|Schneeweiß|

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Jungkook hat den Schnee gehasst.

Nein. Falsch.

Jungkook hat nur die Kälte und die Nässe gehasst, die unweigerlich mit dem Schnee kommen.

Aber den Schnee hat er gemocht.

Schon seit Tagen hatte der Schnee sich mit einer großen, dicken Decke über die Stadt gelegt und Jungkook hat es geliebt. Jungkook hat es geliebt, wie die Flocken auf die Erde getaumelt sind und überall liegen geblieben sind. Aber das, was er am meisten geliebt hat, ist das Glitzern des Schnees gewesen.

Jungkook ist gerade zu seinem Heimweg von der Arbeit aufgebrochen, als die graue Wolkendecke, die schon seit Tagen am Himmel gehangen ist, endlich aufgerissen ist. Die angenehm warme Wintersonne hat alles um ihn herum zum Glänzen gebracht, ja selbst die Menschen. Jetzt hat auch Jungkook lächeln müssen. Wenn nicht bald irgendetwas Schönes passiert wäre, wäre sein Tag nach diesem verpatzten Kundenmeeting endgültig versaut gewesen.

Aber anscheinend hat das Schicksal es heute gut mit ihm gemeint. Jungkook hat sich gerade an die Bushaltestelle gestellt, um auf seinen Bus zu warten, der in ungefähr zehn Minuten kommen sollte. Neben der wunderschönen Winterlandschaft ist ihm noch etwas Anderes aufgefallen, das seine Aufmerksamkeit erregt hat.

Auf der anderen Straßenseite hat es einen Maronistand gegeben.

Wenn Jungkook etwas immer essen kann, dann sind es Maroni. Dieses Mal sind es aber gar nicht die Maroni an sich gewesen, die sein Hauptaugenmerk waren. Nein, vielmehr ist es der Verkäufer gewesen, von dem Jungkook nicht seine Augen abwenden konnte.

Das Lächeln des Verkäufers, das er jedem seiner Kunden schenkte, überstrahlte das Glitzern des Schnees um ihn herum.

Ab diesem Moment an hätte Jungkook alles getan, um auch nur einmal der Grund für dieses Lächeln zu sein.

Ich werde ja wohl einen Maroniverkäufer nach seiner Telefonnummer fragen können.

Entschlossen hat Jungkook den ersten Schritt auf die Straße gesetzt, um den Mensch mit dem wohl schönsten Lächeln kennen zu lernen.

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Nachdem Jungkook den Mut gehabt hatte, ihn anzusprechen, hat er Taehyung, den Verkäufer, näher kennengelernt.

Schon bald ist aus den beiden ein Paar geworden, unzertrennlich und extrem kitschig. Aber das hat den beiden überhaupt nicht gestört, denn immerhin liebten sie einander.

Zwei Jahre später sind sie zusammengezogen. Jungkook und Taehyug hatten sich eine kleine Wohnung am Stadtrand gesucht. Nicht zu weit weg von ihren Arbeitsplätzen, aber auch nicht mitten im Stadttrubel. Sie haben Möbel und Wandfarbe gekauft und haben angefangen, die Wohnung zu ihrem Zuhause zu machen.

„Jungkook?"

„Was ist, Baby?"

„Kannst du mir Ramen machen?"

Ungläubig hat Jungkook aufgelacht und seinen Freund erstaunt angesehen.

„Tae, wir haben gerade unsere gesamte Wohnung gestrichen und sind beide komplett fertig. Warum muss ich dir dann Ramen machen?"

„Weil du mich liebst."

Seufzend ist der Braunhaarige vom neu gekauften Sofa aufgestanden, um in Richtung Küche zu gehen.

„Da hast du leider verdammt nochmal Recht."

„Ich liebe dich auch, Jungkookie."

Für das Lächeln, das dann Taehyungs Gesicht geziert hat, hätte ihm Jungkook bis in alle Ewigkeit Ramen gekocht.

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Als Jungkook seine Diagnose bekommen hat, ist es schon längst zu spät gewesen. Die Ärzte haben ihm noch ein, maximal zwei Monate gegeben, bevor der Krebs in Jungkooks Körper schließlich sein Tod war.

„Nein! Jungkook, nein! Das werde ich nicht einfach so hinnehmen! Es kann doch nicht sein, dass die Ärzte gar nichts mehr tun können! Das glaube ich einfach nicht!"

Die Tränen sind aus den Augen seiner großen Liebe geflossen, als Jungkook ihm die Nachricht überbracht hatte.

„Tae, bitte weine nicht so. Das ertrag ich nicht..."

„Weißt du, was ich nicht ertrage? Die Tatsache, dass du in einem Monat nicht mehr bei mir bist! Verdammt, ich brauche dich doch!"

„Ich dich auch, Baby. Ich dich auch."

Und in dieser Nacht hat Jungkook nichts anderes tun können, als Taehyung in seinen Armen zu halten, bis er schließlich in einen unruhigen Schlaf gefallen ist.

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Sechs Woche sind vergangen, sechs wunderschöne Wochen mit Erinnerungen. Jungkook ist schon längst nicht mehr stark genug, um etwas zu unternehmen. So liegt er schon seit einer Woche im Krankenhaus, jeden Tag darauf gefasst zu sterben. Und Taehyung bleibt bei ihm, die ganze Zeit.

„Sag mal, Jungkook... Es tut mir leid, dass ich dich erst so spät frage, aber hast du eigentlich einen letzten Wunsch? Vielleicht kann ich dir ihn nicht mehr erfüllen und diese Tatsache hasse ich, aber wünschst du dir noch etwas, bevor du stirbst?"

„Da gibt es tatsächlich eine Sache. Versprichst du mir, dass du meinen Wunsch so gut es geht erfüllen wirst?"

„Natürlich."

„Lach. Selbst wenn ich jetzt bald nicht mehr bei dir sein werde, musst du lachen und froh sein. Ich will nicht, dass du um mich weinst. Erinnere dich lieber an unsere schöne Zeit und dann lach. Bewahre mich im Herzen und schenke anderen Leuten dein schönes Lächeln. Und bitte zeig es mir noch ein letztes Mal, bevor ich sterbe."

„Ich weiß nicht, ob ich das schaffe."

„Versuch es. Für mich."

Und Taehyung versucht es. Während die beiden bis spät in die Nacht in Erinnerungen schwelgen, die sich nie wieder wiederholen werden, lacht Taehyung.

Schneeweiß |Vkook|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt