63|der Bösewicht

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»Lust auf den Chinesen? -Enes«

~

Wir wollten uns im Restaurant treffen, weil ich es so wollte.
Mit jedem weiteren Treffen würde ich versuchen es deutlicher zu machen, in der Hoffnung, dass er es verstehen würde. Ich brauchte einfach Geduld, das war alles. Irgendwann würde er das schon verstehen und mich loslassen.

Ungeduldig trommelte ich mit meinen Fingern auf dem Tisch und sah auf das kohlensäurehaltige Getränk im Glas vor mir. Erst seit fünf Minuten saß ich hier und war sogar zu früh da, weil meine Vorlesung früher aufhörte als ich dachte, also machte ich mich auch früher auf den Weg.
Es waren nicht viele Kunden hier. Bloß eine Gruppe von Kindern und ein junges Paar. Und natürlich ich, ganz alleine an einem kleinen Tisch, wartend.

Als hätte er es gespürt öffnete sich die Glastür und die Klingel läutete, als die Türkante an sie knallte. Sofort drehte ich mich um und sah zur Tür. Erschrocken hielt ich den Atem an und sprang von meinem Stuhl. Mein Stuhl kratzte am Boden und fiel anschließend auf den Boden.
Alle sahen zu mir genau wie Enes.

Was war nur passiert?
Sein Gesicht war total verunstaltet. Seine Unterlippe war aufgeplatzt, ein lila Fleck machte sich am Mundwinkel breit, genau wie am Auge und am Kiefer. Dazu war ein Bluterguss um sein Wangenknochen und das rechte Auge bekam er kaum auf.
Dazu kam noch, dass ein riesiges Verband um seine Nase gewickelt war.
War die gebrochen?
Einige Wunden und Kratzer mit getrockneten Blut waren verteilt auf sein Gesicht.

Er kam auf mich zu und umarmte mich. Erstarrt blickte ich weiter vor mich und hatte die Arme angewinkelt, doch erwiderte es nicht. Enes ließ mich wieder los und sah mich wehleidig an.

„Was..", murmelte ich so leise und bewegte meine Lippen kaum während ich mit riesigen Augen seine schlimmen Wunden ansah. Er seufzte und deutete auf den Tisch. Benommen hob ich meinen Stuhl auf und wir setzten uns gegenüber voneinander.
Er legte seine Hände auf dem Tisch ab und ließ zu, dass ich alles genauestens beobachtete. Ich konnte es nicht fassen. Wurde er verprügelt?

„Also erstmal möchte ich, dass du ruhig bleibst.", fing er an und wusste genau, dass ich nicht ruhig bleiben würde,„Das sieht schlimmer aus als es das ist." Auch ich legte meine Hände auf den Tisch und lehnte mich vor, mit besorgtem Gesichtsausdruck.

„Enes wer war das?", flüsterte ich und er schien nicht antworten zu wollen, da er das Gesicht verzog und den Blick von Mr abwandte.
Er seufzte bedrückt.

„Kenan.", antwortete er. Mein Mund fiel mir auf und ich starrte ihn bloß an.
Wut stieg in mir auf.
Was dachte sich Kenan dabei auf Enes loszugehen? Er konnte ihn nicht leiden, das war eine Sache, doch ihn so zu verprügeln war doch einfach unglaublich! Was war nur los mit ihm?

„Wie Kenan? Wieso sollte er das tun? Verdammt Enes jetzt erzähl das doch vernünftig!", fauchte ich und er nickte stumm, sah dabei auf seine Hände. Sofort fühlte ich mich schlecht, weil ich ihn nun so anfauchte obwohl er doch derjenige war, der all diese Wunden und Narben im Gesicht hatte.
Ich wendete den Blick ab und schüttelte abwesend den Kopf.

„Ich war mit paar Freunden im Klub. Die kennst du noch nicht, aber auf meinem Geburtstag wirst du sie schon kennenlernen.", erzählte er und schon machte ich mir Gedanken darüber, dass er in wenigen Wochen schon Geburtstag hatte,„Wie auch immer. Ich war mit ihnen dort und sie haben Freundinnen. Irgendwann mussten die Jungs kurz weg, dass ich alleine mit den Mädchen blieb und wir haben uns ganz normal weiter unterhalten. Ich habe wirklich gar nichts getan außer mit ihnen geredet. Wir saßen am VIP-Bereich, weil mein Freund den Klubbesitzer kennt und.. keine Ahnung wie es für ihn aussah, aber plötzlich ist Kenan gekommen und hat mich geschlagen. Nicht nur einmal geschlagen. Er ist richtig auf mich losgegangen, hat eine Flasche an meinem Kopf zerbrechen lassen, auf mich eingetreten und mir die ganze Zeit gesagt, dass du mir kein Wort glauben wirst, wenn ich es dir erzähle. Er meinte du wirst immer zu ihm zurückgehen egal was er tut, weil du abhängig von ihm bist und.. nur er es dir besorgen kann."

