Kapitel 71

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Ich lag jetzt schon den zweiten Tag in meinem Bett und weigerte mich das Zimmer zu verlassen. Mein Handy hatte ich in den Flugmodus versetzt. Erik hatte doch wirklich etliche Male versucht mich anzurufen bis ich die Nase voll hatte. Jetzt war wenigstens Ruhe. Ich hatte nämlich nicht die geringste Lust mir von ihm noch irgendwelche weiteren blöden Sprüche reindrücken zu lassen. Er sollte jetzt mal gar nicht so tun als hätte ich ihn verarscht. Wenn er ehrlich wäre, würde er zugeben, dass er mich sowieso wieder im Stich gelassen hätte. Er hatte von Braten in der Röhre gesprochen. Das war ja mal so etwas von unverschämt und abwertend. Das würde ich ihm niemals verzeihen. Es machte mich unglaublich wütend.
"Mensch Kathi, du musst heute aber endlich mal wieder aufstehen und ordentlich etwas essen gehen." Karin schaute mich besorgt an. Die letzten zwei Tage hatte sie mir immer etwas mitgebracht.
"Ich will aber nicht diesem Vollspaten über den Weg laufen.", schniefte ich "Du weißt genau wie unmöglich er sich verhalten hat und wie er meinen Sohn genannt hat." Wieder liefen mir Tränen über die Wangen.
Karin schüttelte verständnislos ihren Kopf "Klar, war das nicht schön, aber bestimmt hat er das nicht so gemeint. Männer hauen diesen Spruch doch gerne heraus, ohne wirklich etwas Böses dabei zu denken. Lasse es ihn doch erklären."
"Nein, auf keinen Fall. Ich lasse mich nicht wieder verletzen. Ich muss auch an meinen Sohn denken." So weit kam es noch. Obwohl Erik mir unwahrscheinlich fehlte. Aber da das alles sowieso keine Zukunft hatte, war es ganz gut, dass ich so früh wie möglich damit abschloss.
"Genau, du musst an deinen Sohn denken. Und deshalb machen wir beide nachher einen Ausflug. Du brauchst mal wieder frische Luft und ein bisschen Sonne, die dir auf die Nase scheint. Außerdem musst du auch mal wieder vernünftig essen. Du machst dich jetzt im Bad fertig und ziehst dir was Hübsches an und ich organisiere uns einen Mietwagen. Widerspruch ist zwecklos.", grinste mich Karin an als ich gerade den Mund aufmachen wollte. "Aber wenn wir Erik über den Weg laufen.", versuchte ich es doch noch. Darauf hatte ich wirklich absolut keine Lust. "Keine Angst, ich habe gestern gesehen wie er ausgecheckt hat. Und mache dich richtig schick, verstanden." Ich nickte nur. Ich hatte zwar keinen Plan, wo sie mit mir hin wollte, aber sie schien sehr entschlossen. Und so viel hatte ich schon gelernt, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war sie nicht mehr zu bremsen. Deshalb schlurfte ich also total energiegeladen ins Bad als hinter mir schon die Zimmertür zufiel. Tornado Karin war also schon auf ihrem Weg. Aber eigentlich hatte sie ja recht. Ich musste wirklich einmal wieder raus. Ich konnte mich ja nicht ewig verkriechen und wenn Erik weg war, brauchte ich ja auch keine Angst mehr vor einer Konfrontation zu haben. Obwohl der Gedanke, dass er wieder einfach so verschwunden war einen ziemlich miesen Stich ins Herz gab. Auch wenn ich mich geweigert hatte mit ihm zu reden, hätte er doch etwas mehr kämpfen können. Aber was hatte ich erwartet? War doch klar, dass er wieder den einfachsten Weg ging. Wieso hätte es diesmal anders sein sollen? Ich hatte es vorher gewusst. Warum war ich jetzt überhaupt so enttäuscht? Mein kleines dummes Herz hätte halt lieber auf den Verstand hören sollen. Mein Blick fiel in den Badspiegel. Oh mein Gott. Meine Augen sahen rot und angeschwollen aus und meine Haare sahen aus wie nach einer mittleren Fönexplosion. So wie ich aussah, hätte ich sofort einen Job in der Geisterbahn bekommen, nicht an der Kasse sondern als Hauptact. Ich stellte mich also erst einmal unter die Dusche und genoss das Wasser, das auf meinen Körper prasselte.
