17. Kapitel

138 16 2
                                    

Die nächste Woche war aufregend, mein Trainer fuhr wieder mit mir Bus und erzählte mir während der Fahrt, dass ein Gruppenausflug geplant war. Es sollte in einen Naturschutzgebiet gehen, nicht weit entfernt von Seoul. Dort würden wir mit einem Mitarbeiter auf geraden Wegen gehen und sollten mehr über die Wälder, Natur und Tiere lernen. Ich fand es ganz interessant und bejahte die Frage, ob ich mitwollte. Der Preis war sehr gering, da der Ausflug größtenteils durch Spenden finanziert wurde.

Am Mittwoch begleitete mich meine Mutter zum Arzt und ich wurde auf Allergien getestet. Die Freude war groß, als der Test negativ ausfiel und nichts mehr gegen den Hund sprach. Der Arzt frischte ein paar Impfungen auf und drückte mir die Ergebnisse des Tests in die Hand. Diese musste ich meinem Trainer geben, damit er diese weiterleiten konnte damit ich meinen Hund bekam.

Einen Tag später kam dann mein Vater mit einem Mann, der mir die Sprechanlange einbaute und sie mit allem verband. Er erklärte mir, wie sie funktionierte und was ich beachten musste. Wir stellten es so ein, dass die Anlage nur auf meine Stimme reagierte. Die Anlage reagierte wiederrum nur auf den Namen 'Emma', aber den konnte man nicht ändern.
Für alle Fälle erklärte er mir auch, wie ich eine weitere Stimme hinzufügen konnte. Viel musste er nicht erklären, denn er meinte, die Fragen könnte Emma am besten beantworten.
Also versuchte ich es und es war merkwürdig, in einen Raum einfach so hineinzusprechen, ohne eine reale Person anzusprechen. Ich kam mir dumm vor.
Trotz meines Zögerns, stellte ich leise eine Frage. ''Emma? Wie ist das Wetter gerade?''
''Es ist bewölkt mit 11 Grad Celsius, die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei 40% und es ist windstill. Die Sonne geht in etwa 60 Minuten unter.''
Mit so einer ausführlichen Antwort hätte ich nicht gerechnet, weshalb ich einen Augenblick lang schwieg und die Antwort verarbeitete. Vielmehr wunderte ich mich aber, woher die Stimme kam.
''Emma, wie wird das Wetter morgen?''
Während sie wieder ausführlich das Wetter für morgen beschrieb, drehte ich mich einmal um die eigene Achse und versuchte die Lautsprecher zu finden, was sich als schwieriger als gedacht herausstellte. Dabei ignorierte ich Emma, die mittlerweile das Wetter für den Abend vorhersagte.
''Wo sind die Lautsprecher?''
Der Mann trat neben mich, ich hörte ihn direkt neben mir. ''Es gibt mehrere. In einem Raum sind mindestens zwei. Das soll die Qualität steigern. Es klingt besser wie wenn die Stimme nur aus einer Ecke kommt. Momentan sind in jedem Raum zwei Lautsprecher, wenn Sie wollen, machen wir noch mehr. Zwei sind in diesem Standart-Angebot enthalten, jeder weitere Lautsprecher kostet 7 Euro.''
Dann ertönte die Stimme meines Vaters. ''Ich dachte, zwei würden reichen... willst du noch mehr? Reicht das nicht?''
Schnell schüttelte ich meinen Kopf. ''Nein, so war das nicht gemeint!''
In kurzen Sätzen stellte ich es klar was ich meinte und mein Vater wirkte erleichtert. Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. ''Danke, Papa.''
Er erwiderte meine Umarmung. ''Nichts zu danken, mein Sohn.'' Er klopfte mir leicht auf den Rücken und ich lächelte.

Auch als ich alleine war, kam ich mir noch etwas dumm vor, mit Emma zu reden, aber es vertrieb teilweise wirklich die Einsamkeit. Zudem hätte ich niemals damit gerechnet, mit einem Computer so gut reden zu können. Sie erzählte mir sogar, dass es immer wieder Updates geben würde.

Am Freitag besprachen wir den Ausflug, der am Samstag stattfand. Der Reisebus würde mich Zuhause anholen und uns alle in den Wald außerhalb von Seoul fahren. Es ging zwar meiner Meinung nach zu früh los, aber ich freute mich trotzdem total. Dann sprach er mich auf den Hund an und sagte, der Hund wurde genehmigt. Vor Freude sprang ich auf der Stelle und er lachte. Dann wurde er allerdings wieder ernst und sagte, dass ich die Kosten fast komplett alleine tragen musste.
Schluckend nickte ich und fragte, wie teuer es war.
Kurz herrschte Schweigen.
''Je nach Alter, Rasse und Ausbildung des Hundes zwischen 20.000 und 30.000 Euro.''
Leicht nickte ich, wusste aber, dass ich mir das nicht leisten konnte.
''Davon können 5.000 bis 9.000 Euro übernommen werden. Aber was das angeht, besprechen wir wann anders. Mach dir keinen Kopf, bis jetzt habe ich nur sehr wenige erlebt, die auf den Hund verzichten mussten.''
Leicht nickte ich, doch selbst seine positiven Worte konnen meine Niedergeschlagenheit nicht vertreiben.

Zuhause überlegte ich krampfhaft, wie ich den Hund bezahlen könnte.
Später hatte er mir noch gesagt, dass ich den Hund anzahlen könnte und ihn in Raten abzahlen könnte, das hatte mir ziemlich Hoffnung gemacht.
Aber ich hatte kein Einkommen. Meine Eltern übernahmen schon meine Miete und auch viele andere Kosten. Ich konnte sie unmöglich noch danach fragen.
Frustriert seufzte ich auf und fuhr mir durch meine Haare.
''Emma, schalte den Fernseher an.''
Leise lief er im Hintergrund und ich saß mit angezogenen Beinen auf der Couch.

Zum ersten mal machte ich dann etwas, was ich mich zuvor noch nie getraut hatte.
Ich nahm mein Handy und sprach laut ein Restaurant hinein, welches ich mochte und von dem ich wusste, dass sie lieferten. Früher hatte ich dort oft bestellt.
''Anrufen'', sagte ich unsicher und hörte, wie es kurz darauf wählte. Ich hielt mein Handy ans Ohr und als jemand ran ging, nannte ich die Bestellung die ich so oft gesagt hatte, dass ich sie wahrscheinlich nie wieder vergessen würde. Ich sprach ungewollt schnell und leise und mein Gesprächspartner bat mich oft, etwas zu wiederholen.
Sobald ich dann noch meine Adresse genannt hatte und wir auflegten, atmete ich erleichtert aus. Geschafft!

Mit einer App auf dem Handy fotografierte ich das Geld vor mir und nahm mir so viel wie ich brauchte.
Aufmerksam fuhr ich mit meinen Fingern über die Scheine und Münzen und achtete dabei auf die Erkennungsmerkmale, auf mein Trainer mir gezeigt hatte.

Als das Essen kam, lächelte ich etwas verkrampft und hielt dem Liederanten das Geld hin, welches er annahm. Im Gegenzug hielt er mir die Tüten entgegen, nach denen ich griff. In meiner Nervösität griff ich zwei mal daneben, was mir sehr peinlich war. Und ich spürte, wie mir die Hitze in den Kopf stieg.
Von ihm kam kein einziges Lachen oder ähnliches, was ich ihm hoch anrechnete.
Im Gegenteil, er verabschiedete sich noch höflich und wünschte mir einen guten Appetit.

Nachdem ich die Tür geschlossen hatte und wieder alleine war, durchflutete mich ein Gefühl des Erfolgs und ich war stolz auf mich. Nun nahm ich auch den leckeren Geruch des Essens wahr und wie aufs Stichwort knurrte mein Magen.
Schnell tappte ich in die Küche und stellte das Essen auf den Tisch ab. 
Umständlich suchte ich noch Besteck heraus und aß direkt aus den Schachteln.

Während ich aß ließ ich das Radio laufen und hörte den Nachrichten zu.
Es war merkwürdig, für mich war es so, als hätte die Welt ihre ganzen Farben und Formen verloren, als währe alles gestoppt worden. Dabei hatte sich eigentlich nichts verändert, die Welt drehte sich immer noch und nur ich konnte all das nicht mehr sehen.
Irgendwas in mir glaubte die ganze Zeit, keiner könnte mehr sehen, was natürlich Quatsch war. Aber es war auch schwer vorstellbar, alle könnten noch sehen, auch wenn es so war.
Unfälle passierten, Entscheidungen wurden getroffen, irgendwo war Stau, eine Musikgruppe hatte einen Preis gewonnen... es passierte so viel und ich konnte es nur hören.
Es zog mich zwar nicht runter, aber beschäftigte mich.

Bevor ich schlafen ging, redete ich noch etwas mit Emma. Ich fragte sie nach dem Wetter für morgen und informierte mich etwas über den Wald wo wir hinfahren würden.
Ich freute mich schon darauf, ich wusste nicht wer mitfuhr, aber ich stellte es mir ganz interessant vor.

Mit Vorfreude und in Gedanken bei dem Ausflug schlief ich ein.

Doch ich wachte nur wenige Stunden später wieder auf.
Brutal wurde ich von einem Albtraum aus dem Schlaf gerissen. Tränen liefen über meine Wangen und mein Brustkorb weitete sich mit jedem Atemzug schmerzhaft während mein Herz raste.
Mit zitternden Händen fuhr ich mir über mein Gesicht und rieb mir die Augen.
Den Traum hatte ich vergessen aber ich beschloss, dass das auch besser so war.

Noch immer ziemlich geschockt ging ich in die Küche und füllte ein Glas mit eiskaltem Wasser und trank etwas davon bevor ich den Rest ins Becken kippte.
Wenn ich jetzt einen Hund hätte, wäre er jetzt bestimmt auch wach und würde mich trösten.

Es war gerade mal 2 Uhr nachts. Ich musste weiterschlafen. Wach bleiben brachte mir nichts, also tappte ich wieder in mein Bett und dann kam mir eine Idee.
''Emma?''
''Ja, Baekie?''
Ich hatte es so eingestellt, dass sie mich so nannte. Ich mochte diesen Spitznamen. Auch wenn er mich an Chanyeol erinnerte.
''Such nach einer langen Einschlafgeschichte.''
Nur eine Sekunde später listete sie mir mehrere Geschichten auf und ich wählte irgendeine aus. Ich würde sowieso nicht wirklich zuhören. Dann befahl ich ihr, mir diese Geschichte vorzulesen.

----------

𝒃𝒍𝒊𝒏𝒅 || 𝒄𝒉𝒂𝒏𝒃𝒂𝒆𝒌/𝒃𝒂𝒆𝒌𝒚𝒆𝒐𝒍 [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt