15. Kapitel

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Es gab keine Entschuldigung dafür, dass Chanyeol bei Yeojin war. Er wusste genau, wie sie mich zu unserer Schulzeit gemobbt und mir das Leben zur Hölle gemacht hatte. Sie hatte durchgehend versucht unsere Beziehung kaputt zu machen und ein paar Mal war es ihr sogar fast gelungen.
Ich verstand es einfach nicht, er konnte sie nie leiden. Warum ausgerechnet sie?

Fest schmiegte ich mich in meine Bettdecke und suchte Schutz in der stickigen Wärme, ich zog sie über meinen Kopf. Vergeblich versuchte ich einzuschlafen, zwang meine Augen dazu, sich nicht mehr zu öffnen.
Immer wieder kreisten meine Gedanken um Chanyeol und Yeojin. Ich kniff meine Augen kurz fest zu und biss die Zähne zusammen. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Erneut stiegen mir Tränen in die Augen. Ich drehte mich ruckartig auf die andere Seite und lenkte mich ab, indem ich auf meine eigenen Atemzüge achtete und ihnen zuhörte. Meine Atmung wurde gleichmäßiger und ich beruhigte mich allmählich.

Mir fiel ein, dass morgen jemand kommen würde, der meine Wohnung begutachtete und das ich dafür nicht so unausgeschlafen aussehen sollte.
Also zwang ich mich, an einen Hund zu denken und daran, was ich sagen sollte. Ich stellte mir vor, wie ein Hund meine Sehfähigkeit übernahm und mich durch meinen Tag führte.
Schlussendlich schlief ich doch ein, aber ich wurde die gesamte Nacht von Albträumen geplagt.

''Ihre Wohnung gefällt mir. Sie ist groß genug um einen Hund zu halten. Solange Sie nicht vorhaben, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, sehe ich da keine Probleme.''
Das freute mich zu hören und ich lächelte breit. Schnell schüttelte ich den Kopf. ''Nein, das habe ich nicht vor.''
''Sehr gut. Dann müssen Sie nochmal zum Arzt um einen Allergietest zu machen. Wenn Sie gegen Hunde allergisch wären, ginge das natürlich nicht mit einem eigenen Hund.''
Verstehend nickte ich. Ich wusste genau, dass ich nicht allergisch war, aber die brauchten eine Bestätigung. Es war klar, warum sie die brauchten und wäre ich nicht so ein ungeduldiger Mensch, fänd ich das toll, dass die auf sowas so viel Acht geben.
''Kennen Sie sich mit Hundehaltung aus?''
Vor der Frage hatte ich etwas Angst, denn ich hatte noch nie einen Hund gehabt. Mein Zögern deutete er richtig.
''Das ist nicht so schlimm. Bei Blindenhunden muss man sowieso etwas mehr beachten. Sie werden noch gut genug informiert, machen Sie sich keinen Stress. Viele Blinde hatten noch nie zuvor einen Hund.''
Erleichtert atmete ich aus und nahm mir vor, mich dazu etwas zu erkundigen.
Wir redeten noch ein wenig und er stellte mir einige weitere Fragen und beantwortete auch meine und ich hatte wirklich einige.

Als er ging, spürte ich ein Kribbeln in meinem Bauch, schon jetzt spürte ich die Aufregung in mir und diese entsetzliche Ungeduld.
Um mir die Zeit zu vertreiben las ich ein weiteres Buch in Brailleschrift, die ich mittlerweile besser lesen konnte. Meine Fortschritte machten mich stolz und so las ich bis zum Abend.
Abendessen war immer noch schwierig, ich konnte nichts anderes machen außer Brot oder Müsli. Essen zu bestellen fand ich auch nicht gut, da ich noch nicht genau die Geldscheine auseinanderhalten konnte und ich Angst hatte, zu viel zu bezahlen.

Da mein Handy immer noch auf stumm war, wusste ich nicht, ob Chanyeol mich wieder versucht hatte zu erreichen.
Angespannt entsperrte ich mein Handy und automatisch teilte es mir mit, dass ich insgesamt 13 Nachrichten von Chanyeol hatte und 16 verpasste Anrufe.
Laut seufzend ließ ich mir die Nachrichten vorlesen und hörte meine Mailbox ab.

Er hatte mir geschrieben, er könnte alles erklären und es wäre ein Missverständnis. Es täte ihm Leid und das er mich liebt und vermisst.
Auf der Mailbox klangen die Nachrichten nicht anders. Ich sollte mich melden.
Aber das konnte er vergessen. Glaubte er wirklich, ich würde mich jetzt einfach so melden? Nachdem er ohne ein Wort verschwunden war?
Verächtlich schnaubte ich und verfasste eine Nachricht an Chanyeol.
''Chanyeol, du kannst deine schlechten Ausreden jemand anderen erzählen. Zum Beispiel Yeojin. Lass mich in Ruhe und melde dich nie wieder bei mir.'' Ich schickte es ab und blockierte ihn dann. Zudem blockierte ich seine Anrufe. Er konnte mich jetzt nicht mehr erreichen.
Vielleicht übertrieb ich, aber ich war so wütend und verletzt, dass ich es nicht mehr aushielt.
Und eigentlich hatte ich angenommen, danach würde es mir besser gehen, doch ich fühlte mich elend.
Jetzt freute ich mich, dass morgen Sonntag war und ich mich den ganzen Tag in meinem Bett verkriechen konnte und im Selbstmitleid baden konnte.

Flüchtig putzt ich mir meine Zähne und war ausnahmsweise wieder glücklich nichts sehen zu können, da ich mir sicher war, dass ich grauenvoll aussah.
Schnell zog ich mich um und ließ meine Sachen einfach auf dem Boden liegen.

Erst als ich im Bett lag, wurde mir klar, dass ich mit Chanyeol Schluss gemacht hatte. Nach all den Jahren war unsere Beziehung kaputt.
War es Yeojin's Schuld oder meine?
War ja auch egal. Jetzt hatte Yeojin ihr Ziel erreicht und sie konnte Chanyeol für sich haben.
Der Gedanke depremierte mich und ich fing an zu weinen, bei dem Gedanken, dass es vorbei war mit Chanyeol. Unsere gemeinsame Zeit zog vor meinem inneren Auge an mir vorbei und ich bekam kaum Luft.
Jetzt war ich wirklich alleine und ich hatte keine Freunde die mir jetzt beiseite stehen könnten. Ich hatte niemanden.

Ich hatte niemanden und war blind. Ich hatte keine Zukunft. Meine Zukunft war ungewiss und wie meine Behinderung war alles schwarz, ich sah sie nicht.
Ich sah gar nichts.

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𝒃𝒍𝒊𝒏𝒅 || 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒃𝒂𝒆𝒌/𝒃𝒂𝒆𝒌𝒚𝒆𝒐𝒍 [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt