Never forget - Niemals vergessen

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Ich schlenderte durch das größte Kaff der gesamten deutschen Provinz. Alte Häuser, überall um mich herum, keins jünger als hundert Jahre. Beinahe unglaublich, dass dieses kleine Örtchen einen Kindergarten besaß- doch weder dieser Kinderknast noch die alten Ruinen um mich herum hatten mich hierher gebracht. Es war einzig und allein eine kleine, steinerne Kirche, bzw. das Massengrab vor ihr. Und genau hier hauste der Grund, der mich bis ans Ende der Welt getrieben hatte. Gewiss, seit über 70 Jahren tot. Und was wollte ich von einem Toten wollen? Garantiert kein Kaffekränzchen halten, nein. Ich wollte Rache. Rache nehmen an dem Mörder meiner Eltern.

So. Jetzt habt ihr ein paar Fragen. Erstmal: Wie will ich Rache an einem Toten nehmen?

Nun, dazu dient dieses Buch. Einfach weiterlesen, kleiner Naseweiß, dann wirst du das auch herausfinden.

Wie alt bin ich zum Teufel, dass meine Eltern seit weit über 70 Jahren tot sind? Ganz einfach, ich bin 14. 14, und in der Blütezeit meines Lebens. Und das seit grandiosen 85 Jahren.

Gut, erstmal den "Schock" dieser Antworten verdaut, jetzt kommt eine neue Frage. Warum habe ich nicht früher Rache genommen? Eventuell noch zu Lebzeiten des Assassinen? Gute Frage. Vielleicht habt ihr schon von dem Mann gehört, der kurz vor seinem Tod sagte, "Auf Wiedersehen ihr Sterbenden, ich gehe jetzt zu den Lebenden"... Tja, und seine Ansicht teile ich. Wie die guten Mathematiker unter euch sicherlich bemerkt haben, passt meine Lebenszeit mit meinem Alter nicht ganz zusammen. Grund: Ich bin unsterblich. Einfacher Satzbau, schwierige Sache. Darauf gehe ich später noch weiter ein. Nun ja, um weiter zu machen, mein sogenanntes "Leben" ist für mich nur eine endlose Suche nach Erlösung. Die aber niemals kommen wird. Ich werde für immer unter den Sterbenden hausen, bis zur Apokalypse und weiter. Und den Sterbenden kann man nichts antun. Sie sterben, früher oder später, und diese Zeitspanne ist nur ein Tropfen im riesigen Ozean. Hier wird vergessen. Aber die Lebenden, nach dem Tod, vergessen nicht. Ich will dem werten Herrn, der meine Eltern umgelegt hat, sein Leben zur Hölle machen. Ich will ihn quälen.

Und weiter. Wenn ich den Tod doch für pillepalle halte, warum bitte will ich meine Eltern rächen?

Nachdenken. Jetzt mal für kleine Schwachköpfe: Wir stellen uns vor, meine Eltern und ich sind in einem Raum. Dieser Raum ist die Welt der Sterbenden. Dann gehen sie aus diesem Raum in einen viel besseren Raum. Den sogenannten Himmel. Für immer. Aber ich komme nicht mit und bin im sterbenden Raum gefangen. Heißt: Ich werde meine Eltern niemals wiedersehen. Und genau deswegen will ich ihn quälen. Ich will sein "Leben" so verändern, dass es ihn zerstört. Egal wie.

31.Juli 1939, Berlin

Sterben wird überbewertet. Ich verstand schon mit 5 Jahren den ganzen Hype um das Sterben nicht. Ich war traurig als meine Eltern starben. Schließlich habe ich sie geliebt. Aber gut. Ich sehe sie ja allzu bald wieder. Deswegen wird dies auch mein erster und gleichzeitig letzter Tagebucheintrag sein. Ich habe fast Mitleid mit seinem schönen Ledereinband. So neu und glänzend. Ich werde es bei mir haben, wenn ich sterbe. Das ist mein letzter Tribut an dich, Vater. Ich habe extra meine schönsten Sonntagskleider angezogen, wie immer in der Kirche. Das ist mein Tribut an dich, Mutter.

In der Schule munkelt man, dass ein sauberer Schnitt durch die Pulsadern gar nicht weh tut. Würden mir meine Tränen nicht den Sinn vernebeln und mein zitternder Arm mir nicht in die Quere kommen, wäre das auch machbar. 

Draußen zerbomben die Russen die Stadt. Ihr wisst gar nicht, wie egal mir das ist. Es würde mich nicht im Geringsten stören, würde es jetzt Fliegeralarm geben. Käme genau zur richtigen Zeit. Es wird jetzt Zeit, das spüre ich. Auf Wiedersehen, tote Welt. Ich wandele jetzt zu den Lebenden.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 01, 2014 ⏰

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