Kapitel 5

13 1 0
                                    

Am nächsten Tag um 16:30 wachte ich orientierungslos in meiner Decke eingewickelt auf, und fühlte mich in erster Linie nicht mehr zugedröhnt und konnte klar denken. Ich lebe. Ich hab mir ein Messer in den Arm gerammt und lebe trotzdem noch. Wie ist das möglich? Ich möchte nich weiterleben. Wie hab ich das verdient?Mit zitternder Hand schiebe ich den Stoff des Ärmels weg. Eine riesige hässliche Narbe. Wulstig und weiss. Und doch irgendwie schön. Wie lange habe ich geschlafen? Wo bin ich? Wer hat mich gerettet? All diese Fragen schwirren mir durch den Kopf und bereiten mir Kopfschmerzen. Wie gern würde ich jetzt meine Mutter bei mir haben. Auch wenn sie mir das Herz gebrochen hat und all die Jahre mich im Stich gelassen hat, sich mit irgendwelchen giftigen Getränken vollgesoffen hat damit sie den Schmerz wegspülen kann und zu schwach war um vor ihm zu fliehen. Ich war ihr nicht mehr böse. Nein, ich empfand nur Trauer und Enttäuschung ihr gegenüber. Plötzlich tauchte das Bild meiner Mutter auf. Flashback: Meine Mutter tauchte wie immer wieder in meinen Zimmer, grün und blau geschlagen auf, und machte mir Vorwürfe. Sie war angetrunken und ihre Fahne roch man bis ins Badezimmer. Sie torkelte und setzte sich auf mein Bett und lallte irgendwas wie<<Gäbs dich nich wär ich schon längst von dem Schwein, du bist Schuld, wäre ich nicht so eine gute Mutter geht es dir so wie mir.>> Es machte mir nichts mehr aus. Auf mich wurde alles geschoben immer und überall.In der Schule. Zuhause. Jeden Tag ging das so. Sie kam in mein Zimmer und machte mir Vorwürfe. Nicht schlimm. Wäre sie nicht würde das Schwein auf mich losgehen. Dafür das es meiner Mutter so geht und verletze mich selbst. Die Last ist dann nicht mehr so schwer. Plötzlich veränderte sich die Stimmung im Zimmer. Alles war wie elektrisiert. Der Gesichtsausdruck meiner Mutter wurde aufeinmal anders. So...endgültig. Sie lächelte. Es war ein trauriges Lächeln. <<Ich liebe dich Maus, ich weiss was du alles durchmachen musstest. Es tut mir leid. Sie stand auf und rannte aus dem Zimmer. Wahrscheinlich wusste sie dass, wenn sie geht, mich verlässt und mit diesem Schwein allein lässt, ich mir alle Adern aufschneiden werde, das habe ich ja als Kind ja regelmässig mit der Rasierklinge versucht , um dir irgendwie klarzumachen wie furchtbar mein Leben ist. Wie von der Tarantel gestochen rannte ich dir nach. Du ranntest die Stiegen zum Dach hinauf. Fast hätte ich dich aufhalten können doch ich bin gestolpert. Dann als ich am Dach ankam sah ich dich. Am Rand des grauen Wohnblockes bist du gestanden. Deine schwarzen Haare flatterten und du hattest die Arme ausgestreckt. Plötzlich ging alles ganz schnell. Du bist gesprungen. Alles verlief in Zeitlupe. Du sahst aus wie ein schwarzer gefallener Engel. Du hattest sogar ein Lächeln auf den Lippen. Augenblicklich löste dich die Zeitlupe auf und du fielst. Ich rannte zum Rand des Daches(falls ihr euch fragt wie das ganze gegangen ist, es ist ein grosser grauer Wohnblock wo das Dach sagen wir mal gerade ist) und klammerte mich fest. Fast friedlich lag sie da. Als ich das Blut an ihrem Kopf sah, und das Blut das aus ihren Mund floss musste ich schreien. Ich schrie aus Leibeskräften. Der Schrei war entsetzlich. Ich schrie so laut das meine Stimme bald daraufhin erstarb. Menschen ringten sich um meine Mutter. Manche blickten zu mir mitleidig rauf doch alle starrten geschockt auf meine Mutter. Die Polizei und die Rettung waren schon da. Doch das nahm ich alles nicht wahr. Ich fühlte mich wie in Watte gestopft. Alles war still. Und immer wieder dieses Bild. Wie meine Mutter fast schwebte und lächelte. Und dann der Aufprall. Und das viele Blut. Ich nahm auch nicht war wie ein Notartzt an meiner Schulter rüttelte und mich ansprach. Immer nur dieses Bild meiner Mutter. