Eine verletzte Seele

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Der Wecker klingelt und reißt mich aus meinem unruhigen Schlaf. Mit verschleiertem Blick schlage ich meine Bettdecke zurück und merke die Kälte kaum, die mich schlagartig umgibt. 
Meine Augen sind gerötet vom vielen Weinen und meine Gedanken zerfetzen mein Herz. Erinnerungen von meiner kleinen Tochter blitzen vor meinem inneren Auge auf. Schluchzend schleppe ich mich in die Küche. Ich sitze am Tisch und starre die Wand vor mir an, die Stille erdrückt mich.



Ich sehne mich nach dem Gelächter meiner kleinen Tochter, ihre aufblitzende Freude in ihren strahlend blauen Augen und ihre kleine Zahnlücke in der oberen Zahnreihe. Auf dem Weg zur Arbeit schauen mir die Leute nach. Ich spüre ihre mitleidigen und fragenden Blicke in meinem Rücken.
Sie wissen nicht, dass sie eine Mutter mit gebrochener Seele sehen. Eine Mutter die ihr kleines Kind verloren hat. Eine Träne rinnt meine Backe herunter. Ich wische sie mit meiner zitternden Hand ab und laufe eilig weiter.
Es ist mittlerweile 07:30 und der Nebel wabert noch durch die Straßen.
Die Leute huschen an mir vorbei, ihr Blick auf ihre tickenden Armband-uhren gerichtet. Als ich an einer grauen Mauer vorbeilaufe, bleibe ich stolpernd stehen. Mein Blick klettert die kantigen Steine nach oben und bleibt an dem Stacheldrahtzaun hängen. Die Stacheln glänzen silbern, sie scheinen mich auszulachen und die Zähne nach mir zu fletschen. Ich stehe reglos da, mein Atem zittert und bildet kleine Wölkchen in der eiskalten Winterluft. Mein Blick klettert langsam weiter und bleibt an den grauen vergitterten Fenstern hängen.
Ich denke an die Gefängnis Zellen und an die Leute die dort gefangen sind.
Und ich denke an den Mann, der mir meine Tochter genommen hat.  Eiskalte Erinnerungen kriechen in mir hoch und lassen mein Blut gefrieren.
Ich fange an zu zittern als mir die Bilder wieder vor meinem inneren Auge auftauchen. Ich höre wieder die Schmerzensschreie der Menschen, die von einer Kugel getroffen wurden. Die vermummten Gestalten die mit Maschinengewehren ein Menschenleben nach dem anderen auslöschten. Und dann sehe ich wieder diesen Mann, wie er auf meine Tochter zielte, abdrückte und traf. Mein Herz zieht sich zusammen als ich das viele Blut vor meinem inneren Auge sehe. Ich ringe nach Luft und balle meine Hände zu Fäusten als ich wieder den unerträglichen Schmerz in meinem Herz spüre.                      Meine Augenlieder flattern und die Umgebung dreht sich als ich in dunkle Finsternis falle.
Als ich wieder zu mir komme, ist um mich nichts als Finsternis. Ich stehe schwankend auf und taste mich durch den dunklen Gang. Am Ende des Tunnels schimmert ein sanftes Licht.  Geblendet von der Helligkeit stolpere ich auf das Ende zu und schnaufe vor Anstrengung. Ich erkenne einen Umriss von einer kleinen schmalen Person die am Ende des Tunnels steht. Als ich das Ende des Tunnels erreiche, umhüllt mich wallende Wärme und der felsenschwere Schmerz wird leicht wie eine Feder. Als ich aufschaue, steht vor mir meine kleine Tochter, die schwarzen Haare fallen ihr glänzend über die Schulter und ihre blauen Augen leuchten.
Sie nimmt meine Hand und lächelt mich an. Dann führt sie mich in das helle Licht und ich folge ihr mit leichtem Herzen.
Es ist stürmisch und der Regen prasselt unbarmherzig auf die herumrennenden Menschen. Ein Mann rettet sich in ein Kaffee und hängt seine triefnasse Jacke an der Garderobe auf. Er bestellt einen warmen Espresso und eine Zeitung. Als er seine kalten Hände an der dampfenden EspressoTasse aufwärmt
und die Zeitung durchblättert, bleibt sein Blick an einem Bericht hängen. Heute Morgen hatte eine Frau im Alter von 40 Jahren einen Herzinfarkt und ist zusammengebrochen. Jemand rief den Krankenwagen doch es war schon zu spät. Sie ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 09, 2019 ⏰

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