John Paul Mary, das war mein Name. Meinen bürgerlichen Namen Michael Patrick Kelly hatte ich abgelegt. Genau wie meine alte Kleidung und alles was ich aus meinem früherem Leben noch besaß. Nun stand ich vor dem Spiegel in meinem Zimmer im Convent des St. John in Saint Jodard im Burgund und sah mich an. Ich erkannte den jungen Mann kaum, der mich daraus anblickte. Ich hatte stark abgenommen. Meine Wangen waren eingefallen und meine Hautfarbe glich einem Camenbert. Mir ging es in letzter Zeit nicht so gut und ich hatte immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Oft ging es mir so schlecht, das ich meine gemeinschaftlichen Arbeiten nicht verrichten konnte und einer meiner Ordensbrüder sie übernehmen musste.
Ich sah mich im Zimmer um. Obwohl das Wort Zimmer war wohl etwas übertrieben und traf es nicht im geringsten. Es war kaum größer, als die Schlafkammer, die ich mir mit meinem kleinen Bruder damals auf unserem Schiff teilte. Das Fenster ließ zwar ausreichend Licht hinein, aber es war sehr karg und wenig einladend. Es stand nur ein altes Holzbett, ein länglicher Tisch mit einem Stuhl, einer Betbank und einer kleinen Kommode drin. Der Ausblick aus dem Fenster wiederum, entschädigte für einiges. Das Convent lag mitten in einer grünen Landschaft direkt in einem Tal, umgeben von Berghängen auf denen herrliche Weinreben wuchsen. Diese Gegend war bekannt für ihren fantastischen Wein. Der kalkhaltige Boden, die Sonne die auf die Hänge fiel und der Wind der sich im Talkessel erwärmte und dann sanft über die Reben strich, waren perfekt für den Weinanbau und fast jeder der Einwohner in den umliegenden Dörfern baute Wein an. Entweder zur Vermarktung oder dem Eigengebrauch. Manchmal bekamen wir einige Kisten Wein geschenkt und hin und wieder ließen wir uns die ein oder andere Flasche zum Essen schmecken. Eigentlich trank ich kein Alkohol, beziehungsweise wenig, aber dieses Glas Wein ab und zu, ließ ich mir nicht nehmen.Seit drei Jahren lebte ich nun hier. Ich hatte alles hinter mir gelassen. Früher war ich sogenannter "Mädchenschwarm" und gefeierter Musiker. Als "Kelly Family" feierte ich mit meinen Geschwistern große Erfolge. Wir standen auf vielen Bühnen, füllten riesige Hallen, ich war auf etlichen Bravo Covern zu sehen und kannte alle großen Stars persönlich.
Wieder blickte ich in den kleinen Spiegel und fuhr über meine raspelkurzen Haare. Früher trug ich sie lang und die Mädchen standen total drauf. Mein Bruder John fing als erstes damit an sich die Haare wachsen zu lassen. Und wir anderen taten es ihm gleich. Damals in den 70igern war es ein Ausdruck von Rebellion der Jugend. Ich glaube aber nicht, das das Johnnys Intention war. Als lange Haare irgendwann wieder out wurden, machten wir einfach weiter. Leider wurden wir wegen dieser langen Haare und unseren eher ungewöhnlichen Outfits, die doch ziemlich Hippie mäßig waren, immer wieder zum Gespött. Und nein, privat liefen wir nicht so rum, obwohl es Fotos von mir gibt, auf denen ich schon ziemlich schräge Klamotten Kombis trug, aber ich machte mir halt nichts aus Mode.
Michael Patrick Kelly, sagte ich leise vor mir her, als hätte ich Angst ihn zu vergessen. Er war ein Teil meiner Vergangenheit und klang so als verblasste er langsam. Seit ich hier lebte, nannte mich niemand mehr so.
Kelly, ein Name der Fluch und Segen zu gleich war. Ich wurde in eine Musikerfamilie hineingeboren. Mein Weg stand fest. Im Alter von 10 Tagen war ich das erste Mal auf einer Bühne. Mein Vater wurde in den Staaten geboren. Er war dort Lehrer. Aber er war auch ein Visionär, ein Tagträumer. Er wurde Vater und merkte das er dieses Leben, zwischen Familie und Arbeit, nicht mehr ertrug. Er wollte frei sein. Seinen Kindern die Welt zeigen. Die festgefahrenen Strukturen in den USA wurden ihm zu eng, deshalb zog er mit seiner ersten Frau Joanne und ihren vieren Kindern, Paul, Danny, Caroline, Kathy, sowie ihrer Haushaltshilfe Barbara Ann, nach Europa. In Spanien wurden sie seßhaft. Komisch, ein Kelly und seßhaft. Zwei Worte, die sich in einem Kontext merkwürdig anhören.
Mein Vater eröffnete ein Antiquitäten Geschäft und Barbara Ann half ihm dort. Sie verliebten sich und so begann die eigentliche Kelly Geschichte. John wurde geboren, dann folgte Patricia, Jimmy, Joey, Barby, ich, Maite und Angelo. Dads erste Frau verließ ihn und ging zurück in die USA als Mom mit Patricia schwanger war. Meine älteren Geschwister fingen damals in Spanien schon unter dem Namen "Kelly Kids" an auf der Straße Musik zu machen. Während eines Urlaubs in Italien, noch vor meiner Geburt, wurden uns alles Hab und Gut gestohlen, nur unsere Instrumente waren noch da. Um Geld für Essen zu bekommen, hatte mein Vater die Idee auf der Straße zu spielen. Sie waren ziemlich erfolgreich und mein Vater wusste, das sich nun einiges ändern wird.
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Zwischen den Welten
FanfictionPaddy Kelly, ehemaliger Mädchenschwarm und Mitglied der Kelly Family, hat genug vom Rampenlicht, vom Leben auf der Überholspur. Er fühlt sich leer und ist auf der Suche nach sich selbst. Er trifft eine Entscheidung und geht ins Kloster. Aber ist das...