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht hören, nicht sprechen. Ich sah immer nur dieses Bild meiner Mutter. Am Rande meines Bewusstseins bemerkte ich das ich aufgehoben wurde und in den Rettungswagen geschoben wurde. Meine Mutter auch. Lebte sie noch. Doch alles wurde ausgeblendet. Nur dieses Bild meiner Mutter. Mit einem Ruck fuhr der Wagen los und es kam mir vor als wären es Stunden öffnete sich die Tür. Meine Mutter wurde rausgebracht, eine Krankenschwester redete auf mich ein und nahm mich in den Arm. Doch da war immer wieder dieses Bild meiner Mutter. Wie ein Engel. Ich konnte mich nur bruchstückhaft an eine Psychologin erinnern,an meine Mutter die im Koma lag, und das du hirntot in einem diesen Vorabendserien entrissenen Krankenhausnachthemd gesteckt hast Mama, und ich war dazu verpflichtet eine Maschine auszuschalten, deretwegen dein Herz nicht zu schlagen hätte aufhören müssen. An alles nach deinem Tot kann ich mich haarklein erinnern. Wie ich wieder zu dem Schwein zurückgekehrt bin. Wie meine Selbstverletzungen und meine Depressionen immer schlimmer wurden bis ich beinahe das gleiche getan hätte wie du. Wie das Arschloch mir mein Leben noch erbärmlicher machte als es eh schon war. Wie mein Schlaf immer weniger wurde. Wie mein Leben immer mehr bergab stürtzte. Wie die Sehnsucht nach dir mich innerlich zeriss. Flashback Ende Die Tür wurde aufgerissen und riss mich aus meinen Erinnerungen. Eine Frau mit blonden Haaren und einen weissen Kittel trat ein. Sie hatte ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Zuerst stöckelte sie zu dem Fenster und kippte es, dann schnappte sie sich einen Sessel und setzte sich zu meinen Bett. Sie gab mir die Hand und sprach<<Guten Tag, mein Name ist Dr.Humer ich bin stationäre Jugendpsychologin in der Anstalt Wagner Aurik. Ich wurde ihnen zugeteilt und wir fangen besten gleich an.>> Ich nickte und sie wirkte erfreut. <<Also Nele, ich bin erst heute zu dir gekommen da ich dich ausruhen lassen wollte. Kommen wir-<<Mir wurden Medikamente verabreicht nicht wahr?>> Sie nickte und wirkte etwas enttäuscht. <<Ja wir wussten nicht wie du nach dem Aufwachen reagierst. Es tut mir leid. >> Eine Pause trat ein in der sie mich musterte und sich mehrere Sachen auf ihren Notizblock kritzelte. <<Also, Nele jetzt aber wirklich zu den Fragen. Wurdest du schon einmal psychologisch betreut?>> Ich schüttelte den Kopf. <<Irgendwelche schweren Krankheiten?>> <<Nein.>> Sie wirkte zufrieden und stellte weitere Fragen am Schluss erklärte sie mir noch wie der Ablauf in der Anstalt war und versicherte mir später noch einmal zu kommen. Sie kam mir nett vor und ich dachte mir dass es vielleicht doch nicht so schlimm ist das ich noch am Leben bin. Obwohl wenn ich eine Chance hätte es immer wieder tun werde. Um 18:00 ist Kantine und es ist 17:53 . Ich zog mir die Sachen an die mir von Zuhause mitgebracht wurden und ging zur Kantine. Ich war gespannt. Doch am meisten gespannt war ich auf das nächste Gespräch mit Dr. Humer.

RoadkillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt