Die nächsten Tage verbrachte ich mit einem Mann, der mit mir trainierte, meinen Alltag zu meistern trotz Blindheit. Zwar wollte ich das noch nicht akzeptieren, aber mit der Zeit musste ich das wohl oder übel.
Chanyeol besuchte mich jedes mal nach der Uni und berichtete von seinen sterbenslangweiligen Vorlesungen. Wenn ich das hörte, war ich froh, dass ich damals kein Studium angefangen hatte.Es war meine letzte Nacht im Krankenhaus. All meine Wunden waren soweit verheilt und mein Trainer würde von nun an immer mein Ansprechpartner und Unterstützer sein.
Mit gemischten Gefühlen dachte ich an den nächsten Tag. Ich fragte mich, wie es sein würde in meiner Wohnung ohne etwas zu sehen. Auf keinen Fall wollte ich in betreutes Wohnen oder sowas.In der Nacht blieb ich lange wach und dachte an den morgigen Tag.
Aus Gewohnheit hatte ich meine Augen offen und versuchte vergeblich irgendwas zu erkennen. Seufzend deckte ich mich zu. Die Decke roch nicht mehr ganz so steril aber das Bett war immernoch genauso ungemütlich. Ich freute mich auf mein eigenes.
Ich strich über die raue Decke und versuchte sie mir bildlich vorzustellen. Dann fiel mir ein, dass morgen Freitag war, was bedeutete, dass Chanyeol und ich den Abend zusammen verbringen konnten.
Er hatte bereits zugesagt, dass er bei mir schlafen würde, was mich meine Zweifel ein Stück weit vergessen ließ.
In Gedanken bei dem nächsten Tag, schlief ich ein.Am nächsten Morgen weckte mich eine Schwester, sie brachte mir Frühstück. Für das Essen brauchte ich sehr lange und es war so nervenauftreibend, dass ich teilweise schon aufgehört hatte zu Essen weil es mir zu lange dauerte obwohl ich noch nicht mal mehr satt war.
Nachdem ich mich mit Hilfe frisch gemacht hatte und umgezogen war, besuchte der Arzt mich ein letztes Mal. Er war zufrieden mit der Heilung meiner Wunden und ließ mich mit gutem Gewissen gehen.
Mein Trainer holte mich ab, ich diktierte ihm die Adresse und wir fuhren los.
Aufgeregt biss ich mir auf die Lippe. Autofahren erschien mir immer langweilig, aber es war tatsächlich spannender wenn man nichts sehen konnte. Irgendwo war ein Fenster einen kleinen Spalt weit auf, ich hörte wie die Luft durch den kleinen Spalt pfiff. Gleichzeitig spürte ich, wie wir über ebenen Asphalt fuhren, es gab weder Hügel noch Schlaglöcher. Das Motorengeräusch war seltsam beruhigend. Ich lehnte mich in den Sitz zurück, welcher ein wenig nachgab. Daher schloss ich, dass das Auto nicht mehr das neuste war. Dieser Verdacht wurde bestärkt durch den Geruch. Es roch nicht neu, sondern etwas staubig und stickig. Aber der Geruch hielt sich in Grenzen.
Durch Kurven und Abiegungen versuchte ich herauszufinden wo genau wir waren.Einige Minuten später hielten wir.
Ich drehte meinen Kopf nach links. ''Sind wir schon da?''
''Ja, direkt vor deiner Wohnung.. naja im wievielten Stock wohnst du?''
''Im zweiten.''
''Gibt es einen Aufzug?''
Verneinend schüttelte ich mit dem Kopf.
''Treppen sind für den Anfang nicht besonders leicht... naja wir finden eine Lösung. Jetzt geht es in deine Wohnung. Aufgeregt?''
''Und wie!'' Energisch nickte ich und er lachte.
Er half mir mit den Stufen und ich gab ihn einen Schlüsselbund. ''Ich weiß nicht genau, welcher der richtige ist. Ich glaube, der große, eckige Schlüssel.''
Ich hörte die Schlüssel aneinander klappern und wie er mindestens zwei Schlüssel ausprobierte.
''Du hast mehrere eckige... wofür hast du so viele?''
''Naja, Haustür, Garage, einer ist von Chanyeol's Wohnung, dann einen für mein Fahrradschloss und einer ist von dem Kino in dem ich arbeite. Oder gearbeitet habe...''
Er antwortete nicht mehr, stattdessen hörte ich das leise, vertraute Quietschen meiner Haustür wenn sie aufging.
Mein Herz klopfte und ich machte ein paar unsichere Schritte hinein.
Sofort roch ich den vertrauten Geruch meiner eigenen 4 Wände. Ich sah alles genau vor mir. Meine Wohnung war winzig, aber ich liebte sie.
Dafür depremierten mich die Worte meines Trainers sehr.
''Es ist nicht wirklich sehbehindertengerecht.''
Seine Stimme kam aus einem anderen Zimmer, anscheinend sah er sich um.
''Das kann man vielleicht etwas anders einrichten...'', schlug ich vor.
''Mit den Treppen... ich weiß nicht.. pass auf!''
Zu spät. Ich wollte zu ihm und habe nicht die Hände nach vorne ausgestreckt wie er es mir erklärt hatte und habe somit die Wand nicht bemerkt.
''Mein Fehler'', murmelte ich und spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg.
''Denk dran, was ich dir gesagt habe. Das gilt auch in deiner Wohnung.''
Ich nickte nur.Er ging mit mir meine Wohnung ab, ich sollte zählen, wie viele Schritte ich machte um von der einen Wand zur anderen zu gelangen. Als Tipp sagte er mir, ich sollte an der Wand entlang gehen und eine Hand an der Wand lassen und die andere nach vorne ausstrecken. Das gelang mir ganz gut und er übte es mit mir ziemlich lange.
Dann sortierte er mit mir meine Klamotten, Oberteile, wo ich in Schwierigkeiten geraten könnte, weil man sie nicht mit allem kombinieren konnte, räumte er erstmal ganz weg, dann sortierte er es nach Farben. Die dunklen Klamotten waren rechts und die hellen links.
''Du wirst bald lernen, Blindenschrift zu lesen. Natürlich nur, wenn zu willst, aber es macht alles einfacher.''
Leicht nickte ich. Das klang einleuchtend.Als er weg war, saß ich nur auf dem Sofa, starrte vor mich hin in die Dunkelheit und fuhr gedankenverloren über den Stoff des Sofas. Er war weich, aber das Sofa selber war hart. Meine Finger trafen ein Kissen, welches ich auf meinen Schoß legte und meine Hände darauf.
Ungeduldig trommelte ich mit meinen Fingerspitzen darauf herum.Immer wieder ließ ich mir von meiner Uhr die Uhrzeit sagen.
Chanyeol war noch nie pünktlich gewesen und ich wusste auch nicht, wann seine letzte Vorlesung zu Ende war.
Dann klingelte es plötzlich und es war so unerwartet und laut, dass ich erschrocken zusammenzuckte. Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich Chanyeol war oder vielleicht der Paketdienst. Ich nahm oft für meine Nachbarn Pakete an.
Vorsichtig tastete ich mich an der Wand entlang zur Tür, doch ich hörte auf halbem Weg, wie die Tür aufgeschlossen wurde und ich drehte meinen Kopf zur Tür, die wieder ins Schloss fiel.
Chanyeol's Schritte kamen vom Flur ins Wohnzimmer, dann schien er stehen zu bleiben.
''Baekhyun'', murmelte er erfreut und ich hörte schnelle, näherkommende Schritte und kurz darauf spürte ich seine starken Arme um meinen Körper.
''Ich habe dich vermisst'', gestand ich leise und schmiegte mich an ihn. Er roch so gut nach ihm selber und nach dem Parfüm, welches ich ihm zu Weihnachten letztes Jahr geschenkt hatte.
''Und ich dich erst...'' Er strich mir über den Kopf und ich lächelte leicht.
