Bärenschwestern und Teddybärenmörder

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Reyna starrte den Bären an. Als sie das Klopfen an der Tür gehört hatte, hatte sie sich schon gewundert. Wer besuchte schon zwei Mädchen in einem einsamen Haus im Wald? Doch jetzt stand da ein ausgewachsener Braunbär auf den Hintertatzen vor ihr. "Wie kann ich helfen?", fragte sie höflich, doch ihre Stimme zitterte. Ihre Schwester Hylla rief aus der Küche: "Wer ist da, Reyna?"
Der Bär brummte: "Ich bin nur ein Bär auf der Suche nach einem Schlafplatz für den Winter. Würdet ihr mich wohl bei euch unterkommen lassen?"
"Aber natürlich!" Hastig ließ Reyna ihn eintreten.
Hylla war aus der Küche gekommen und als sie den Bären sah, fiel ihr vor Schreck das Geschirrtuch aus der Hand. Reyna sah sie an: "Ähm, das ist... Wie heißen Sie? Er würde gern bei uns überwintern."
"Nennt mich einfach Herr Bär."
"Also, Sie wollen bei uns Winterschlaf halten, Herr Bär? Ich- ich mache ihnen sofort ein Bett."
Hylla verschwand im Gästezimmer. Als sie alles hergerichtet hatte, bedankte sich Herr Bär nochmal für die Gastfreundschaft und legte sich dann nieder. Den ganzen Winter bemerkten die Schwestern nichts mehr von ihm. Die anfängliche Angst vor dem Tier kam ihnen schon bald lächerlich vor und sie machten sich über sie lustig. Das war so gar nicht typisch für sie! Als die ersten Schneeglöckchen im Garten zu blühen begannen, wachte der Bär auf. Er bedankte sich erneut und verließ die beiden Schwestern. Für ein paar Wochen blieb der Vorfall unangesprochen. Dann, als die beiden im Wald waren, um Beeren zu pflücken, passierte etwas anderes. Reyna fand einen hohlen Baumstamm. Und in dem Loch an einem Ende steckte ein Junge. Beziehungsweise, sein Kopf steckte darin. Der Rest seines Körpers stemmte sich gegen den Stamm, um freizukommen und er fluchte lautstark. "Hey!", reif Reyna.
Auch Hylla war mittlerweile bei ihnen.
"Hallo?", die Stimme des Jungen drang dumpf durch den Baumstamm. "Ist da jemand?"
"Ja, hier sind sogar zwei Jemande. Sollen wir dir helfen?"
"Nein. Geht einfach weiter. Natürlich sollt ihr mir helfen!"
Reyna und Hylla wechselten einen skeptischen Blick. Doch dann packten sie den Jungen und zogen ihn mit vereinten Kräften aus dem Baumstamm. Als er frei war, funkelte er sie beide mit blassblauen Augen. Überhaupt schien alles an ihm blass: Seine weißblonden Haare, seine Haut, ja sogar seine seltsame Kleidung. Er trug eine Art weißes Tuch, das er sich um den Körper gewickelt hatte, als hätte er kein Gewand und hätte stattdessen die Tuchent seines Bettes nehmen müssen. Und genau an diesem Tuch zupfte er jetzt wütend. Als Reyna und Hylla ihn nämlich aus dem Baum gezogen hatten, hatten sie es versehentlich eingerissen. "Wie könnt ihr es wagen, meine Kleidung zu zerstören?!"
"Versuch es nochmal. Ein Dankeschön wäre nämlich angebracht", schnaubte Hylla.
"Von wegen Dankeschön! Ihr habt mein Eigentum zerstört!"
Mit diesen Worten stürmte er in den Wald davon, vorbei an einem blonden Jungen, der eine Gans unter dem Arm hatte und verwirrt zu Reyna und Hylla hinübersah, als er weiter seines Weges ging. Kopfschüttelnd gingen die beiden wieder ans Werk, schließlich hatten sie noch kaum Beeren gepflückt.
Als sie am nächsten Tag an den See gingen, um Fische zu fangen, begegneten sie wieder dem blassen Jungen. Diesmal hatte er es geschafft, sich von Kopf bis Fuß in eine Angelschnur zu verwickeln. Er sah die beiden auf sich zukommen und sofort zogen sprichwörtliche Gewitterwolken auf seinem Gesicht auf, doch er ließ zu, dass sie die Schnur zerschnitten und ihn befreiten. Doch sobald er frei war, begann er zu zetern: "Ihr habt mich geschnitten, schaut, ich blute ja!"
Wütend zeigte er ihnen seinen Arm vor, wo sie ihn tatsächlich ein wenig mit der Schere gestreift hatten. "Ihr Dämoninnen!"
Er rauschte wieder ab. Reyna und Hylla ließ das schon völlig kalt und sie angelten einfach.
Am nächsten Tag arbeiteten die beiden im Garten und rupften Unkraut, als wieder der blasse Junge auftauchte. Beziehungsweise, er flog vorbei. Ein Vogel, der so groß war, dass es womöglich ein Roch oder ein anderes mythologisches Wesen war, trug ihn zwischen in seinen Krallen. Das Gezeter des Jungen war vermutlich noch am anderen Ende des Waldes zu hören. Hylla warf Reyna einen Blick zu, dann schoss sie seufzend einen Pfeil ab. Er explodierte kurz vor dem Vogel, der den Jungen sofort fallen ließ. Dieser landete hart auf dem Hintern. Dabei verlor er einen Sack und Gold, Silber und Edelsteine verteilten sich auf dem Waldboden. Neugierig kamen Reyna und Hylla näher. Plötzlich zerriss ein lautes Brüllen die stille Waldluft und ein großer Braunbär kam durch das Gestrüpp gebrochen. Sofort erkannten die Schwestern als Herrn Bären. Doch er bemerkte sie gar nicht, sondern schlug mit seiner Pranke nach dem Jungen, der daraufhin durch die Luft segelte. Dem Geräusch beim Aufprall zufolge war es ziemlich unwahrscheinlich, dass er noch lebte. "Weg mit Schaden", knurrte Herr Bär, während er die am Boden verstreuten Schätze aufsammelte. Dann plötzlich veränderte sich seine Gestalt und ein hübscher junger Mann mit blonden Haaren und einer Narbe an der Lippe stand vor den Mädchen. Er verneigte sich. "Danke für eure Hilfe, Myladys. Dieser undankbare Wicht hat schon lang versucht meine Schätze zu stehlen. Aber wenn Ihr mich entschuldigt - ich muss nachhause!"
Mit diesen Worten machte er kehrt. "Warte!", rief Reyna. "Wie heißt du?"
Er drehte sich ein letztes Mal um. "Ich bin Prinz Jason!"

Blödes Wetter. Warm aber windig. Und ich hab jetzt Husten. Yay. Na ja, hier das neue Kapitel! Auf das Kapitel nächste Woche freue ich mich übrigens schon ewig. Dann erfahrt ihr endlich, wer der blonde Junge mit den Tieren und dem Cameo-Auftritt in jedem Kapitel ist! (Tipp: Es ist nicht Stan Lee) Und im übernächsten Kapitel erfahren wir dann wohl auch, was Jason jetzt so erlebt...
Eure euch nicht weiter spoilern wollende
Luna_Levesque

Helden des MärchenwaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt