Es war mitten in der Nacht und ich lag wach, so wie die letzten Nächte.
Mein ganzes Leben hatte sich danach verändert und auch ich hatte mich verändert. Wenn ich eines wusste, dann, dass ich unglücklich war. Ich konnte meine Gedanken nicht ordnen und ich fühlte mich dreckig, benutzt und verbraucht. Ich hatte mein „Ich" verloren, mein Strahlen und mein Selbstbewusstsein. Jemand hatte es mir genommen. Und so lag ich da, mit Tränen in den Augen und diesem undefinierbaren Gefühl und diesem Albtraum, der sich immer und immer wiederholte. Dieser Albtraum, der mich wieder an diese schreckliche Nacht gedenken ließ.Meine Schicht in der Bar meines Besten Freundes Leon war eigentlich wie immer. Ich arbeitete, wie jeden Freitagabend im "LeLion", um mir zum Studium etwas dazuzuverdienen. Dieselbe Herrenrunde saß hinten am Ecktisch und trank Bier, einige Paare bestellten einen Cocktail, Freunde, die über das Leben lachten. Doch an diesem Freitagabend betrat ein neuer Gast den Pub. Ein Mann mit grauer Haut und einem eingefallen Gesicht bewegte sich langsam und schwankend in Richtung Tresen. Der rote Barhocker, den Leon auf einem Flohmarkt gekauft hatte, wackelte als der unförmige Körper des Mannes sich draufsetzte. Ich stand direkt gegenüber, zapfte ein kühles Pils und beobachtete ihn. Er stützte unbeholfen seinen Kopf mit seinem dicklichen Arm ab und lehnte sich halb über den Tresen. Sein ungepflegter Dreitagebart berührte seine dicken Finger und seine fettigen, fast grauen Haare hingen ihm halb im Gesicht. Mit seinem besoffenen Verhalten und seinem dreckigen Aussehen widerte er mich an. Jede Bewegung des Fremden wirkte so unnatürlich und ekelhaft. Trotzdem war er ein Gast und musste bedient werden, denn auch er würde dazu beitragen das der Laden läuft. Also fragte ich was er trinken will. „Ein Bier, Süße.", antwortete er lallend über den ganzen Tresen. Ich musste bei seiner Antwort die Luft anhalten, da sein Atem nach totem Tier roch. Der Gestank kniff mir tief in die Augäpfel, so das mir leichte Tränen in die Augen schossen. Nachdem seine Bestellung vor ihm stand, zwinkerte er mir zu. Lächelte schief dabei und ich konnte seine gelben, fast verfaulten Zähne sehen. Doch bevor ich darauf schnippisch antworten konnte rief Leon nach mir. Er forderte mich auf, die hinteren Tische zu säubern. Also nahm ich von der Theke einen Lappen mit und ging zu den Tischen. Dabei musste ich an dem besoffenen, aufgedunsenen Mann vorbei. Er durchlöcherte mich mit seinen glasigen Augen und pfiff mich an. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken herunter und meine Nackenhaare stellten sich auf. Eigentlich muss man mit solchen ekelhaften Bemerkungen rechnen, wenn man auf dem Hamburger Kiez arbeitet, doch trotzdem traf es einen dann doch irgendwie. Dieser widerwärtige fremde Mann kam schon betrunken an und trank noch mehr. Er trank zu viel und hatte keine Kontrolle mehr über sich und seinen Körper. Nach jedem neuen Bier wurde er ausfallender und als er mich dann als Schlampe beleidigte riss mein Geduldsfaden. Plötzlich schoss mir meine Wut in den Kopf. Es brodelte in mir und meine Hände ballten sich zu Fäusten. Leon beobachtete schon eine Weile die Situation und auch er konnte diesen Gast nicht mehr dulden. So kam es dazu, dass der Barbesuch des dreckigen Mannes endlich beendet wurde. Die Türsteher griffen ihm unter die Arme und gaben ihm einen kräftigen Ruck aus der Tür. Dabei stolperte er unbeholfen die Straße entlang und pöbelte über den ganzen Kiez: „ Das wirst du bereuen, Schlampe!".
Aufgebracht stand ich da.
„Rosa, ist alles okay?", fragte Leon und legte seine Hand behutsam auf meine Schulter. Ich nickte und ein leises „Dankeschön" entließen meine Lippen.
Die Nacht war lang und als endlich die letzten Gäste die Bar verließen, konnte auch ich Feierabend machen.
Leon schloss die Bar ab und von da an trennten sich unsere Heimwege. Ich ging durch die Gassen. Überall waren bunten Lichter. Auf diesen Straßen wurden Drogen und Sex verkauft und das gruselte mich. Also ging ich etwas schneller. Von der Bar bis zu meiner Wohnung war es wirklich nicht weit und das habe ich Leon zu verdanken. Nachdem ich nämlich mein Studium begonnen hatte, wollte ich unbedingt in die Innenstadt ziehen, doch es war schwer eine günstige Wohnung in Hamburg zu finden. Dank seiner Kiezfreunde fand ich dann eine günstige Altbauwohnung, welche etwas abgelegener vom Kiez war. Die Straßenlaternen schimmerten auf meinem Heimweg und die Musik der Clubs und Bars verstummte schließlich. Alles was ich hörte war Robert Palmer in meinem Ohr, nachdem ich durch meine Playlist skippte. Doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass mir jemand nachläuft. Ich drehte mich um, doch die Laternen waren nicht sehr hell. Ich ging schneller und drehte mich immer wieder um. Mein Puls erhöhte sich und meine Knie wurden weich. Ich wusste, dass mir jemand dicht an den Versen war. Ich spürte es, also machte ich die Musik auf Pause. Mein Herzklopfen ließ sich nicht mehr übertönen. Das Blut pumpte in meine Ohren und ich erstarrte. Unter der Straßenlaterne erkannte ich endlich den bekannten Schatten der mich verfolgte. Dicht an dicht stand er vor mir. Alles was ich sehen konnte waren Umrisse. Ich war wie angewurzelt und erschrocken. Und moch bevor der Schatten sprechen konnte wusste ich wer vor mir stand. Sein beißender Gestank stieß mir in die Nase. Panik ergriff mich, doch seine dicken Finger packten bereits mein Handgelenk. Von da an ging alles sehr schnell. Ich wollte schreien, doch ich konnte nicht. Immer wieder wurde ruckartig an mir gezogen. Ich haute um mich. Biss dem betrunkenen Mann in seinen Arm. Er schreite auf und verpasste mir einen Schlag ins Gesicht. Sein Handabdruck pochte auf meiner Haut und ich schmeckte Blut. Immer wieder versuchte ich mich von ihm los zu reißen. Ich wollte um Hilfe schreien, doch ich konnte nicht. Orientierungslos ich stolperte umher. Die Nacht war schwarz, tief schwarz und verschlang mich wie ein schwarzes Loch. Der fette Mann drückte sich an mich. Ein unangenehmes, bedrängendes Gefühl zerquetschte meine Lunge. Und der Geruch aus Schweiß, Mundgeruch und beißenden Rasierwasser brachte mich zum Würgen. Wieder bekam ich einen Schlag ins Gesicht. „Halt's Maul Schlampe." Immer wieder versuchte ich um Hilfe zuschreiben, doch mehr als kleine Schubser waren nicht möglich. Der Schock saß tief in meinen Knochen. Er schubste mich zurück. Der kräftige Schlag schmerzte gegen meine Brust. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Ein Kelleraufgang fing mich schmerzhaft auf und so lag ich zwischen Blut und Dreck. Nichts an mir war noch bewegbar. Meine Rippen drückten mich zusammen, die Beine waren fast taub und meine linke Schulter brannte wie Feuer. Der fette Mann packte mich an den Armen und ein stechender, ziehender Schmerz überkam mich. „Und wie gefällt dir das?", pustete er mir ins Gesicht. „SAG MIR. Wie ist das wenn man geschubst wird." Mein Mund blieb geschlossen. Ich konnte und wollte nicht reden und wieder bekam ich einen Schlag ins Gesicht. Ich biss mir vor Schmerz so sehr auf die Lippe, dass sie blutete. Plötzlich spürte ich seine kalten, dicken Hände an meinen Beinen. Ich versuchte mich zu bewegen, doch ich konnte nicht. Alles tat weh und so schmerzte es noch mehr, nachdem er sich auf mich legte und sich an mir rieb. Ekel überkam mich und ich musste Erbrechen. Er ließ sich davon nicht stören und riss ruckartig und unbeholfen an meiner Kleidung. Ich weinte und bat innerlich um Hilfe, doch ich war verloren. So schloss ich die Augen und ließ mich von der tiefen Nacht verschlucken.
Halb nackt lag ich zwischen Blut, Sperma und Erbrochenen. Alles was ich wollte war sterben.Und so lag ich wieder in meinem Bett und starrte an die Wand, denn ich hatte das Gefühl mich in mir selbst zu verlieren.
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Rosa
RomanceEs ist Mitten in der Nacht und ich liege wach, so wie die letzten Nächte. Mein ganzes Leben hatte sich verändert und auch ich hatte mich verändert.