Wir lösten uns ein wenig und ich spürte seinen Blick auf mir.
''Wie geht es dir? Bist du gut hier angekommen? Findest du dich zurecht?''
''Mir geht es gut, keine Sorge. Ich bin gut angekommen und mein Trainer hat mir geholfen alles zu sortieren, dass ich alles finde. Es wird schon klappen.''
''Hm okay, das klingt gut. Aber jetzt bin ich da und helfe dir. Also, hast du Hunger? Möchtest du Ramen essen?''
Ein leichter Rosaton legte sich auf meine Wangen, ich konnte es spüren. Schnell nickte ich. ''Aber bitte ohne die Küche abzufackeln.''
''Hey! Ich heiße ja nicht Byun Baekhyun'', erwiderte er gespielt beleidigt und ich kicherte.
Er nahm meine Hand und führte mich in die Küche, dort setzte er mich auf einen Stuhl und befahl mir, dort zu bleiben.
''Wo soll ich denn sonst hin?'', fragte ich und legte meine Hände auf den Tisch vor mir. Mit meinen Fingerspitzen fuhr ich das Holzmuster nach.
Chanyeol antwortete nicht, aber ich hörte, wie er einen Topf aus dem Schrank holte und anscheinend Wasser hineinfüllte. Es war auch wie bei der Autofahrt interessant ihm zuzuhören und sich bildlich vorzustellen was er gerade tat.
Plastik raschelte, er öffnete eine Packung Nudeln. Eine Schublade ging auf, wahrscheinlich die mit den ganzen Gewürzen. Wenig später war ein leises Blubbern zu hören weil das Wasser kochte, dann hörte ich wie er die Packung Nudeln ins Wasser gab und diese nun wahrscheinlich würzte.
''Willst du irgendwas besonderes drin haben?''
Kurz dachte ich nach und schüttelte den Kopf. ''Nein, ich habe einfach nur Hunger.''
Er lachte leise. ''Ist gleich fertig.''
''Ich weiß.''
''Woher?''
''Ich höre was du machst.''
''Und deshalb weißt du, was ich mache?'' Er klang überrascht und ich nickte.
''Interessant'', murmelte er noch, dann schien es fertig zu sein, denn er holte etwas aus dem Schrank und es klapperte etwas. Dann schob er meine Hände von der Tischplatte und stellte dort etwas hin, sofort stieg der leckere Geruch von Ramen in meine Nase und ich leckte mir die Lippen.
Unbeholfen suchte ich mit meinen Fingern die Stäbchen, dabei fasste ich versehentlich in meine Schüssel mit den kochendheißen Nudeln.
Mit einem Aufschrei zog ich meine Hand weg und presste sie gegen mich.
''Och Baekie... tut es sehr weh?''
Er griff nach meiner Hand und sah sich meine Finger an, dann pustete er sie und küsste sie anschließend vorsichtig. Die Hitze stieg mir wieder in die Wangen und ich drehte verlegen meinen Kopf zur Seite.
Chanyeol ließ meine Hand los und wuschelte mir stattdessen durch die Haare.
Letztendlich drückte er mir die Stäbchen in die Hand und führte meine andere Hand an den Rand der Schüssel, damit ich wusste, wo sie überhaupt war.
Da ich beim Essen jedoch einiges langsamer war, fing er an mich gegen meinen Willen zu füttern, als er fertig war. Mir war es peinlich, aber Chanyeol schien Spaß zu haben.---------------
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𝒃𝒍𝒊𝒏𝒅 || 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒃𝒂𝒆𝒌/𝒃𝒂𝒆𝒌𝒚𝒆𝒐𝒍 [ABGESCHLOSSEN]
FanficChanyeol x Baekhyun (complete) Durch einen tragischen Unfall verlor Baekhyun seine Sehkraft. Von heute auf morgen sah er nur noch schwarz. Er konnte nicht einmal mehr hell von dunkel unterscheiden. Völlig verzweifelt und hilflos ist er diesem neuen...