Chapter 53

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Während Lukas neben mir schlief versuchte ich das auch zu tun, weil mein Körper mich förmlich anbrüllte zu schlafen. Ich hörte alle meine Lieder auf Zufallswiedergabe und versuchte dabei vor mich hin zu dösen. Ich schlief tatsächlich kurz ein. Als ich halbwegs bei Sinnen war versuchte ich zu erraten welches Lied es war und achtete deshalb auf den Text.

Es ist manchmal nicht einfach
In 'ner Welt wo du alles sein kannst
Und glaub mir, alles ist greifbar
In vier Dimensionen auf der Leinwand
Wir malen uns große Pläne
Wir sind alle Designer
Ein maßgeschneidertes Leben
Perfekt wie ein Steilpass
Ziehen links vorbei, Außenseiter
Brechen neue Türen auf, Wegbereiter
Wollen hoch hinaus, Himmelsleiter

Gib alles, nur nicht auf
Hol alles aus dir raus
Weil da immer, immer, immer
Jemand ist der auf dich baut
Gib alles, nur nicht auf
Denn keiner hält dich auf
Ganz egal wie hoch die Hürde ist
Wir wachsen über sie hinaus

Fragen uns: Wo werden wir landen?
Und wo's hinter'm Horizont lang geht
Machen uns so viel Gedanken
Vergleichen uns zu oft mit den andern
Und wenn das Leben Zitronen serviert
Dann sollte man sich bedanken
Nicht immer alles dramatisieren
Auch wenn's rund läuft gibt's Kanten
Ziehen links vorbei, Außenseiter
Brechen neue Türen auf Wegbereiter
Wollen hoch hinaus, Himmelsleiter

Gib alles, nur nicht auf
Hol alles aus dir raus
Weil da immer, immer, immer
Jemand ist der auf dich baut
Gib alles, nur nicht auf
Denn keiner hält dich auf
Ganz egal wie hoch die Hürde ist
Wir wachsen, wir wachsen über sie hinaus

Mir fiel es nicht ein, aber der Text berührte mich irgendwie.
Es ist die Wahrheit. Auch wenn's rund läuft gibt es Kanten. Es ist nie alles perfekt, sonst wäre es nicht das Leben. Aber genau deswegen darf man nicht aufgeben!

Diese eine Woche in Hannover verging wie im Flug. Ich hatte nicht viel an Lily gedacht und habe diese Zeit mit Lukas genossen. Wir haben viel mit Marie verbracht um sie ein bisschen aufzuheitern, was nicht nur ihr geholfen hat. Mir selber geht es wesentlich besser. Wir waren heute früh wieder mit Daniel in der Gemeinde. Interessanterweise war das Thema ein Vergleich von dem Leben auf der Erde mit dem was danach kommt. Die Unendlichkeit. Das was für immer bleibt.
Angesichts der aktuellen Situation, hat mich die Predigt sehr getroffen und ich hab die ein oder andere Träne nicht verdrücken können. Lukas hatte die ganze Zeit meine Hand gehalten um mir zu zeigen, dass ich nicht alleine bin. Der Mann der gepredigt hatte, hat an einem dicken Seil mit schwarzem Ende gezeigt, wie das Leben auf der Erde im Vergleich zu der Unendlichkeit ist. Das kurze schwarze Ende ist das Leben auf der Erde und der Rest des Seils ist die Unendlichkeit. Wir alle wissen, dass wir irgendwann sterben werden, aber keiner schaut auf das was nach dem Tod kommt. Was man nach dem Tod will. Christen glauben an Gott, weil sie in den Himmel wollen.
Manche sagen, dass Glauben was für Senioren ist, aber wie wir ja jetzt wissen, kann das Leben von jetzt auf gleich vorbei sein. Ein Unfall und das war's. Und deswegen finde ich, dass sich jeder damit beschäftigen sollte, solange man noch die Möglichkeit dazu hat. Und selbst wenn die ganze Sache mit Gott nicht wahr sein sollte, was haben wir denn zu verlieren? Also warum nicht probieren und hoffen?

Ich saß alleine im Zug auf den Weg nach Hause. Morgen musste ich wieder in die Schule, weil wir leider nur eine Woche Ferien hatten. Ich hatte mit Lukas besprochen, dass wir uns vorerst weniger treffen dürfen, da ich mich auf meine kommenden Prüfungen vorbereiten muss und mich nicht so ablenken lassen darf. Und ja, da sprach meine Mama aus mir raus.
Während der Zugfahrt recherchierte ich nach Berufen bei denen man mit Jugendlichen arbeiten kann. Mich interessierte das sehr und es kann nie schaden informiert zu sein.

**1 Jahr später**

Abitur Durchschnitt 1,8. Ich bin mega stolz auf mich. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so ein gutes Abi haben würde. Mein Entschluss für die nahe Zukunft stand fest.
Ich werde in Hannover eine Ausbildung zur Heimerzieherin machen. Ja ich weiß, dass normale Menschen mit gutem Abitur studieren gehen, aber mich interessiert das und warum sollte ich das nicht tun. Zur Not kann ich hinterher immer noch studieren. Ich ziehe in Hannover in eine kleine 3-Zimmer-Wohnung weil ich erstmal nicht mehr brauche und das so ziemlich das einzige war, was ich mir leisten konnte. Ich hatte inzwischen doch meinen Führerschein gemacht, den überraschenderweise meine Eltern komplett bezahlt hatten. Ich hatte mich in Hannover als Kellnerin in einer Eisdiele beworben um neben der Ausbildung ein bisschen Geld zu verdienen wegen der Miete von der Wohnung. Übermorgen habe ich dann ein Vorstellungsgespräch. Lukas wollte unbedingt was zur beisteuern und hatte mir deswegen die komplette Inneneinrichtung bezahlt. Ich konnte ihn nicht davon abhalten.

Es war Abend und ich lag in meinem leeren Zimmer. Die letzten Tage waren ein schreckliches hin und her zwischen hier und Hannover. Morgen würde ich das restliche Zeug mit nach Hannover nehmen und dann erstmal dort bleiben. Meggy will mit ihrem V nach Singapur gehen und sie träumt davon dorthin zu ziehen. Von Ria hab ich seit der Sache mit Leo nichts mehr gehört. Und Leo will Maschinenbau an der Fachhochschule Hannover studieren. Er hat mir tausend Mal gesagt, dass er nicht meinetwegen nach Hannover geht, aber Lukas meinte, dass er denkt, dass Leo immer noch Gefühle für mich hat. Lukas kommt inzwischen wieder ganz gut mit Leo zurecht, weil er inzwischen verstanden hat, dass er mich nicht so schnell los wird.
In drei Tagen ist dann der erste Tag der Ausbildung und ich bin schon gespannt auf das was mich erwarten wird.

Die Nacht verging wie im Flug und eh ich mich versah, saß ich im Auto und verabschiedete mich von meiner Familie. Meine Schwester war nicht dabei. Sie studierte jetzt Architektur und Bauwesen und müsste eigentlich schon längst mittendrin sein, weil das früher begonnen hatte und sie fast keine Ferien zwischendrin hatte. Helena ist quasi direkt von der Schule ins Studium. Mein Bruder hat zwar immer mal gesagt, dass er sich schon darauf freut, wenn ich mal ausziehen werde, aber jetzt war er wirklich ein bisschen traurig. "Kann ich nicht mit dir kommen? Das ist unfair. Lukas darf dich jetzt jeden Tag sehen und ich nicht." sagte er. "Aber du konntest mich 11 Jahre lang jeden Tag sehen." tröstete ich ihn. "Und ich komme euch ganz oft besuchen!" versprach ich auch meinen Eltern.
Nach einer traurigen Verabschiedung fuhr ich los, auf den Weg nach Hannover. Auf den Weg in einen neuen Lebensabschnitt.




Kiss me (Lukas Rieger FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt