Kapitel 138

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Jess:

"Ist alles okay?", fragte ich doch er schien mich gar nicht wahr zu nehmen.

"Ty?", fragte ich, doch noch immer kam keine Reaktion von ihm. Mein erster Griff ging nun zu seinem Arm und ich musste mit Erschrecken feststellen, dass sein Puls nur so raste.

"Scheiße! Ty? Kannst du mich hören?", fragte ich etwas lau-ter und in dem Moment schien er wieder in der Realität an zu kommen, um direkt bewusstlos in sich zusammen zu sacken. Routiniert führte ich meine Handgriffe durch und wenig spä-ter war er auch schon wieder wach und schaute mich groß an.

"Ist alles okay?", fragte ich.

"Was war das?", fragte er nur völlig Angst erfüllt.

"Das würde ich gerne von dir wissen. Was ist denn los?"

"Ich weiß nicht. Es war plötzlich wieder alles da. Als wär ich wieder da."

"Okay. Das nennt man einen Flashback. Der wird immer von ei-nem bestimmten Trigger ausgelöst. Also irgendwas, das dich an ein traumatisches Erlebnis erinnert und dich in diese Si-tuation zurück versetzt. Das war in dem Fall wahrscheinlich das Weinen von dem Kind."

"Das heißt das kann jetzt öfter passieren?"

"Das wird es. Immer, wenn dich irgendwas zurück erinnert. Aber dafür kann ich jetzt mit Sicherheit sagen, was dein psychisches Problem ist."

"Und das wäre?"

"Du hast eine Posttraumatische Belastungsstörung. Kurz auch einfach PTBS."

"Und das heißt?"

"Das, was du da erlebt hast, hat sich so in deinen Kopf ein-gebrannt, dass es dich nicht mehr los lässt und zum Beispiel in Form von Flashbacks und Alpträumen immer wieder vor dei-nem inneren Auge auftaucht."

"Und? Ist mir noch zu helfen?"

"Ja, aber ich kann dir da nicht helfen. Ich kenne allerdings jemanden, der das könnte und wenn du einverstanden bist, würde ich den anrufen."

"Wer ist das denn?"

"Der Bruder von einem ehemaligen Patienten. Der ist kurz vor Ende seiner Ausbildung als Psychotherapeut und meiner Mei-nung nach sehr gut. Wenn du willst ruf ich ihn an."

"Okay."

"Dann machen wir das so. Irgendwie kriegen wir dich schon wieder hin. Es wird hart, aber zusammen schaffen wir das."

"Danke! Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe!"

"Manchmal meint das Schicksal es eben auch gut mit uns. Wo warst du eigentlich im Einsatz?"

Die gesamte Nacht über unterhielten wir uns und er erzählte mir von den schrecklichsten Dingen, bis ich mich schließlich von ihm verabschiedete und über zum Stall fuhr.

Dort fanden sich die Anderen gerade in der Sattelkammer ein und schauten mich leicht schockiert an.

"Ist alles okay?", fragte Carol besorgt.

"Ja. War nur eine harte Nacht.", erklärte ich knapp, bevor wir uns den eigentlich vorgesehenen Themen widmeten. Ich er-wischte mich allerdings dabei, wie meine Gedanken immer wie-der zu Ty und den Geschichten der letzten Nacht wanderten. So verließ ich schließlich auch als Erste den Raum, doch Jo-hannes hielt mich zurück und fragte: "Wo willst du hin?"

"Zur Klinik. Ich muss da noch ein bisschen was klären und komme dann mit meinem Patient hier her."

"Als erstes kommst du jetzt mit mir nach Hause. Du siehst erbärmlich aus und du brauchst jetzt eine Pause. Zumindest für zehn Minuten. So lange kann dein Patient noch warten."

Angel behind the AppearanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt