Kapitel 69

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Ich fühlte mich so wohl mit Erik. Es war als wären wir nie getrennt gewesen. Ich genoss es einfach von ihm im Arm gehalten zu werden. Es fühlte sich so gut an.
"Na, meine Süße. Du strahlst ja so." Ich zuckte erschrocken zusammen. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass Karin ins Zimmer gekommen war. "Hat Erik dich noch am Strand gefunden?" Ich schaute sie verwundert an.  "Schau nicht so. Ich habe doch gestern gesehen wie er dich anhimmelt und als ich ihn heute früh in der Lobby gesehen habe, habe ich ihm vielleicht einen kleinen Tipp gegeben. Und so wie es aussieht, war das vollkommen richtig." Ich grinste Karin an und nickte wild mit dem Kopf.
"Und wie war deine Wanderung?" Ich wollte irgendwie geschickt erst einmal vom Thema Erik ablenken. Karin schnaufte und machte eine abwertende Handbewegung "Hör mir auf. Das waren alles nur alte Leute von über 50, die bei jedem bisschen geschnauft haben wie eine Dampflok. Hätten sie mir nicht die ganze Zeit an meinen Ohren rumgeknabbert, wären sie vielleicht auch mal zum Atmen gekommen und wären nicht ausser Atem gewesen. Aber die Aussicht war wirklich spitzenmässig. Nochmal mache ich da aber nicht mit. Frühestens wieder in zwanzig Jahren, wenn ich senil bin." Okay, das war dann wohl wirklich nichts für Karin. Obwohl ich schon grinsen musste, wenn sie von alten Leuten sprach, obwohl die dann ja wohl in ihrem Alter waren. Ich musste aber auch sagen, dass Karin viel jünger wirkte und auch noch ziemlich sportlich war. Da hatte ich sogar meine liebe Mühe mitzuhalten.
"So, jetzt erzähl aber lieber mal, was du und Erik so gemacht habt? Habt ihr alles geklärt?" Ich wurde von einem neugierigen Blick durchleuchtet. Was sollte ich denn jetzt sagen?
"Da sind wir noch gar nicht zu gekommen." Das war doch schon mal ein Anfang. Karin schüttelte missbilligend den Kopf "Ihr müsst euch aber aussprechen. Wie sollt ihr denn sonst eine Zukunft haben."
"Das macht doch sowieso keinen Sinn. Wir haben keine Zukunft. Erik wird wieder irgendwo in Europa Fussballspielen und ich bekomme ein Kind von einem anderen. Also kann ich die Zeit hier im Urlaub mit ihm genießen. Aber das war es dann auch schon. Das ganze hat ein Ablaufdatum. Außerdem, wieso willst du, dass ich mich mit ihm aussöhne? Ich bekomme ein Kind von deinem Sohn und du versuchst mich zu verkuppeln. Das verstehe ich echt nicht." Irgendwie war das doch total creepy. Eigentlich müsste Karin doch jeden Mann in meiner Umgebung eher wegbeißen.
"Mein Sohn war ja leider dümmer als die Polizei erlaubt, sich gegen dich zu entscheiden. Ich frage mich noch immer, was ihn da geritten hat. So viel Blödheit müsste eigentlich verboten werden. Scheinbar haben ihm die vielen Kopfbälle ernsthaft geschadet, denn ich kann dir versichern, dass er mir nicht vom Wickeltisch gerollt ist, was dann vielleicht als Entschuldigung für soviel Dämlichkeit gelten könnte. Ich möchte, dass es meinem Enkelkind gut geht. Das tut es aber nur, wenn es seiner Mutter gut geht. Und ich sehe wie gut dir Erik tut. So glücklich und strahlend habe ich dich schon lange nicht mehr gesehen." Ich schaute Karin verwundert an. Hatte sie damit recht? Ich hatte die Zeit mit Erik wirklich genossen und ich freute mich schon riesig ihn nachher beim Essen wiederzusehen. Ein Lächeln schlich sich in mein Gesicht.
"Siehst du, das meine ich. Du lächelst seelig. Weiß er schon, dass du schwanger bist?" Das war jetzt eine ziemlich kalte Dusche. Ich schüttelte den Kopf "Ich habe es ihm nicht gesagt, aber es ist ja auch nicht mehr zu verstecken. Man sieht es doch schon."
"Also, ich finde in diesen süßen Hängerkleidchen, die du immer trägst, sieht man das überhaupt nicht. Und Männer sind da sowieso noch etwas unterbelichteter."
"Wenn ich ihm das sage, dann bekommt er doch sofort das Rennen. Kein Mann will das Kind von einem anderen Kerl. Und außerdem ist er doch nach dem Urlaub sowieso wo auch immer. Also no future together. Da kann ich mir den Stress auch sparen."
Karin setzte sich neben mich auf das Bett und legte mir einen Arm um die Schulter "Gib ihm doch wenigstens die Chance das selber zu entscheiden, ob es ihn stört. Es gibt doch mittlerweile genug Patchwork Familien. Und wieso solltet ihr keine Zukunft haben? Aber eine gemeinsame Zukunft setzt Ehrlichkeit voraus und ihr müsst eure Altlasten beseitigen. So wie ihr euch anschaut, wäre es wirklich schade dem ganzen nicht einmal eine Zukunft zu geben. Denk wenigstens einmal darüber nach." Ich schaute Karin zweifelnd an. Erik würde sich niemals für mich und das Kind entscheiden. Außerdem würde er nach Spanien oder Italien wechseln oder in England bleiben. Vor einem Jahr wäre ich noch mitgegangen. Aber jetzt musste ich nicht nur an mich sondern auch noch an meinen kleinen ungeborenen Sohn denken. Ich wollte, dass er zusammen mit Jasis und Franzis Kindern in unserer Privatkita aufwuchs.  Ich musste auch berücksichtigen, dass ich Alleinversorger war und nicht einmal einen Abschluss oder eine Ausbildung hatte. Kein Mensch außer meiner Freundin würde mir einen entsprechenden Job bei einer so guten Bezahlung und so wenig Arbeitszeit, die ich mir auch noch weitestgehend frei einteilen konnte, geben. Ich war also ortsgebunden. Was sollte ich da Erik oder mir etwas vorgaukeln? Das war alles zum Scheitern verurteilt. Es gab nur die Chance auf einen Urlaubsflirt und nicht mehr. Die Frage war nur, warum schmerzte mich diese Erkenntnis gerade so? Wieso schlug mein Herz immer noch oder besser gesagt wieder für den Kerl, der mich einfach hatte sitzen lassen? Wieso konnte ich ihm nicht einmal mehr böse sein? Hatte Karin vielleicht doch recht und wir könnten eine Chance zusammen haben? Ich fühlte mich gerade total zerrissen zwischen Hoffnung und Desillusionierung. Das war doch echter Mist. Sollte ich mit Erik reden und riskieren ihn sofort zu vertreiben? Oder sollte ich lieber die Klappe halten und die Zeit, die uns blieb genießen.? Wenn er es herausfand, konnte ich ja immer noch beichten, wenn ich denn überhaupt noch die Chance dafür bekam, ehe er mit einer Staubwolke hinter sich verschwand. Wahrscheinlich würde er sofort den Turbo zünden und ward nicht mehr gesehen.
"So, dann lasse uns mal zu deinem Verehrer in den Speisesaal gehen. Er wartet bestimmt schon sehnsüchtig auf dich.", zwinkerte mir Karin zu "Du siehst auch wieder richtig hübsch aus. Er wäre wirklich dumm, wenn er sich euch beide entgehen lassen würde."

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt