pshhht!"
Sieh zu und schau, was du lernen kannst, hatten sie gesagt.
Jess hatte nicht gedacht, dass es so leise dabei zugehen musste.
Natürlich muss es leise sein, du idiotin,
Schalt sie sich selbst, irgendwo hier lauert ein Vampir herum.
Ärgerlich, dass dieser Umstand ihr immer noch nicht in den Kopf wollte, biss Jess sich auf ihre Lippen.
So leise, wie sie konnte, schlich sie hinter dem Jäger her.
Sie hielten sich an das Buschwerk, das sich wie einen Ring um den Park zog. Die Grünfläche selber leuchtete beinahe weißlich im Mondlicht - abgesehen von dem ominösen Schatten, den der kreisende Fledermausschwarm warf, der jetzt auf einmal ins Sichtfeld gekommen war.
"Da...", Jess stockte der Atem und sie deutete in die Richtung, in der sie das Phänomen ausgemacht hatte.
"Ich weiß, ich weiß", wisperte Rat zurück und drehte etwas nervös am Ziffernblatt seiner Uhr herum.
Stille.
"Warum tun wir denn nichts?", Jess sprürte, wie sich ihre Fingernägel in das Fleisch ihrer Handfläche gruben und ihr Puls zu rasen begann.
Sie konnte es kaum erwarten, ihn die Vampirjäger in Aktion zu sehen. Richtig in Aktion, nicht nur den finalen Schuss wie beim letztem Mal.
Worauf warteten sie?
"Was glaubst du, was er hier gerade tut?", zischte Rat.
"Ähm... ich weiß nicht... Vampirding..."
"Was glaubst du, warum lässt er seine Fledermäuse eine Show abziehen als wären wir in einem schlechten Horrorfilm?", fragte er weiter, ohne sie ausreden zu lassen.
"Ähm... Gewohnheit? Vielleicht..."
"Blödsinn", Rat schüttelte den Kopf, "entweder das hier ist einer von den ganz verstaubten, oder er weiß, dass wir hier sind."
Für einen Moment glaubte Jess, ihr Herz setzte aus.
"Was?"
"Überleg doch einmal", Rat deutete auf die bedrohliche Zusammenballung von Fledermäusen am Nachthimmel, "wenn du wüsstest, dass du von einer Gruppe von Leuten umgeben bist, die dir an den Kragen wollen, wäre das nicht genau das, was du machen würdest? Dich an einen Ort stellen, wo sie keine Chance haben, an dich heran zu kommen ohne gesehen zu werden und sie dann wissen lassen, was passiert, wenn sie dir zu nahe kommen?"
Ja, doch, gab Jess ihm im Stillen Recht, jetzt wo er es sagte war das genau, wonach das hier aussah.
"Also?"
"Ich weiß noch nicht", Rat kaute auf seiner Unterlippe und tippte auf seinem Handy herum, "die Operation wird größer als gedacht. Warte mal..."
"Was ist?"
"Hm", Rat's Mundwinkel zuckten verschmitzt, "sieht ganz so aus, als hätten du und deine Freundin doch noch eine größere Aufgabe heute."
Yesss!
"Was sollen sie machen?", Jess festigte ihren Griff um Rat's Bogen.
"Wir probieren was Neues aus", Rat zog etwas, das wie eine kleine Kabeltrommel mit einer Kurbel daran aussah, aus seinem Rucksack.
"Normalerweiße muss man gegen Fledermäuse mit Blitzlichtern vorgehen oder Feuer oder so. Unangenehm, auffällig. Das hier arbeitet mit Sound", er deutete auf die Kurbel, "bleib in Deckung, folg uns in einigem Abstand und dreh so kräftig daran, wie du kannst. Oh, und ja", er warf ihr eine Kette aus Knoblauchzehen zu, "häng das um. Altmodisch, aber effektiv."
Dann griff er nach dem Bogen und schoss seinen ersten Pfeil in die Nacht.
Jess blickte auf das Gerät in ihrer Hand und spürte, wie sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete.
Best night ever.
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Batsong
VampireWürde man Jess Leben beschreiben wollen, wäre das erste Wort, das einem einfallen würde, vermutlich "zufriedenstellend" oder auch "beneidenswert", je nachdem, wenn man denn fragen würde. Tatsächlich gibt es nicht viel, über das die Schülerin sich be...