Natürlich war ich entsetzt und wütend, doch irgendwas in mir zerbrach auch. Hatte Kenan das wirklich gesagt?
Was glaubte er denn? Ich hatte.. Oh verdammt ich war so naiv. Ich hatte sogar daran gedacht mit Kenan noch einmal zu sprechen, aber anscheinend sollte ich das nicht.
Betrübt sah ich wieder zu ihm auf und erkannte Tränen in seinen Augen. Er streckte seine Hand über den Tisch und legte sie auf meine.

„Tut mir leid Prinzessin. Ich wusste, dass es dich traurig machen würde, aber ich wollte, dass du weißt was für einer er ist.", entschuldigte er sich für die Wahrheit. Ich kaute von innen auf meiner Wange rum und seufzte.

„Hat Kenan das wirklich gesagt?", fragte ich leise und hoffte sehnlichst, dass er mir sagte, er wäre sich nicht sicher oder hätte es etwas abgewandelt, aber nichts davon passierte.
Er nickte nur.
Ich hatte wirklich keine Worte mehr dafür. Ich erkannte Kenan kaum wieder. Oder lernte ihn nie wirklich kennen. Wieso musste mein Vertrauen immer so zerkaut werden, wenn ich einmal dachte, dass es nicht falsch wäre es zu tun?

„Ist die Nase gebrochen?", flüsterte ich und zog meine Hand aus seiner um auf sie zu zeigen. Es war noch eine kleine Hilfe, da ich so meine Hand wieder auf meinen Schoß legen konnte. Er schüttelte den Kopf.

„Geprellt.", antwortete er. Ich nickte kurz und fuhr mit meiner Hand über meinen Arm.

„Und er hat gesagt.. nur er kann es mir besorgen?", fragte ich leise. Enes nickte erneut genau wie ich. Was war ich dann für ihn? Ich konnte nicht glauben, dass Kenan sowas sagte. Aber Enes hatte doch auch keinen Grund zum Lügen. Er war immer ehrlich zu mir und stand an meiner Seite.

„Sei nicht sauer auf ihn bitte.", bat er plötzlich und ich sah ihn verwirrt an, während er mich bittend ansah,„Vielleicht sah es aus seinem Winkel ganz anders aus, obwohl ich wirklich nichts getan hatte. Ich möchte nicht, dass du einen Hass auf ihn bekommst wegen mir. Wir beide sollten ihn aus unserem Leben streichen." Er schenkte mir ein sanftes Lächeln, was ich nicht erwidern konnte.
Noch immer war ich gefasst davon, dass Kenan ihn so verprügelt hatte, wie aus dem Nichts, und dann noch so sprach als wäre ich für ihn bloß eine unwichtige Bettgeschichte. Dabei hatten wir nie miteinander geschlafen.
Nun war ich wirklich unglaublich froh darüber, dass ich damals nicht mit ihm geschlafen hatte.

„Ehm.. Wirst du ihn anzeigen?", fragte ich und er zuckte mit den Schultern, dass ich mir auf die Unterlippe biss,„Ich weiß, das ist etwas zu viel verlangt, aber.. bitte tu das nicht. Kenan.. ich werde noch mit ihm reden, aber bitte tu das nicht. Es ist zu viel bei ihm los." Er schüttelte sofort den Kopf.

„Du brauchst nicht mit ihm reden!", rief er sofort aus und senkte wieder die Stimme,„Ich zeige ihn schon nicht an, keine Sorge."

„Ich kann nicht glauben, dass Kenan das getan hat.", brachte ich kleinlaut hervor und er seufzte erneut. Bedrückt sah ich auf meine Hände, die ich ineinander verschränkte.
Es machte mich wirklich traurig und ein Teil in mir hoffte noch immer, dass es eine andere Erklärung gab. Aber das tat es nicht.
Enes würde mich niemals anlügen.

„Tut mir ehrlich leid.", murmelte er und räusperte sich,„Wolltest du nicht noch etwas sagen? Das hast du ja geschrieben." Ich überlegte und mir fiel wieder die Sache mit der Verlobung ein. Neben dieser Schocknachricht hatte ich es ganz vergessen. Er zischte auf und tastete behutsam um sein Auge, dabei sah er mich unschuldig an. Das konnte ich nicht übers Herz bringen.

„Ein andermal.", winkte ich ab und seufzte leise,„Die Nudeln mit der scharfen Soße?" Er grinste, weil ich seine Bestellung schon wusste und somit haben wir unser Essen auf.

Tadammm
Leute wisst ihr wann Lügen immer glaubhafter sind? Ein Trick von mir: Sie müssen einen Funken Wahrheit behalten. 😉
Seren ist total naiv geworden findet ihr nicht? Das kann man gut mit den Kapitel ab 10 vom ersten Teil vergleichen. Da hat sie sofort jede Scheiße rausgehauen und nichts geglaubt, aber jetzt ist es ganz einfach.
Eine komplette Wandlung! 😂

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