I don't know what it is...

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Neben sich stehend schritt Louise mit Tom im Schlepptau durch den Hoteleingang in Richtung des Aufzuges. Als wäre sie in einem Tunnel, blendete sie selbst die aufrichtige Begrüßung des Portiers aus. Ihre Gedanken kreisten nur darüber, dass sie mutig genug war ihren tiefsitzenden Wunsch, ihrer geheimen Sucht nach der Nähe dieses Mannes nachzugeben. Louise hatte ihre Vernunft gänzlich unter Verschluss gebracht und sich ihrer Sehnsucht hingeben lassen, zumindest einen Teil dieser Nacht mit Tom verbringen zu können. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch kreisten wie verrückt, als sie, wie bereits die Nacht zuvor mit ihm zusammen schweigend den Hotelflur ihres Stockwerks entlang lief. Sie machte sich keine Gedanken darüber, wie es wohl nach Außen wirken mochte, dass sie debil grinsend mit einem Mann ihr Hotel betrat und ihn mit auf ihr Zimmer nahm. Sie dachte nicht einmal darüber nach, dass Tom eine außergewöhnliche Bekanntheit, auch in dieser Stadt hatte und dass die falschen Leute das Falsche in diese Situation hineininterpretieren würden.

Was gab es da jedoch hineinzuinterpretieren? Sie selbst wusste nicht einmal, wohin das alles führen sollte und vor allem führen würde. Sie verdrängte ebenfalls die forsche Aufforderung ihrerseits und was Tom insgeheim davon hielt, auch wenn er ohne zu zögern dieser nachgekommen war. Was hatte er für Erwartungen, und vor allem, was hielt er diesbezüglich von ihr? Sie jedoch hatte in gewisser Weise ein Urvertrauen in ihn, dass sie sichergehen konnte, dass sich alles irgendwie zum Guten wenden würde.

Noch immer schweigend, betrat Louise mit Tom zusammen das perfekt hergerichtete Hotelzimmer. Das Bett war frisch gemacht, ihre Kleidung akkurat vom Personal aufgehängt oder zusammengelegt. Von dem Frühstückswagen vom Morgen war ebenfalls keine Spur mehr. Lediglich die Vase mit dem opulenten Blumenstrauß hatte ihren Platz auf dem kleinen Coffeetable gefunden.

Mit wummerndem Herzen entledigte Louise sich routiniert ihres Mantels, welchen Sie fein säuberlich zusammengelegt über eine Stuhllehne hängte. Gekonnt blendete sie die Anwesenheit ihres Begleiters aus. Die beiden hatten seit dem Aussteigen aus Toms Wagen kein Wort gesprochen. Vielmehr dominierte in Louises Kopf eine angenehme Leere gepaart mit diesem Gefühl in ihrer Magengegend, das ihren rasenden Herzschlag perfekt ergänzte. Wortlos befreite Louise sich ebenfalls von ihren Schuhen, bevor sie sich auf ihre Bett setzte und zum ersten Mal Tom direkt in die Augen blickte, seit sie das Zimmer betreten hatten. Sie hatte in ihrem Aktionismus alles so normal wie möglich wirken zu lassen, nicht gemerkt, dass er noch immer in seiner Jacke bekleidet im Eingangsbereich des Hotelzimmers stand, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, als würde er, höflich wie er war, auf eine Aufforderung ihrerseits warten, während er jeden Einzelnen ihrer Schritte aufmerksam verfolgte.

"You okay?", fragte Louise erschrocken, als sie ihn ein wenig unsicher dreinblickend so stehen sah.

"I am... this is just... ", begann Tom zu sprechen, als er fast schon geistesabwesend seinen Mantel von seinen Armen gleiten ließ, "I am glad we didn't call it a day, after the dinner." Louise beschlich sofort das Gefühl, dass er noch etwas anderes hatte hinzufügen wollen, sich aber zurückhielt.

Erleichtert beobachtete sie ihn dabei, wie er die Fernbedienung von dem Couchtisch griff und nun ziemlich selbstbewusst zur anderen Seite des Bettes schritt. Sie drapierte sich eines der Kissen bequem am Kopfteil des Bettes, bevor sie es sich gemütlich machte. An der Bewegung des Bettes fühlte sie, wie Tom sich setzte, sich ebenfalls seiner Schuhe entledigte, seine langen Beine längs auf der Tagesdecke ausstreckte und sich mit dem Rücken an das Kopfende des Bettes anlehnte. Gekonnt tätigte er einige Knöpfe und startete die letzte bekannte Position der John le Carré Serie.

Tom hatte sich mit einem gebührenden und diskreten Sicherheitsabstand an den Äußeren Rand des Bettes platziert und seinen Blick konzentriert auf den Fernseher vor sich gerichtet. Kurzzeitig überkam Louise die Realität. Sie hatte gehandelt, wie in einem Rausch, als wäre ihre Vernunft von einem undurchsichtigen Nebel verhüllt worden, was dazu führte, dass sie erneut mit einem Mann, mit diesem Mann das Bett teilte. Sie versuchte angestrengt objektiv nochmals die Situation zu überschauen: Frau und Mann betreten gemeinsam ein Hotel, schleichen schweigend in ein Zimmer, das nur ihr gehört und finden sich gemeinsam auf einem Bett wieder. Auch wenn Louise schon lange keine Dailysoap mehr gesehen hat, aber genau so musste diese Situation für einen Außenstehenden wirken - wie ein schlecht geschriebenes Skript.

If we meet again... [Wattys 2018 Longlist]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt