Nach wenigen Minuten ist Masao bereits wieder zurück. Er trägt ein ausgewachsenes Reh auf den breiten Schultern, eine Blutspur zieht sich von dessen Kehle über Masaos rechte Seite bis hin zum Boden. Der junge Mann schleppt seine Beute mühelos in eine Ecke, legt es ab und geht anschließend zu einer Lücke im Dach, um sich das Blut von dem Tier mithilfe des heruntertropfenden Wassers von den Händen zu waschen.
Kurz darauf entflammt er seine Hand und bringt den Holzstoß in der Mitte des Raumes zum Glühen. Einen Augenblick später brennt ein überschaubares Feuer und eine angenehme Wärme breitet sich aus.
Kurz darauf hat er einen langen, schmalen Holzast zu einem Spieß umfunktioniert. Damit spießt er einzelne Teile des Rehs auf und hält sie daraufhin über das Feuer. Er erwischt genau die perfekte Bratzeit, sodass sich eine wohlwollende Wärme in mir ausbreitet. Gierig schlinge ich die Stücke, die mir Masao reicht, hinunter, als wäre es mein letztes Mahl.
Dabei lässt mich Masao nicht aus den Augen, wodurch ich mich zunehmends unwohl in meiner Haut fühle. Eine unangenehme Stille breitet sich aus. Ich höre sogar auf zu essen, auch wenn ich im Moment nichts lieber tun würde.
Plötzlich bricht Masao das Schweigen. Er schaut mich dabei an, jetzt aber nicht mehr beobachtend, sondern vielmehr gutherzig.
"Du fragst dich sicher, warum ich dir geholfen habe." Ich nicke. "Hiao hat meine Eltern getötet. Ich habe nur durch Glück überlebt. Seitdem treibt mich der Gedanke an Rache an. Nur mithilfe dieses Ansporns bin ich stärker geworden. Außerdem möchte ich meine Familie wiederfinden, denn ich glaube nicht, dass sie tot ist. Es kann einfach nicht sein!"
Bei seinem letzten Satz beginnen seine Hände zu brennen, außerdem treten Funken aus seinen Augen. Ein furchterregender Anblick. Ich bin froh, dass er diese Kraft nicht auf mich fixiert. Aber ich kann seine Geschichte durchaus verstehen. Da ich selbst meine gesamte Familie verloren habe, weiß ich ganz genau, welche Gefühle er hat.
"Da du aus Hiaos Gefängnis geflohen bist, sehe ich dich nicht als Feind an. Möglicherweise kannst du mir sogar helfen, ihn zu finden. Sag mir alles, was du über ihn weißt."
Mit mitleidigem Blick sehe ich ihn an. "Es tut mir leid, aber bis auf die Tatswache, dass er Gefängnisdirektor ist, weiß ich nichts."
Masao ballt die Fäuste. Er konzentriert mich und es wirkt so, als würde er mich prüfen. Als er seine Hände wieder öffnet, sieht er mich an. Aus seinen Augen spricht eine enorme Leere, er tut mir wirklich leid. Allerdings wird mir dieser Ausdruck nach einigen Minuten zu viel und ich wende den Blick ab.
"Nun gut. Ich werde dir noch etwas über mich erzählen. Nachdem ich meine Eltern verloren habe, habe ich mich erst einmal allein durchgeschlagen, bin nie lange an einem Ort geblieben. Weiters habe ich verschiedene Namen angenommen, doch Masao ist immer schon einer meiner Lieblingsnamen gewesen. Außerdem habe ich auch lange gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass ich Magie beherrsche. Daraufhin bin ich zu einem Lehrmeister gegangen und habe ihn gefragt, ob er mir beigringen kann, wie man Feuer kontrollieren kann. Ich weiß, dass man Feuer am besten mit Feuer bekämpft, deshalb habe ich die gleiche Magie wie Hiao gelernt, um ihn irgendwann einmal besiegen zu können."
"Du scheinst ein hartes Leben hinter dir zu haben."
"Noch ist es nicht vorbei, aber es wird vermutlich ähnlich weitergehen."
"Stimmt, du sagst es. Was ich aber eigentlich sagen will ist, dass du auf dich aufpassen sollst. Manchmal kann das Leben eine unerwartete Wendung einschlagen, und dein ganzer Plan wird über den Haufen geworfen. So war es beispielsweise bei mir. Ich habe ein schönes Leben mit meiner FAmilie genossen, als einestages mir unbekannte Männer erschienen und meine Frau und meinen Sohn erschossen haben. Daraufhin haben sie mich mitgenomen und in dieses Gefängnis gesteckt. Ich weiß nicht genau, wie viel Zeit seit dem vergangen ist, ich weiß auch nicht wie alt ich genau bin. Wenn man jeden zweiten Tag jemanden umbringt, dann verliert an schnell einmal jegliches Zeitgefühl."
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Der Akrobatenkämpfer
ActionWas würdest du unternehmen, wenn du in einem Gefängnis unschuldige Personen töten müsstest? Genau, du würdest fliehen. Auch Joa reagiert so, allerdings wird er verfolgt. Als ob das nicht schon genug wäre, erfährt er auch noch, dass ein gewisser Bi...