Ich spiele seit dem jeden Tag Gitarre. Ich lege sie eigentlich nur weg um mit Dain zu schreiben oder halt wegen der Schule. Mit Dain schicke ich Melodien hin und her. Wir können nun auch über etwas anderes als Computer reden. Dain schreibt echt tolle Melodien.
Ich merke schnell dass ich richtig gut Musik machen kann. Er erklärt mir ganz viel über Musiktheorie. Er sagt dass Musik Mathematik für die Ohren ist. Ich finde den Spruch cool. Ich kann mir mit meiner Gitarre Geld verdienen indem ich in der Fußgängerzone spiele. Das ist richtig praktisch weil ich dringend ein neues Smartphone brauche. Meins ist inzwischen richtig kaputt. Der Akku hält nicht mehr. Ich kann es nur noch nutzen wenn es am Strom ist. Ich spare richtig lange für mein Telefon und als ich es endlich in den Händen halte schreibe ich als erstes meinem Brudi. Dain freut sich für mich. Er hat zum Glück nicht die gleichen Probleme wie ich. Als sein Smartphone kaputt gegangen ist hat ihm sein älterer Bruder einfach ein neues geschenkt. Ich bin froh für Dain dass er noch Familie hat.
Dain ist mir an den schlimmen Tagen immer eine große Hilfe. Er findet immer die richtigen Worte um mich aufzumuntern. und die Tage sind oft schlimm. Manchmal habe ich das Gefühl dass ich ganz alleine auf der Welt bin und dass ich es nicht mehr aushalte. Gerade dann ist Dain ganz lieb zu mir. Ich wünschte er könnte richtig sprechen, denn dann könnten wir miteinander telefonieren. Doch das geht nicht. Dain ist stumm. Als er mir das gesagt hat hat er ganz doll darum gebettelt dass er trotzdem mein Freund sein will. Natürlich will ich sein Freund sein, auch wenn er nicht reden kann. Mit den neuen Smartphones können wir wenigstens Bilder hin und her schicken. Dain hat inzwischen lange Haare. Seine schwarzen Augen sind wunderschön. Als ich ihm eins von mir schicke schreibt er mir wie hübsch er mich findet. Er sagt ihm würden meine langen schwarzen Haare gefallen. Er weiß dass ich nur lange Haare habe weil ich kein Geld für den Frisör habe. Aber Dain sagt dass ihm das gut gefiele und das macht mir ein warmes kribbelndes Gefühl im Bauch. Als er sagt dass ihm auch meine blauen Augen und mein Lächeln gefielen muss ich grinsen. Daryl erwischt mich als ich so glücklich vor mich hin grinse und er fragt doch allen Ernstes ob ich nen Mädchen hätte. „Ich hab mit Painajainen geschrieben." sage ich ihm weil ich Dain meist bei seinem Synonym nenne. Ich weiß nicht warum ich das mache aber es ist so.
Weil ich so gut Gitarre spiele fragt mich ein Junge aus meiner Schule ob ich mit ihm eine Band gründen wollte. Es ist einer der reichen Kids. Er hat immer die neusten Markenklamotten an und er hat nie ungewaschene Haare. Ich hab Zuerst geglaubt er will mich verarschen aber dann habe ich mitbekommen dass er es ernst meint. Der Junge heißt Adam und ist ein recht guter Schlagzeuger. Er ist ein Jahrgang unter mir. Dazu kommt noch ein Typ am Keyboard, ein Jahrgang über mir (der sich darüber aufregt dass ich mitspielen soll) und ein älterer Junge am Bass. Ein Mädchen aus dem selben Jahrgang wie ich singt. Die Noten die uns der ältere gibt sind recht simpel. Es sind einfache Akkorde und die Melodie ist eingängig aber ohne Pfiff. Ich schreibe mit Dain was ich machen soll. Ich schicke ihm das Stück und er schickt es überarbeitet zurück. Er rät mir das mal vorzuschlagen. Vielleicht mögen es die anderen ja auch. Bei der nächsten Probe stelle ich Dains Ideen vor. Die meisten sind begeistert (außer der Junge am Keyboard) und darum spielen wir das Stück so wie Dain es umkomponiert hat. Ich komponiere mit Dain fast alle unsere Stücke um. Dain erklärt mir wie er das macht. Er hangelt sich an der Melodie entlang und verziert einzelne Passagen, er versucht mit leichten Veränderungen des Rhythmus mehr Spannung und Variation in das Stück zu bekommen. Weil Dain so gut erklären kann bekomme ich es bald auch selber hin. Ich mache mit Adam und der Band richtig gute Musik. Der Keyboarder und die Sängerin machen bald nicht mehr mit. Die mögen mich einfach nicht und als sie den anderen die Entscheidung ‚Colin oder Wir' abverlangt haben hat Adam ohne zu zögern „Colin!" gesagt. Der Bassist hat nur gelacht und gesagt dass das ja wohl keine Frage sei. Ich durfte in der Band bleiben und die anderen sind gegangen. Das war ein ziemlich herber Rückschlag. Aber Roger der Bassist hat darauf bestanden dass wir es ohne die beiden probieren. Er singt jetzt die meisten Lieder. Er ist ja schon groß und im Stimmbruch und daher singt er sie alle sehr tief. Das gefällt mir persönlich viel besser als das hohe Gekreische des Mädels. Nur bei den Liebesliedern die im Duett gesungen werden haben wir ein Problem. Doch ich schlage Roger vor dass ich sie mit ihm singe. Adam fällt fast vom Stuhl vor Lachen aber Roger grinst nur und nickt. Wir probieren also im Duett zu singen und Roger ist danach begeistert. Er gibt mir nun jedes Mal Gesangsstunden bevor wir proben. Ich finde wir klingen sehr gut zusammen. Das finden unsere Mitschüler auch als wir am Weihnachtsfest auf der Bühne stehen. Die Mädchen sind alle ganz aus dem Häuschen. Ich glaube weil sie froh sind dass eben nicht mehr ein echtes Mädchen mit Roger die Liebeslieder singt. Sie haben nun keine Konkurrenz mehr und Roger hat freie Wahl. Der hat aber kein wirkliches Interesse an den Mädchen. Er sagt immer dass Mädchen zu anstrengend seien. Adam und ich finden Roger voll toll und wären gerne wie er. Als ich ihn gesehen habe wie er mit seinem besten Freund geküsst hat weiß ich dass er es ernst meint: Mädchen sind kompliziert und doof. Und das beweist uns Doris ganz eindrücklich! Sie spielt auch Bass und Roger findet dass wir sie mitspielen lassen sollten. Er sagt das weil er nach den Sommerferien aufs College gehen wird. Doris ist richtig zickig. Sie sieht nie ein wenn sie etwas falsch gemacht hat und behauptet dann einfach Adam hätte sie raus gebracht oder ich falsch gespielt. Ich schreibe Dain dass ich Doris hasse! Doch Dain schreibt dass ich ein wenig gutmütiger mit ihr sein soll. Dain schlägt vor die unverzierten Bassstimmen für Doris raus zu suchen. Es ist doch egal wenn der Bass nicht mehr spektakulär ist, so lange die Lieder gut klingen. Roger bringt mir bei die Lieder zu singen. Er lächelt als er sagt dass ich immer noch wie ein Mädchen klinge. Ich frage ihn etwas ängstlich ob er mich zickig findet. Doch Roger lacht und verneint. Er wuschelt mir durch die Haare und Adam reagiert etwas eingeschnappt. „Roger ist mit Jerry zusammen! Lass die Finger von ihm!" zischt er mir in der Pause zu. Ich verschlucke mich an meiner Cola und muss husten. Was denkt Adam denn da von mir?!? Ich will nix von Roger! „Wenn, dann heirate ich Painajainen!" sage ich bestimmt damit Adam weiß dass ich anderweitig liiert bin. Mit Dain teile ich ja meine Seele. Ich glaube wenn ich einen Menschen liebe dann ihn! Oder eher sie? Egal! Dain ist Dain. Es ist völlig egal was für ein Geschlecht er hat. Er hört mir zu und ist immer für mich da. Egal wie blöde oder peinlich mein Problem ist.
Und Probleme habe ich! Na, ja, eigentlich Doris. Sie hat einen Freund der richtig scheisse zu ihr ist und ihr Drogen gibt. Sie ist so verliebt in diesen schrecklichen Kerl dass sie tut was er sagt. Er ist schon volljährig und Doris findet es toll dass sie bei ihm wohnen kann und wilde Partys feiern darf. Am Anfang war das bestimmt noch schön aber nach einer Weile bin ich mir nicht mehr so sicher. Adam und ich gehen sie fast jedes Wochenende suchen. Sie steckt in irgendwelchen Kellerräumen und entweder kotzt sie oder sie heult. Dain hilft mir indem er für mich da ist und mir Mut macht mich um sie zu kümmern. Auch wenn ich Ärger bekomme weil sie im Heim nichts verloren hat. Ich helfe Doris auch wenn sie mir mein Geld klaut und in mein Zimmer kotzt. Dain ist lieb zu Doris. Er sagt immer dass sie halt so ist wie sie ist und auch sie jemanden braucht der sie mag. Aber als ich ihm wütend schreibe dass er ja nicht verarscht und beklaut wurde schreibt er zurück dass es ihm leid täte. Er würde gerne mein Freund sein und nicht der von Doris. Er würde es verstehen wenn ich das Mädchen zum Teufel jage aber er hat gedacht dass ich sie mag. Ich schreibe ihm dass ich Doris mag weil sie sich an meine Mama erinnert. Sie ist so hilflos in diesen scheiss Drogen gefangen und ich würde ihr gerne helfen davon los zu kommen. Nicht mehr und nicht weniger. Als Dain fragt ob ich mit Doris nicht küssen würde antworte ich ehrlich: „Nein. Doris will ich nicht küssen. Doch mit Dir würde ich gerne einmal küssen. Weil ich glaube dass ich nur jemanden küssen will den ich liebe." als ich es abgeschickt habe wird mir ganz flau. Es ist eine Liebeserklärung an meinen Bruder! Ich werde rot aber Dain schreibt zurück dass er mich auch liebt. An diesem Abend bin ich der glücklichste Junge der Welt.