78|Enisa

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Ich war so krankhaft verliebt in ihn, das es schon fast an Sucht grenzte. Dieser Mann war meine ganz persönliche Droge und ich wollte sie nie absetzen.
Auf diesem Rausch zu sein gefiel mir unheimlich gut und das könnte ich mein Leben lang bleiben.

~

„Du musst die Wurzel ziehen.", sagte ich zu Lewis und kritzelte in meinen Block, da ich meine Aufgabe schon erledigt hatte und er mir verbat weiterzumachen, wenn er noch nicht weiterkam.
Er sah ahnungsvoll auf und bückte sich um die Rechnung aufzustellen.

Das K in meinem Heft wurde dreidimensional und stach neben den ganzen Herzchen und kleineren K's ziemlich hervor.
Was sollte dieser Mist? Wie alt war ich? Zwölf? Ich ließ meinen Kugelschreiber los und raufte mir durch die Haare. Seit gestern verging kein Gedanke ohne Kenan. Das störte mich eigentlich nicht, aber bald standen wieder die Klausuren an und ich konnte nun wirklich nicht bloß Kenan im Kopf haben.
Gestern war ein wirklich schöner Tag, nur könnten wir nach der Universität nichts unternehmen, weil meine Mutter darauf bestand, dass ich sofort nachhause kam.

Zuhause sprachen wir über Silvester, welches schon nächstes Wochenende stattfand.
Es war wirklich erstaunlich wie schnell die Zeit raste. Letztes Jahr hatte sich meine gesamte Familie, mütterlicher- und väterlicherseits, getroffen plus den Familien von meinen angeheirateten Tanten und Onkels. Es war eine riesige Versammlung und noch immer ein Rätsel für mich wieso sich alle für das Neujahr versammelt hatten.
Dieses Jahr wollten wir es ruhig angehen lassen und (ich tippte auf meinen Bruder und seine neue Frau) mit Alinas Familie feiern. Es war nichts ungewöhnliches mit ihnen zu feiern, aber da es ihr erstes gemeinsames Neujahr als Ehepaar war wollten sie es bestimmt.
Erkan und ich wurden natürlich gezwungen, ob wir wollten oder nicht. Aber für mich war das vollkommen in Ordnung, weil es nach all den Jahren irgendwie lästig wurde immer wieder etwas zu planen. Meine Familie, mit der meiner besten Freundin, gemeinsam vor dem Fernseher mit Disney-Filmen und Popcorn wäre wirklich toll.

„Hey nicht abdriften!", fauchte Lewis und schlug mit seinem Kugelschreiber gegen meine Stirn. Empört sah ich ihn an und verpasste ihm einen Schlag gegen den Arm.

„Schlägerweib.", brummte er und rieb sich seinen Arm,„Ich habe gefragt ob du auch 45,7 raushast." Ich suchte zwischen meinen Rechnungen und erkannte die Zahl.

„Ja habe ich. Jetzt zu Aufgabe h!", rief ich mit gespielter Freude und Lewis ließ den Kopf stöhnend auf den Tisch fallen.

Nach unserem Tutorium steuerten wir aus den Ausgang zu, weil weder Lewis, Ella noch ich Stunden hatten.
Eigentlich hätte ich Kenan noch liebend gerne gesehen. Heute hatte ich ihn nirgendwo gesehen, geschweige von ihm gehört. Ich sah mich um und hielt mich dabei an Lewis Schulter fest um mich zu recken.

„Komm runter. Dein Commodus ist bestimmt schon weg.", sagte Lewis. Ich schlug ihm mit Empörung auf die Schulter.

„Wie kannst du ihn mit Commodus vergleichen?", fragte ich entsetzt und Ella schien ihn genauso verwirrt anzublicken,„Kenan hat weder seinen Vater ermordet noch ist er ein böser Kaiser und braucht Anerkennung eines Volkes." Lewis lachte und sah mich teils auch überrascht an.

„Dazu kommt, dass er keine Schwester hat auf die er steht.", fügte Ella hinzu. Ich rüttelte mich bei der Erinnerung an Commodus erotische Liebe zu seiner Schwester.
Ekelerregend.

„Aber wäre Koray ein Mädchen..", wollte Lewis ansetzen, doch prustete schon selbst los,„Das wird auch mir zu wider." Ella schüttelte angewidert den Kopf und ich fragte mich wie meine Sehnsucht zu meinen Freund nur zu einem Gespräch über einen Antagonisten schweifen konnte.
Mein Freund. Wie herrlich das doch klang. Das könnte ich mir ununterbrochen zusprechen.

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