Nachdem ich endlich alle Restaurationsarbeiten abgeschlossen hatte, war ich in mein Lieblingskleid geschlüpft. Ich hatte mich sogar dazu überwunden mich dezent zu schminken. Naja, irgendwie mussten ja die fetten Augenringe verschwinden. Ein Hoch auf den Erfinder des Concealer. Jetzt schlüpfte ich in meine Ballerinas. Ja, ich hatte mich für die nächsten Monate von meinen High Heels verabschiedet. High Heels und fortgeschrittene Schwangerschaft passten irgendwie nicht zusammen. Also lief ich zwergig durch die Gegend. Das ist nun mal so, wenn man es nicht einmal auf 1,60 brachte.
"Süße, du siehst wirklich hübsch aus." Karin zog mich in ihre Arme und drückte mich. Das tat richtig gut. Irgendwie fühlte ich mich gleich besser. "So, jetzt lasse uns aber mal los, wir haben noch ein ganzes Stück zu fahren." So langsam wurde ich echt neugierig. Was hatte sie sich nur einfallen lassen?
Die Sonne strahlte vom Himmel und der Wind wirbelte durch meine Haare. Karin hatte allen ernstes einen Fiat 500 Cabriolett für uns gemietet. Ich hatte ihr wohl schon zu oft von meinem Traumauto vorgeschwärmt. Ich guckte grinsend zu Karin, die konzentriert fuhr. Sie hatte sich wirklich nicht aus der Nase ziehen lassen, wo sie hin wollte. Es sollte eine Überraschung werden. Ich genoss einfach die Fahrt und war gespannt auf die Überraschung. Wir fuhren eine Bergstraße hoch. Irgendwie kam es mir bekannt vor. Waren wir hier nicht auch schon mit Erik gewesen? Wenn mich nicht alles irrte, ging es hier zu einem alten Kloster. Genau, hier war das Kloster Ronda. Mir hatte dort der Ausblick so gefallen. Das Restaurant sah auch vielversprechend aus. Erik hatte mir noch versprochen, dass wir beide hier noch einmal herkamen und dann dort essen gehen würden. Warum dachte ich denn jetzt schon wieder an den. Ich schüttelte den Kopf über mich als auch schon mein Blick zum Horizont fiel. Das gab hier bestimmt bald einen wunderschönen Sonnenuntergang. Karin war wirklich die beste.
"Los, hopp aus dem Auto Kathi. Ich muss noch das Verdeck schließen.", strahlte sie mich an. Und das konnte sie nicht, wenn ich im Auto saß? Naja, war ja auch egal. Ich stieg also aus. Daran sollte es ja nicht scheitern. Kaum, dass ich die Tür zugeschlagen und einen Schritt weg gemacht hatte, parkte Karin auf einmal wieder rasant aus. Was sollte das denn jetzt? Ich schaute hoch und entdeckte das Schild mit dem Rollstuhl. Okay, das erklärte das natürlich. Bestimmt fanden es die Spanier auch nicht so toll, wenn man einfach auf den Behindertenparkplätzen parkte. Aber wieso gab Karin so Gas? Wo wollte sie denn hin? Da war doch gleich ein normaler Parkplatz frei. Ich schaute Karin und dem Auto hinterher, das wieder auf die Straße fuhr. Musste ich das jetzt verstehen? Was sollte das denn? Bestimmt kam sie gleich wieder. Vielleicht sollte ich einfach in das Restaurant gehen und dort auf sie warten. Ich setzte also einen Fuss vor den anderen und lief ganz langsam zum Eingang. Gerade als ich die Tür erreichte, piepste mein Handy.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt