Prolog

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Ein Krachen riss mich aus dem Schlaf. Meine Zimmertür flog gegen die Wand, im Türrahmen stand meine Mutter im Schlafgewand. Ihre sonst ordentlichen Haare hingen ihr jetzt zerzaust herunter. Ein kleiner Riss verunzierte ihre linke Wange, ein Tropfen Blut floss an ihrem Kinn hinab und fiel auf den Boden. Ihre Augen waren erschrocken aufgerissen, Panik zeichnete sich in ihrem Gesicht ab.

»Ramura! Lauf weg! Lauf und halt nicht an!«, ihre Stimme sprang eine Oktave höher.

Ungläubig starrte ich sie an.

»Wieso?«, brachte ich dann heraus.

»König Madings Krieger greifen an. Sie haben uns im Schlaf überrascht. Eine Kugel streifte mich. Dein Vater schrie mich an zu fliehen, aber ich werde hier bleiben und mit ihm känpfen, doch du musst gehen!« Während sie sprach, kam sie zu mir, packte mich am Arm und zerrte mich aus dem Bett.

»Los, du musst gehen, bevor sie dich sehen!«

Schon seit ein paar Jahren lagen wir mit König Mading im Krieg, aber dass er mal das Schloss angreifen würde, daran hatte ich nicht mal im Traum gedacht. Einige Male hatten meine Eltern schon gedrängt, dass ich fliehen und mich in Sicherheit bringen sollte, aber bisher hatte ich sie immer davon überzeugen können, dass ich hier bleiben möchte und es hier sicher genug sei. Doch jetzt würden sie mir nicht mehr zuhören, sondern mich so lange bedrängen, bis ich endlich ging. Ich wünschte nur, dass sie mitkamen. Jedes Mal, wenn sie meinten, dass ich abhauen sollte, hatte ich auch erwidert, dass sie dann aber mitkommen sollten. Und jedes Mal hatte mir mein Vater erklärt, wieso sie nicht gehen konnten.

Eine kleine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel. Meine Mutter hob die Hand und wischte sie weg. Dann nahm sie mich ein letztes Mal für unbestimmte Zeit in den Arm. Wie eine Ertrinkende hielt ich mich an ihr fest, bis sie sich von mir löste, mir noch einmal zunickte, sich dann umdrehte und aus meinem Raum ging. Ich wusste, dass sie nur so tat, als würde es ihr nichts ausmachen, aber ich hatte ihre Tränen gesehen. Einen kurzen Moment blickte ich ihr noch hinterher, bis ich mich bückte und unter mein Bett griff. Kurz tastete ich umher, bis ich endlich den kühlen Griff meines Schwertes spürte. Niemand wusste von diesem Schwert. Meine Mutter hätte geweint, weil ich so etwas Gefährliches in meinem Zimmer hatte, mein Vater hätte mich bestraft. Für ihn waren Waffen nur für Krieger bestimmt. Eine Prinzessin dürfte so etwas seiner Meinung nach nicht mal sehen. Doch in diesem Moment war ich froh, dass ich es besaß.

Mit dem Schwert bewaffnet ging ich zu meiner Zimmertür. Vorsichtig blickte ich den Flur rauf und runter. Weit und breit war niemand zu sehen. Doch der Anschein konnte auch trügen. Es gab unzählige Geheimgänge und Nischen, in denen man sich verstecken konnte. Plötzlich hörte ich in der Nähe Schritte. Blitzschnell zog ich mich in mein Zimmer zurück und schloss langsam die Tür. Kurz atmete ich durch, um meinen Herzschlag zu beruhigen, dann ging ich zu meinem Fenster und öffnete es langsam. Die Schritte im Flur kamen näher. Sie hörten sich schwer an. Vor meiner Tür verharrten sie. Schnell hing ich mir mein Schwert in meinen Gürtel ein. Dann schwang ich mich keinen Moment zu früh aus dem Fenster. Sanft landete ich auf dem Gras, während ich hörte, wie meine Tür aufging. Wie schon so häufig war ich froh, dass ich im Erdgeschoss schlief. Nachts schlich ich mich häufig aus meinem Zimmer, um draußen mit dem Schwert zu üben. Doch diesmal hatte ich dafür keine Zeit. Ich drehte mich um und lief los. Ein paar mal rutschte ich auf dem nassen Gras aus und wäre fast hingefallen, aber ich konnte mich noch gerade so abfangen.

Ich kam der Palastmauer immer näher, ohne jemandem zu begegnen. Die letzen Meter sprintete ich zur Mauer und wollte gerade hochspringen, als hinter mir eine Stimme ertönte.

»Halt!«, rief die Stimme. Doch ich dachte nicht daran, dem Befehl Folge zu leisten. Ich sprang hoch und hielt mich fest. Schnell kletterte ich die Mauer hoch und war gerade oben angelangt, als ich hörte, wie der Soldat hinter mir mich packen wollte, doch ich war schon zu hoch. Mit klopfendem Herzen ließ ich mich auf der anderen Seite herunterfallen. Unsanft kam ich auf meinen Füßen auf. Vor Schmerz keuchte ich kurz auf, aber ich wusste, dass ich nicht bleiben konnte. Also stand ich auf und lief weiter. Nahe unseres Schlosses war ein Wald, auf den ich nun zuhielt.

Erneut möchte ich mich hier noch Mal bei Ggsam3 bedanken, für das wunderschöne Cover.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt