Kapitel 145

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Jess:

"Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte ich höflich.

"Ich habe versucht mich um zu bringen.", antwortete die Frau und diesen Satz hatte ich in all meinen Dienstjahren noch nie gehört. Das überwältigte mich doch etwas. Was antwortete man auf so einen Satz?

"Entschuldigung, aber dann sind Sie hier bei uns falsch. Wir sind eine Entzugsklinik. Da müssten sie sich an einen Psy-chologen wenden.", sagte ich etwas unsicher.

"Ich habe mir absichtlich eine Überdosis Heroin gespritzt. Die Entzugskliniken, wo ich bisher war, wollten mich nicht aufnehmen.", fügte sie hinzu.

"Darf ich fragen warum?"

"Weil ich ein zu hoffnungsloser Fall bin. Eine Schwester in der letzten Klinik hat mich dann hier hin geschickt. Könnten Sie mir bitte offen und ehrlich sagen, ob es für mich noch eine Hoffnung gibt?"

"Hoffnung gibt es immer. Aber wollen sie mir vielleicht er-klären, warum sie ihrer Meinung nach so ein hoffnungsloser Fall sind?"

"Ich bin Opfer von mehrfachem sexuellen Missbrauch und wäre daran zuletzt beinahe gestorben. Danach bin ich weggelaufen und zum Heroin gekommen."

"Okay."

"Können Sie mir helfen oder ist es besser, wenn ich mich um-bringe?"

"Auf keinen Fall! Selbstmord ist nie eine Lösung. Wir krie-gen das schon hin. Hier sind Sie auf jeden Fall an der rich-tigen Adresse. Wir haben schon die schwersten Fälle wieder hinbekommen. Solange Sie nicht aufgeben schaffen wir das."

"Vielen Dank! Das ist das erste Mal, dass ich wieder ein bisschen Hoffnung habe."

"Das ist mein Job. Wenn sie einverstanden sind, würde ich dann jetzt mit einer Schwester sprechen und ein Zimmer für Sie suchen, damit sie stationär aufgenommen werden können."

"Natürlich bin ich einverstanden."

"Okay. Dann bin ich in zwei Minuten wieder bei Ihnen."

"Könnte ich vielleicht mitkommen?"

"Natürlich.", sagte ich und ging mit der Frau zusammen zu Kasey, die gerade mit einer der Schwestern sprach.

"Haben wir in der Nähe von meinen Zimmern noch ein Zimmer frei?", fragte ich.

"Wir haben nirgendwo ein Zimmer frei.", antwortete sie.

"Können wir dann irgendwo noch ein Bett mit rein schieben?"

"Wir haben nichts mehr frei. Wir können niemanden mehr auf-nehmen. Es tut uns sehr leid, aber Sie müssten entweder die Möglichkeit einer ambulanten Therapie in Anspruch nehmen, oder in zwei Wochen nochmal vorbei kommen. Ansonsten kann ich sie nur an eine andere Entzugsklinik verweisen.", sagte Kasey nun an die junge Frau gerichtet.

"Die anderen Entzugskliniken hab ich schon durch. Dann soll es wohl nicht sein. Ich bedanke mich dennoch für Ihre Bemü-hungen.", sagte die Frau und wand sich schon zum Gehen ab.

"Stopp! Sie bleiben bitte hier. Wir müssen doch noch ein Bett oder irgendwas frei haben!", hielt ich sie zurück.

"Nein. Das haben wir nicht. Es tut mir leid, aber wir können niemanden mehr aufnehmen."

"Was ist mit Ty's Zimmer?"

"Das braucht er und das weißt du selber am Besten."

"Dann nehm ich sie eben mit."

"Das geht nicht! Du hast so schon viel zu viel zu tun!"

"Wir können sie nicht weg schicken! Sie braucht Hilfe! Und das reicht nicht erst in zwei Wochen! Das weißt du selber!"

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