Ignoranz

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Ryan:

Es war frustrierend und ich mit meinem Latein am Ende. Ich hatte jede Waffe eingesetzt, die ich hatte, aber sie erwiesen sich alle als wirkungslos. Nichts konnte Athena in irgendeiner Weise dazu bringen, sich erweichen zu lassen. Alle meine Versuche prallten an ihrem Eispanzer ab, der, wie ich das Gefühl hatte, mittlerweile dreimal so dick war, wie an diesem einen Abend in der Turnhalle. Ihre Waffe war ebenso einfach wie genial: Pure Ignoranz. Sie behandelte mich wie Luft, sah durch mich hindurch, ignorierte meine Versuche, sie anzusprechen und besaß sogar die Frechheit, mich zu unterbrechen und ein Gespräch mit John anzufangen, obwohl ich zwischen den beiden saß. Ich kochte vor Wut und langsam gingen mir die Pläne aus. Zudem fanden nach der ersten Sportstunde immer mehr Jungen den Mut, Athena anzusprechen und sie sogar auf ein Essen in der Mensa einzuladen. Notgeile Perverslinge!

Als ich mich in der Umkleide für Sport umzog, ging es schon wieder los.

„Hey, was glaubt ihr, ob Athena heute wieder bauchfrei trägt?"

„Ich hoffe doch. Und am besten wieder diese kurzen, schwarzen Shorts von letzter Woche. Ich dachte, ich fall um, als ich sie gesehen hab."

„Vielleicht kämpft sie heute mit mir, der Trainer hat doch gesagt, dass einer heute wieder Dauer-Kampf machen muss. Mann, ich hoffe, sie macht diesen einen Move, den sie bei Marcel gebracht hat. Ich war so neidisch!"

Mittlerweile war es eine richtige Ehre geworden, gegen Athena zu kämpfen, obwohl sie eine furchtbare Gegnerin war. Aber wenn sie auf der Matte war, konzentrierte sie sich nur noch auf den Kampf, während die Jungs nur versuchten, ihr in angetäuschten Angriffen an den Busen zu grapschen. Ich biss jedes Mal die Zähne zusammen, wenn ich sowas sah. Hatte die keine Selbstbeherrschung? Marcel, den Athena letzte Woche nach nur zwei Minuten k.o. hatte, blähte stolz die Brust auf.

„Ich hatte meinen Kopf zwischen ihren Schenkeln, Leute. Das müsst ihr erstmal toppen!", grinste er.

Jetzt reichte es mir, wütend warf ich meine Jeans auf die Bank und drehte mich zu diesen Trotteln um.

„Ist das echt alles, worüber ihr reden könnt? Das ist ja richtig widerlich. Hört auf von ihr zu reden, als wäre sie ein Gogo-Girl, das an einer Stange tanzt und das ihr nach Herzenslust begrapschen könnt. Legt euch mal ein wenig Selbstbeherrschung zu und lasst die Finger von ihr.", schnauzte ich sie an.

Es wurde einen Moment ganz still und mir wurde klar, was ich da gesagt hatte. Das klang ja fast als...

„Halts Maul Ryan. Bist du ihr Freund, oder was? Sie gehört niemandem, also kannst du uns auch nicht sagen, dass wir die Finger von ihr lassen sollen. Fass dir lieber an die eigene Nase. Ich hab gesehen, wie du sie anstarrst. Das ist ja fast schon nicht mehr jugendfrei.", maulte Marcel und grinste dreckig, während die anderen Jungs zustimmend nickten. Seufzend kniff ich mir mit Daumen und Zeigefinger in die Nase. Verdammt, das war gar nicht gut. Das war jetzt vollkommen falsch rübergekommen. Ich wollte doch, dass sie Athena in Ruhe ließen, damit ich allein weiter an ihrem Eispanzer hacken und ihn irgendwann brechen konnte. Die anderen störten nur bei meinem Vorhaben. Seufzend drehte ich mich um und verließ die Kabine. Auf dem Gang, der Umkleiden und Turnhalle miteinander verband, rannte ich fast in jemanden hinein. Erst auf den zweiten Blick sah ich, dass es Athena war, die durch mich hindurchsah, als wäre ich aus Glas. Mein Blick wanderte ihren Körper hinab und ich musste mich daran erinnern, zu atmen. Mit einem hatten die Jungs recht: Athena war verdammt heiß. Sie trug wieder ein enganliegendes, graues, bauchfreies Top und schwarze Shorts, die ungefähr mittig auf ihrem Oberschenkel endeten. Ihre Füße waren nackt und sie trug wieder schwarze Bandagen zum Schutz ihrer Hände. Man sah, wie durchtrainiert sie war. Lange, schlanke, kräftige Beine, ein flacher Bauch, auf dem sich der Hauch eines Sixpacks abzeichnete und die muskulösen Oberarme, die deutlich werden ließen, dass sie fast das Doppelte ihres eigenen Gewichts stemmen konnte. Trotz der Muskeln, die mancher an einer Frau vielleicht abstoßend gefunden hätte, bewahrte sie sich ihre weiblichen Kurven. Ihr Körper glänzte leicht vom Schweiß und ihre rosigen Wangen verrieten mir, dass sie sich schon warm gemacht hatte. Erst jetzt merkte ich, dass ich sie seit mehreren Momenten stumm anstarrte. Ich wartete auf eine Reaktion, ein Satz, ein Stirnrunzeln, ein Zucken der Wimpern, aber nichts geschah. Athenas Gesicht war so unbewegt, als wäre sie allein auf dem Flur und stünde keine dreißig Zentimeter von mir entfernt. Sie war verdammt gut. Am liebsten hätte ich sie gepackt, geschüttelt und geschrien, sie solle mich endlich ansehen. Aber bevor ich die Fassung verlieren konnte, ging zum Glück die Tür zur Jungen-Kabine auf, Liam erschien im Türrahmen und sofort wandte sich Athena ihm zu.

Shadow Children - PrisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt