"Und wo ist meine Schwester jetzt?", fragte Doro Elenas engsten Freund, als sie gemeinsam den Schulflur verließen und zum ersten Mal miteinander in Ruhe sprechen konnten.
Theo nahm sie an der Hand und begleitete sie durch die kleinen Gassen der Stadt, zusammen mit seinem Bruder Edgar.
Der Blondschopf deutete um sich und beugte sich zu dem Mädchen hinunter: "Hast du verstanden, dass die grauen Typen hier Soldaten sind und die jedem ihr Pokémon wegnehmen? Sie hat euer Dratini weggebracht, damit es nicht in den Krieg muss."
Edgar vollendete die Worte seines Bruders: "Es würde eh bloß sterben, weil wir sowieso nicht gewinnen können, das sagt Mama immer."
Mit hängenden Mundwinkeln blieb das Mädchen stehen und blickte hinauf zu ihrem Begleiter: "Und wann sehe ich sie dann wieder?"
Doro sprach mit einer solchen Trauer in ihrer Stimme, dass es Theos Herz zum Weinen brachte. Er hatte furchtbares Mitleid mit der Kleinen. Ihm blieb nur die Hoffnung, dass Elena bald wieder auftauchen würde.
Aber als sie den Marktplatz erreichten und Theo die Hektik wahrnahm, die vorherrschte, wusste er Bescheid. Die Soldaten hatten eine Suchaktion gestartet, die in vollem Gange war. Wie die Ameisen wuselten die grau Uniformierten durch die Gegend.
Suchen die wirklich so arg nach Elena, fragte sich der Junge; doch wohl kaum hier in der Stadt? Jeder hatte mitbekommen, dass das Mädchen vor die Stadt geflüchtet war. Oder war das überzogene Auftreten zur Vorbeugung, um Nachahmer zu vermeiden?
Theo zwang sich zu einer Antwort an Doro: "Ich, ähm, ich fürchte fast, das wird die nächste Zeit nicht so schnell stattfinden."Der Junge wollte mit den beiden Kindern an der Hand gerade weitermarschieren. Er überlegte, was er tun könnte, um Elena so schnell wie möglich wieder zu sehen, als ein Raunen und Gegröle durch die Menge ging. Beleidigungen wurden ausgerufen, Pfiffe verteilt.
Neugierig blickte Theo um sich, um den Auslöser dieser Reaktion festzustellen. Er erkannte, wie sich die Masse vor dem Rathaus teilte. Offenbar wollte jemand auf die Bühne. Diese eine Sache wollte er noch abwarten und wissen, was jetzt für eine Meldung kommen würde.
Vielleicht wurde das Dekret ja zurückgezogen und jemand musste es mitteilen?Der Blondschopf erkannte einen jungen Mann auf die Bühne treten. Er war schwarz gekleidet und hatte schwarze Haare. Außerdem trug er ein Schwert bei sich. Wozu der Soldat dieses Schwert in genau diesem Moment brauchte? Der Blondschopf wusste es nicht. Aber Theo wusste: genauso stellte er sich einen Bösewicht vor. Von ihm würden keine guten Neuigkeiten kommen, mutmaßte der der Junge.
Der Chef der Soldaten setzte das Sprachrohr an: "Werte Mitbürger. Wie ihr sicherlich mitbekommen habt, ist eine von euch mit ihrem Pokémon geflohen. Seid versichert, dass wir alles tun was nötig ist, um diese Person zu finden und ihrer Pflicht zuzuführen."
Mit zusammengekniffenen Augen blickte er über die schockierten Menschen, die im Moment noch ruhig waren.
Der Soldat nutzte die Stille und fuhr fort: "Wer denkt, er könnte uns sein Pokémon auf die selbe oder eine ähnliche Art und Weise vorenthalten, macht sich der Desertion strafbar. Hohe Haftstrafen werden für diesen Verrat am Vaterland verhängt. Wer heute nach 18:00 Uhr noch ein Pokémon bei sich hat, wird verhaftet. Ich empfehle daher jedem, sein Pokémon sofort und ohne Widerstand abzugeben."
Theo gefror es das Blut in den Adern, so kaltherzig war dieser Mann auf dem Podest. Das war es, was das Militär aus einem machte; einen gefühllosen eiskalten Griesgram! Der Soldat dort oben war wahrlich eine Ausgeburt aus der Zerrwelt!
Jetzt konnte er auch erahnen, weshalb der Leutnant sein Schwert mit zu seiner Rede gebracht hatte; offenbar rechnete er mit tätlichen Angriffen. Andererseits trugen hier alle Soldaten ihre Schwerter mit sich herum.Der Junge stand mit seinem Alter von 15 Jahren selbst kurz vor der Wehrdienstpflicht. Wenn er Pech hatte, würde er direkt in der ersten Schlacht gegen Kanto sterben. Momentan war es vor dem Stützpunkt vorm Silberberg zwar ruhig geworden, aber umso länger es ruhig war, umso heftiger wurden die Kämpfe beim nächsten Mal.
Theo sah für sich also keine Hoffnung auf ein langes Leben. Vielleicht sollte er es Elena gleichtun und ebenfalls vor dem Militär flüchten? Zu zweit ließe sich in den gigantischen Wäldern vor Ebenholz sicherlich ein schönes Leben einrichten.
Bevor der Junge aber eine Entscheidung fällen würde, wie es mit seinem Leben weitergehen sollte, musste er seine Freundin warnen.
"Lasst uns nachsehen, ob wir aus der Stadt rauskommen. Vielleicht finden wir sie ja am Fluss oder sonst wo", meinte Theo voller Hoffnung, dass er Elena schnell wieder sehen würde.
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Pokémon - Ruf der Heimat (Band 1)
Fanfic1753 in der Pokémonwelt: Seit vielen Jahren herrscht Krieg zwischen Johto und Kanto. Zu jener Zeit fällt Elena eine Entscheidung, die sie von ihrer Schwester trennt. Im Sinn hat sie dabei einzig die Sicherheit ihres Pokémons; ein Dratini, das sie vo...